# taz.de -- Vegetation nach Waldbränden: Nach dem Feuer die Zitterpappeln | |
> Die Flora in Brandenburg hat nach den Bränden im Sommer gelitten. Die | |
> Forscher sind überrascht, wie schnell die Pflanzen zurückkehren. | |
Bild: Expedition nach dem Waldbrand in Treuenbriezen | |
TREUENBRIETZEN taz | Grün, nass, lässig mit den dünnen Ästen im Wind | |
schaukelnd steht das Zitterpappel-Birkenwäldchen bei Treuenbrietzen in | |
Brandenburg, als hätten in der Gegend im Sommer nicht verheerende | |
Waldbrände gewütet. Über 200 Hektar – also zwei Millionen Quadratmeter – | |
sind hier, im Südwesten Brandenburgs, im Juni abgebrannt. Davon betroffen | |
waren Flächen, die vor vier Jahren schon einmal gebrannt hatten, sowie | |
Kiefernforste, die damals verschont geblieben waren. Besondere | |
Aufmerksamkeit hatten die Brände erfahren, weil sie auch Gebiete erfasst | |
hatten, in denen Wissenschaftler in dem Projekt Pyrophob noch bis 2025 die | |
Folgen der alten Waldbrände erforschen wollten. Zum Teil ist das jetzt | |
unmöglich geworden. | |
Maren Schüle aber zählt weiter. Für ihre Dissertation erfasst die | |
27-Jährige systematisch die Vegetation auf den alten Brandflächen. Erstes | |
Zwischenergebnis: „Wir sind überrascht, wie schnell die Pflanzen | |
zurückkehren“, sagt die Biologin, „in den ersten Jahren nach dem Brand | |
nimmt die botanische Vielfalt zu, in einigen Jahren danach geht sie langsam | |
zurück.“ | |
In robuster Outdoorkleidung, mit Mütze und Rucksack, steht sie Anfang | |
September in einem Dickicht aus Pappeln, ein bis vier Meter hoch. Sie haben | |
sich auf der Fläche angesiedelt, auf der 2018 der Kiefernforst erst | |
abgebrannt und die danach von der Besitzerin, einer Genossenschaft, beräumt | |
und danach gepflügt worden war. Die schwarzen Baumstümpfe der Kiefern | |
stehen noch immer in Reih und Glied, zwischen Pappeln und Stümpfen ein | |
Pfahl. | |
Das Gelände ist in Untersuchungsflächen unterteilt, auf einer Fläche liegen | |
zehn Probekreise, die mit Pfählen markiert sind. „Im Radius von zehn Metern | |
erfasse ich alle Pflanzen einschließlich der Moose, die ich finde“, sagt | |
Schüle. Sie findet Heidekraut und das weit verbreitete und von Förstern | |
wenig geschätzte Landreitgras, aber auch Gräser wie Drahtschmiele, | |
verschiedene Seggen und Straußgras sowie seltene Pflanzen wie das | |
Niederliegende Johanniskraut oder den Hauhechel. Rund 20 Arten pro | |
Probekreis hat die Biologin zu Beginn ihrer Arbeit, zwei Jahre nach dem | |
Waldbrand, auf der beräumten Fläche gefunden. Inzwischen sind es noch 15. | |
## Zitterpappeln und Birken sind Pionierbaumarten | |
Die Pflanzen, die jetzt hier wachsen, konnten sich entweder ansiedeln, weil | |
ihre Samen sehr flugfähig sind – wie die der Pappel. Oder aber sie haben in | |
der sogenannten Samenbank überlebt, Vorkommen unterschiedlichster Samen, | |
die im Boden zum Teil Jahrzehnte im Wartestand überdauern. Herrschen für | |
sie günstige Bedingungen, keimen und wachsen sie. Um später, wenn etwa | |
konkurrenzstärkere Pflanzen den Standort erobern, wieder zu verschwinden. | |
Einige Kilometer weiter untersucht Schüle nach derselben Methode die | |
Entwicklungen auf einer Waldbrandfläche im Wildnisgebiet der Stiftung | |
Naturlandschaften, die nicht beräumt, sondern auf der das Totholz stehen | |
und liegen gelassen wurde. Hier ist die Pflanzenvielfalt doppelt so hoch. | |
Allerdings befinden sich in der Nähe brachliegende Ackerflächen, insofern | |
könnte das Ergebnis durch herübergewehte Samen beeinflusst worden sein. | |
Hier wie dort finden sich neben Kiefern vor allem Zitterpappeln und Birken. | |
Beide sind Pionierbaumarten, deren zahlreiche, leichte Samen der Wind weite | |
Strecken mitnimmt und in der Landschaft verteilt. Robust und zäh besiedeln | |
sie den trockenen Sandboden, auch die extreme Trockenheit des vergangenen | |
Sommers konnte sie offenbar nicht schrecken. | |
Besonders eindrucksvoll sind die vielleicht einen Meter hohen Pappeln, die | |
auf gerade abgebrannter Fläche stehen. Selbst angekokelt, treiben sie doch | |
von unten wieder aus – und bilden teils meterlange Wurzelausläufer, aus | |
denen wieder neue Triebe ausschlagen. Bei Berechnungen darüber, wie viel | |
Kohlenstoff Wälder in ihrer Biomasse speichern, würden die unterirdischen | |
Ausläufer und Wurzeln häufig nicht berücksichtigt, sagt Thilo Heinken: | |
„Hier besteht noch Forschungsbedarf.“ Der Botaniker an der Uni Potsdam | |
betreut Schüles Dissertation und vertritt die Universität im | |
Pyrophob-Verbundprojekt. Was die Wissenschaft fasziniert, lässt die | |
Waldbesitzer:innen häufig kalt. | |
„Förster können mit dem weichen Holz der Zitterpappeln wenig anfangen“, | |
sagt Heinken. Die gesamte Waldwirtschaft, Sägewerke, die Bauindustrie, alle | |
seien auf Fichten und Kiefern ausgerichtet. „Diese Pappeln hier zeigen uns | |
aber an, dass sie mit den hiesigen Bedingungen besonders gut | |
zurechtkommen“, sagt Heinken, „vielleicht müssen wir hier umdenken, und | |
Verwendungen für die Pappel suchen.“ | |
Vereinzelt stehen zwischen dem Pappel-Birken-Dickicht wachsen auch kleine | |
Eicheln und Kiefern. Sie können sich nicht auf den Wind verlassen, sondern | |
sind darauf angewiesen, dass jemand ihre Samen transportiert und ausbringt. | |
Eichelhäher zum Beispiel oder Eichhörnchen. Von den Samen, die vor dem | |
Waldbrand in der etwa handbreiten Humusschicht des Forsts lagen und dort | |
vielleicht schon keimten, ist nichts geblieben. Diese dunkle, | |
nährstoffreiche Schicht aus Pflanzenresten ist komplett verbrannt. | |
Übrig geblieben ist der nackte Erdboden. Der sei, sagt Heinken, als | |
Grundlage für neue Pflanzen ganz gut geeignet. Perspektivisch wird an der | |
Stelle also in einigen Jahrzehnten ein Mischwald entstehen. | |
Und die Buche? „Sie kommt viel, viel später, in Jahrzehnten erst. Sie | |
braucht den Schatten und das Mikroklima eines Waldes, um zu keimen und | |
aufzuwachsen. Beinahe kahle Fläche zu erobern, das überlässt sie anderen.“ | |
10 Oct 2022 | |
## AUTOREN | |
Heike Holdinghausen | |
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