Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Bergwerksmuseum vor dem Aus: Die gefährdete Seele des Harzes
> Einzigartig? Das ist Clausthal-Zellerfelds Rat egal. Er hat das Ende des
> Oberharzer Bergwerksmuseums beschlossen. Aber noch laufen
> Rettungsversuche.
Bild: Modell eines Wasserrads im Bergwerksmuseum: Der Oberharz ist von Kanälen…
Möglicherweise kommt es doch noch zur Rettung des Oberharzer
Bergwerksmuseums (OBM). Am Mittwoch hat zum zweiten Mal ein runder Tisch
über die Zukunft dieser europaweit einzigartigen Einrichtung getagt: Bei
dem prüfen die Beteiligten, unterstützt vom Museumsverband
Niedersachsen-Bremen (MVNB), ob sich noch rechtzeitig zum Jahreswechsel
eine GmbH gründen lässt. Die müsste dann den Betrieb des Museums in
Clausthal-Zellerfeld übernehmen und – zappzarapp! – die nötigen Mittel von
rund 400.000 Euro herbeizaubern.
Wenn das nicht klappt, dann wird das Technikmuseum am 1. Januar dicht
gemacht, nach über 130 Jahren. Das hat der Stadtrat so entschieden: „Das
Museum soll zum 01. 01. 2026 schließen“, so heißt es unmissverständlich
[1][in dem am 17. September mit 24 von 27 Stimmen beschlossenen Antrag der
SPD-Fraktion], „sofern bis zum 04. 12. 2025 keine tragfähige Lösung
gefunden werden kann“.
Zuvor war auf Betreiben des Rates die bisherige Konstruktion unterm Dach
[2][der Welterbestiftung verlassen worden]. An der hing auch die
Finanzierung. „Auf uns wirkt das so, als sei hier ohne Not und sehenden
Auges ein funktionierendes Betriebsmodell aufgegeben und dadurch der
Fortbestand des Museums gefährdet worden“, so schildert es
MVNB-Geschäftsführer Thomas Overdick, der mit seinem Verband den Prozess
seit über einem Jahr begleitet.
Eröffnet worden war das Oberharzer Bergwerksmuseum 1892, also elf Jahre vor
dem Deutschen Museum in München. Es war damit offenbar erst das zweite
Technikmuseum überhaupt in Europa. Niemand hätte damals ahnen können, dass
der kommerzielle Bergbau exakt 100 Jahre später ein Ende finden würde.
## Bergbau seit dem Mittelalter
Spätestens seit dem Hochmittelalter prägt der die Region [3][im Guten wie
im Schlechten]: Die Klöster an seinem Rand waren involviert. Das zum
Welterbe erhobene Kanalsystem des Wasserregals mit seinen Regen-Teichen
bezeugt das alles. Der Harz, den manche für Natur halten, [4][ist eine
reine Industrielandschaft]. Deswegen hat er Welterbestatus.
Einzigartig ist das Museum im Ortsteil Zellerfeld aber, weil seine Gründung
nicht auf eine obrigkeitliche Initiative zurückgeht: Angeregt von
Berghauptmann Adolf Achenbach hatten die Beschäftigten, die Kumpel und die
Verwaltungsleute schon 1884 begonnen, ihren Alltag und seine Gegenstände zu
dokumentieren. „Die Sammlung ist von den Arbeitern selbst zusammengetragen
worden“, sagt Hendrik Schläper. [5][Er hat eine Online-Petition zur Rettung
des Museums gestartet]. „Das ist für mich die Seele des Ortes, vielleicht
des ganzen Harz.“
Schläper ist promovierter Mess- und Regelungstechniker. In Clausthal war er
zur Uni gegangen, danach ist er weggezogen. Aber mehrere Bücher über die
Harzer Montangeschichte, ihre technischen Besonderheiten und ihren
Niedergang hat er verfasst. „Wer sich eine Vorstellung davon machen will,
wie Bergbau im Harz früher funktioniert hat, dann gibt es keinen besseren
Ort als dieses Museum“, erklärt er der taz.
Die Bürgermeisterin von Clausthal-Zellerfeld klingt weniger euphorisch,
wenn es um das Oberharzer Bergwerksmuseum geht. Entscheidungen des Rates
habe sie „grundsätzlich nicht zu kommentieren“, stellt die ehemalige
Vizepräsidentin des niedersächsischen Landtags, Petra Emmerich-Kopatsch
(SPD), klar.
