Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Nationalparkleiter über Brand im Harz: „Das war eine Materialsch…
> Gut eine Woche brannte der Brocken im Harz lichterloh. Totholz ist der
> beste Garant für den Waldumbau, sagt Nationalparkleiter Roland Pietsch.
Bild: Totholz bleibt als Biomasse im Wald. Bei Feuer ist das ein Problem
taz: Herr Pietsch, der verheerende Brand der vergangenen Woche [1][ist
gelöscht]. Wie sieht es derzeit auf den betroffenen Flächen im Nationalpark
aus?
Roland Pietsch: Zum Glück ist es nun sehr nass, weil es mehrfach länger
geregnet hat. Das heißt aber nicht, dass wir schon sicher sind. Am
vergangenen Wochenende hat die Feuerwehr noch einige Glutnester gelöscht.
Seit Montag haben wir die Verantwortung übernommen.
Die ganze Woche beobachten unsere Rangerinnen und Forstwirte Tag und Nacht
das Gelände. Sie haben Wärmebildkameras und Löschrucksäcke dabei und laufen
an der Bahnstrecke entlang. Wenn sie Rauch entdecken oder die
Wärmebildkamera Glut anzeigt, versuchen sie selbst zu löschen. Ist ein
Brandherd zu groß, alarmieren sie die Feuerwehr.
Das Feuer ist entlang der Strecke der vor allem touristisch genutzten
Schmalspurbahn ausgebrochen?
Ja, mal wieder. Auf der sachsen-anhaltischen Seite des Nationalparks haben
wir die Brände der vergangenen Jahre ausgewertet: 80 Prozent sind in
Bereichen entlang der Bahnstrecke entstanden. Dem müssen die
verantwortlichen Akteure dringend und transparent nachgehen.
Die Schmalspurbahn fährt mit Dampfloks. Sind die es, die den Wald in Brand
setzen?
Wie die Feuer entstanden sind, wissen wir nicht, und auch im aktuellen Fall
müssen das die Brandermittler herausfinden. Die Dampfloks sind schön, sie
sind Touristenmagneten, niemand hier möchte sie abschaffen. Wir müssen
jedoch jetzt mit den Akteuren, die für die Bahn verantwortlich sind, zügig
herausfinden und umsetzen, was wir gemeinsam zur Brandvermeidung tun
können. Ohne Brände brauchen wir keine riskante Brandbekämpfung.
Wie geht es jetzt weiter, forsten Sie wieder auf?
Nein. Das Holz und die Humusschicht sind abgebrannt, dort haben wir jetzt
mineralische Böden offen liegen. Das ist eine gute Voraussetzung für das
Aufkommen neuer Vegetation. Als ich vergangenen Montag durch die Flächen
lief, flogen die Samen des Weidenröschens wie Schnee umher. Erst kommen die
Kräuter und Gräser, dann die Büsche und Bäume. [2][Die Natur holt sich das
schnell zurück.] Totholz ist der beste Garant und Nährboden für diese
Entwicklung und bietet dann auch den besten natürlichen und dauerhaften
Brandschutz.
Über das Totholz haben Sie jetzt aber eine schöne Debatte …
Das kommt immer sofort. Es gibt einen Expertenkreis dazu, und mit den
Feuerwehren sind wir sowieso schon lange im Gespräch. Wir holen uns
Expertise von außen, und übrigens sind auch wir vom Fach. Wir sind kein
verschrobener grün-ideologischer Haufen, sondern eine Fachbehörde. Wir
vertreten auch keine dogmatischen Positionen, wir argumentieren und handeln
pragmatisch und fachlich basiert. Das wünschen wir uns auch von anderen.
Wir wollen mit den Akteuren vor Ort die schwierigen und komplexen
Zielkonflikte etwa zwischen Brandschutz, Tourismus und Naturschutz
auflösen. Der Nationalpark ist wegen seiner besonderen Wildnis auch ein
touristischer Magnet mit rund 10 Millionen Besuchern im Jahr.
Die Feuerwehr hält auch nicht viel von Totholz.
Natürlich muss man für die Sicherheit der Feuerwehrleute sorgen. Das haben
wir auch getan, wir haben zum Beispiel bei dem aktuellen Brand Wege über
viele hundert Meter zu Brandschutzschneisen verbreitert und lange
Zuwegungen in den Wald geschlagen, um die Brandbekämpfung zu unterstützen
und weitgehende Sicherheit zu ermöglichen.
Wir müssen für den Brandschutz tun, was erforderlich und sinnvoll ist. Und
es ist eben so: Totholz beschattet, hält den Wind ab und so die
Feuchtigkeit im Boden, es schützt gegen Spätfröste und Wildverbiss. Am Ende
beschleunigt und sichert es den Wandel hin zu einem klimastabilen
Mischwald. Wir reden von einer Übergangszeit von einigen Jahren, in der wir
mit dem Totholz klarkommen müssen.
Viele der ungeschützten Neuanpflanzungen der umliegenden Forstbetriebe
haben den trockenen Sommer nicht überstanden, die Flächen versteppen. Sie
haben ein hohes Risiko für großflächige Grasbrände. Zwischen dem Totholz im
Nationalpark hat sich die vielerorts schon natürlich aufgekommene Strauch-
und Baumvegetation etabliert.
Wir haben während der letzten Waldbrände gelernt: Es gibt stehendes
Totholz, das ist trocken und schlecht, und liegendes, das baut den Humus
auf und ist gut. Können Sie nicht die toten Bäume herausholen, die noch
stehen?
