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# taz.de -- taz nord-Serie „Waldspaziergang“: Trister Anblick
> In der Serie „Waldspaziergang“ beschäftigt sich die taz nord mit dem
> Zustand der Wälder in Norddeutschland. Folge 1: Der Harz.
Bild: Kein gutes Zeichen: trockene und abgestorbene Fichten im Harz im Juli 2022
Hamburg taz | Wer an Wald denkt, hat sofort Bilder im Kopf. Verschiedene
Grüntöne, Moos, das unter der Schuhsohle nachgibt, Sonnenstrahlen, die sich
in den Baumkronen brechen. Man steigt über gefallene Äste und alte
Baumstämme und irgendwo, ganz versteckt, hämmert ein Specht. Diese
Vorstellung ist natürlich nicht ganz richtig. Denn erstens [1][ist Wald
nicht gleich Wald] und zweitens geht es vielen Wäldern schlecht.
Die toten Fichten im Nationalpark Harz sind Zeichen eines Wandels, der in
den letzten Jahren immer schneller voranschreitet – und der gleichzeitig
[2][aufgrund der Klimaerwärmung] immer notwendiger wird. Aus den einst
angepflanzten Fichtenforsten sollen mittelfristig wieder Mischwälder
werden, die widerstandsfähiger sind.
„Ursprünglich wurde davon ausgegangen, dass der Wandlungsprozess wesentlich
länger dauern wird“, sagt Martin Baumgartner vom Nationalpark Harz. „Der
Borkenkäfer hat das aber massiv beschleunigt.“ Teilweise müssen
Waldarbeiter:innen aus Sicherheitsgründen tote Bäume fällen – auch um
dem Wald bei der Erholung zu helfen. An die freien Stellen setzen sie
Jungpflanzen, vor allem Buchen und andere Laubarten. Mehr als sechs
Millionen Bäume seien seit 2008 gepflanzt worden, sagt Baumgartner.
Worin hier im Harz eingegriffen wird, ist streng genommen aber kein Wald –
es ist ein Forst. Über 3.000 Jahre lang haben Menschen die Region um den
Brocken für den Bergbau genutzt. Um an das Erz zu gelangen, haben sie die
alten Laubwälder der tieferen Lagen gefällt und [3][durch schnell wachsende
Fichten ersetzt], deren Holz auch für den Bergbau dringend benötigt wurde.
Eine folgenreiche Entscheidung.
## Die Klimakrise ist im Wald schon sichtbar
21,6 Prozent der Fläche Niedersachsens ist laut dem Statistischen Bundesamt
bewaldet. Das sind acht Prozent weniger als der bundesdeutsche
Durchschnitt. Aber was bedeutet das? In Deutschland wie in ganz
Mitteleuropa gibt es kaum noch Urwälder. Der Rest ist menschengemacht oder
zumindest menschenbeeinflusst. Wie im Harz haben Gesellschaften über
Jahrtausende hinweg die Landschaft verändert. Wälder wurden gerodet;
Forste, Weiden und Siedlungen angelegt. Was übrig blieb, war meist eine
clusterartige Ansammlung von Bäumen.
Der Laubmischwald, der einst die natürliche Vegetation des Landes gewesen
war, machte laut der Bundeswaldinventur im Jahr 2012 nur noch 19 Prozent
der Waldfläche Niedersachsens aus. Und die Wälder, die nicht komplett
gefällt wurden, haben sich durch menschliche Aktivitäten verändert. „Der
Wald ist in einem kritischen Zustand“, sagt Friedhart Knolle vom [4][BUND
im Westharz]. Die Klimakrise sei im Wald schon deutlich sichtbar: längere
und heißere Trockenphasen setzen den Bäumen zu; Schädlinge – allen voran
der Borkenkäfer – greifen die geschwächten Bestände an.
All dies zeigt sich im „anhaltend schlechten Gesundheitszustand der
Waldbäume“, wie es das niedersächsische Landwirtschaftsministerium im
Waldzustandsbericht für das Jahr 2021 beschreibt. Die durchschnittliche
Kronenverlichtung, die ein Maß für den Nadel- oder Blattverlust der
Baumkrone ist, befinde sich „auf dem Höchststand der 38-jährigen
Zeitreihe“.
Der wirtschaftliche Anbau machte aus Ökosystemen Plantagen, die anfälliger
bei Stürmen, Dürren oder beim Schädlingsbefall sind. Die Folgen sieht man
in fast allen Waldgebieten des Landes, auch im Harz. Hier sind weite Teile
des Nationalparks so stark beschädigt, dass die Parkverwaltung
Besucher:innen mittlerweile sogar vor dem tristen Anblick der
Landschaft warnt.
## Wald ist Erholung und Freizeit
Doch der Wald ist existenziell. Er ist Erholungs- und Freizeitgebiet,
Lebensraum für Tiere und Pflanzen und wichtiger Klimafaktor. „Der Wald ist
Klimaanlage der Landschaft, Erneuerungsquelle des Grundwassers und Hotspot
der Artenvielfalt“, sagt Knolle. Dazu kommen die großen
CO2-Speicherkapazitäten.
Diese Prozesse macht der Wald im Idealfall ganz automatisch. Damit er aber
all dies bestmöglich bewerkstelligt, muss er gesund und widerstandsfähig
sein. Dazu muss ein Wald mehr sein als eine Ansammlung von Bäumen. Gesunde
Wälder sind Ökosysteme. Sie bestehen aus Laub- und Nadelbäumen, Totholz,
Sträuchern, Gräsern, Kräutern, Wild- und Kleintieren, Insekten,
Mikroorganismen, Pilzen, Flechten und Moosen. Manche der komplexen
Zusammenhänge sind bis heute nicht entschlüsselt.
23 Jul 2022
## LINKS
[1] /Forstwirtschaft/!t5363284
[2] /Schwerpunkt-Klimawandel/!t5008262
[3] /Waldschaeden-im-Harz/!5702305
[4] https://www.bund-westharz.de/
## AUTOREN
David Wasiliu
## TAGS
Wald
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