Die Frage der taz nach dem kulturellen und wissenschaftlichen Stellenwert
der arbeiterhistorisch herausragenden Institution für Clausthal-Zellerfeld
beantwortet die Sozialdemokratin mit der wahren, aber doch eher lapidaren
Feststellung, dass „das Museum die gesamte Stadtgeschichte“ beinhalte.
Als „einfachste Lösung“ fürs Trägermodell regt sie an, der Museumsdirekt…
solle „sich ein Beispiel an den erfolgreichen Kollegen aus St. Andreasberg“
nehmen, also der Grube Samson. Das hieße, „er führt das Haus selbst und
gründet hierfür eine GbR“, so die Empfehlung, also eine Gesellschaft
bürgerlichen Rechts.
Wenn es nicht als ignorant gelten soll, muss das als geradezu zynisch
gelten. Bedeuten würde es schließlich, ihm persönlich das wirtschaftliche
Risiko für die Bewahrung der Stadtgeschichte aufzubürden, als wäre sie sein
privates Hobby. Dabei sind vorher [6][alle zuvor angefragten Kandidaten
zurückgeschreckt], wie die Bürgermeisterin selbst mitteilt.
## Das Herz ist die Sammlung
Fachlich ist es zudem komplett neben der Spur. Denn „der Vergleich mit der
Grube Samson ist irreführend“, erklärt MVNB-Geschäftsführer Overdick. Denn
diese „ist in erster Linie ein Schaubergwerk“, so der Museums-Experte. Zwar
werde da tatsächlich „hervorragende Arbeit geleistet“, sagt Overdick. „A…
das ist im eigentlichen Sinne kein Museum.“
Der Unterschied ist leicht zu erkennen, und auch, welche Auswirkungen er
auf die Kostenstruktur hat: Die Grube Samson kann ausschließlich im Rahmen
einer Führung besucht werden. Die dauert 90 Minuten und wird um 11 Uhr und
um 14.30 Uhr angeboten. Das OBM dagegen ist täglich außer montags von 10
bis 17 Uhr, ab November nur bis 16 Uhr geöffnet.
Zu ihm gehören neben dem Haupthaus auch Bauwerke wie die im 17. Jahrhundert
24 Meter in die Erde gefräste runde Radstube der Grube Thurm Rosenhof oder
das älteste eiserne Fördergerüst Europas. Das wurde 1876 überm
Ottiliae-Schacht errichtet und bis 1980 von der Preussag genutzt.
Sein Herzstück ist aber, wie bei jedem Museum, die Sammlung. Sie wird
bewahrt, erforscht und eben durch regelmäßige Öffnungszeiten zugänglich
gehalten. In Zellerfeld geht es um [7][rund 10.000 historische Gegenstände
und Dokumente.] „Es spielt eine besondere Rolle in der niedersächsischen
Museumslandschaft“, sagt Overdick. Die zu bewahren, ist eine Aufgabe der
öffentlichen Hand.
29 Oct 2025
## LINKS
[1] https://www.clausthal-zellerfeld.sitzung-online.de/public/to020?TOLFDNR=102…
[2] /Ein-Pumpspeicherkraftwerk-fuer-den-Harz/!5123417
[3] /Studie-ueber-Blei-im-Blut-von-Kindern/!6088646
[4] /Das-unfassbare-Denkmal/!389820&s=Oberharz&SuchRahmen=Print/
[5] https://www.openpetition.de/petition/online/rettet-das-oberharzer-bergwerks…
[6] https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/braunschweig_harz_goettingen/k…
[7] /Der-Weltkultur-Erbe-PORTRAIT/!569508/
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
## TAGS
Bergbau
Technik
Identität
Harz
SPD Niedersachsen
SPD
NS-Gedenken
Trockenheit
Europa
## ARTIKEL ZUM THEMA
Harzer Tourismusverband feiert Jubiläum: Die NS-Zeit ist kein Thema
Der Harzer Tourismusverband würdigt sein 120-jähriges Bestehen mit einer
Chronik, in der der NS fast nicht vorkommt. KZs und Rüstungsfabriken
fehlen.
Nationalparkleiter über Brand im Harz: „Das war eine Materialschlacht“
Gut eine Woche brannte der Brocken im Harz lichterloh. Totholz ist der
beste Garant für den Waldumbau, sagt Nationalparkleiter Roland Pietsch.
Unterwegs in Europa: Kultur auf dem Weg
Pilger, Soldaten, Händler oder Seeleute: Alle bahnten sich ihre eigenen
Wege durch Europa. Die Kulturrouten folgen den historischen Pfaden.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.