Also, erst steht der Baum, dann fällt er um. Das ist ein Prozess. So
richtig sinnvoll ist die Einteilung nicht, und Probleme bei der
Brandbekämpfung verursachen beide Stadien: Unter den toten Bäumen gibt es
Funkenflug oder sie brechen ab und können Einsatzkräfte gefährden. Liegen
die Stämme auf dem Boden, kommt die Feuerwehr schlecht in die Flächen.
Also doch raus damit?
Das geht doch gar nicht. Wir müssten alle 20 Meter mit schweren Maschinen
in den Nationalpark hinein, um die Stämme zu fällen und herauszufahren. Das
würde das empfindliche, für eine natürliche Waldregeneration so wichtige
Bodengefüge auf den meist flachgründigen oder anmoorigen Böden zerstören.
Für dafür erforderliche Forstmaschinen ist es an den meisten Stellen zu
steil, zu steinig oder zu nass. Zudem würden wir wegen des hohen Bedarfs
derzeit europaweit rare Forstmaschinen über viele Jahre binden, die in den
Wirtschaftswäldern dringend zur Vorbereitung der Flächen für die
Aufforstungen benötigt werden. Unsere forstlichen Nachbarn würden sich
bedanken.
Braucht der Nationalpark mehr Brandschneisen, mehr Wege für die
Feuerwehren?
Als wir beim letzten Brand eine Schneise am Hang angelegt haben, haben wir
einen Quellhorizont angestochen, da ist uns der Weg erst mal auf ganzer
Breite weggeschwommen. Das zeigt, wie komplex die Materie ist, mit der wir
uns beschäftigen.
Wir müssten dort dann vielerorts professionellen Straßenbau betreiben, das
kostet Millionen. Abgesehen davon: Wenn wir mehr Wege schaffen, kommen noch
mehr Menschen mitten in den Wald. Das bedeutet auch noch mehr Risiko von
Waldbränden durch illegale Lagerfeuer. Ich setze auf das bestehende
Wegenetz von immerhin rund 600 Kilometern. Wenn sich Kommunen unsicher
fühlen, brauchen wir von ihnen konkrete Hinweise, dann reagieren wir
darauf. Da sind sie aber manchmal etwas zögerlich.
Müssen wir uns an Waldbrände gewöhnen? Oder anders gefragt: Haben Sie es
mit dem Löschen übertrieben?
Neben den Feuerwehren waren bis zu sieben Hubschrauber und zwei
Löschflugzeuge gleichzeitig im Einsatz, das war eine Materialschlacht. Im
Frühjahr hatten wir Brandschutzexperten aus Südeuropa hier, sehr erfahren
mit Waldbränden. Sie schlagen vor, [3][Auffanglinien zu bilden, bis zu
denen man vorher definierte Bereiche kontrolliert abbrennen lässt].
Breite Schneisen sorgen dafür, dass Siedlungen und Infrastruktur nicht
gefährdet werden. Ich hätte dabei kein gutes Gefühl, aber vielleicht ist
das eine Strategie, die wir angesichts der bei uns zunehmenden Trockenheit
für die Wälder, nicht nur im Nationalpark, berücksichtigen müssen. Das
sollte unsere Expertengruppe mit bedenken.
15 Sep 2022
## LINKS
[1] /Waldbrand-im-Nationalpark-Harz/!5879033
[2] /Botaniker-ueber-Braende-in-Brandenburg/!5862102
[3] /Feuer-im-Nadelwald/!5880731
## AUTOREN
Heike Holdinghausen
## TAGS
Trockenheit
Schwerpunkt Klimawandel
GNS
Waldbrände
Harz
Hitze
Wald
Lesestück Recherche und Reportage
Waldbrände
Harz
Wald
Schwerpunkt Stadtland
Umweltschäden
## ARTIKEL ZUM THEMA
Waldschäden im Harz: Totes Holz ist Leben
Niedersachsens grüner Umweltminister Christian Meyer plädiert für mehr
Wildnis im Nationalpark Harz. Vor Ort hört das nicht jeder gern.
Waldbrände in der Sächsischen Schweiz: Unter Feuer
Trägt der Naturschutz zur Ausbreitung von Waldbränden bei? Davon ist eine
Bürgerinitiative überzeugt. Die Nationalparkverwaltung hält dagegen.
Vegetation nach Waldbränden: Nach dem Feuer die Zitterpappeln
Die Flora in Brandenburg hat nach den Bränden im Sommer gelitten. Die
Forscher sind überrascht, wie schnell die Pflanzen zurückkehren.
Falsche Angaben zum Waldbrand im Harz: Hickhack um tote Bäume
Die Feuer haben weniger Schaden verursacht, als bisher kommuniziert.
Hintergrund der verschiedenen Angaben ist ein Streit über das forstliche
Konzept.
taz nord-Serie „Waldspaziergang“: Trister Anblick
In der Serie „Waldspaziergang“ beschäftigt sich die taz nord mit dem
Zustand der Wälder in Norddeutschland. Folge 1: Der Harz.
Kunstschnee für Tourismus im Harz: Weiße Weihnacht auf Bestellung
Weil Weihnachten die Skisaison starten soll, bevorratet sich der Harz mit
Kunstschnee. Für die Umwelt ist das eher weniger vergnüglich.
Gesundheitsschäden im Harz: Im Nebel der Rauchfahnen
Im nördlichen Harzvorland klagen Anwohner seit Jahren über
Beeinträchtigungen durch Metall verarbeitende Betriebe. Nun startet eine
Untersuchung.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.