# taz.de -- Wasserkrise in Berlin: Die Hitze und das Wasser | |
> An Hitzetagen steigt der Wasserverbrauch. Was aber, wenn nicht erst mit | |
> dem Kohleausstieg das Wasser knapp wird, sondern schon jetzt? Eine | |
> Erkundung. | |
Bild: Einer der 240 Trinkbrunnen der Wasserbetriebe in Berlin | |
Berlin taz | 37 Grad im Schatten, dazu tropische Nächte ohne abkühlendes | |
Lüftchen. Hoch „Bettina“ hat am vergangenen Mittwoch nicht nur die | |
Berlinerinnen und Berliner schwitzen lassen, sondern auch die [1][Berliner | |
Wasserbetriebe]. 880.000 Kubikmeter Trinkwasser hat das Unternehmen am | |
bisher heißesten Tag des Jahres ins Netz der Hauptstadt eingespeist. An | |
normalen Tagen sind es 600.000 Kubikmeter. | |
Wenn es heiß ist, trinken die Menschen mehr Wasser aus dem Hahn, duschen | |
vielleicht zweimal statt einmal am Tag, und die Blumen oder Gärten wollen | |
auch gegossen werden. Mit dem Mehrverbrauch an Trinkwasser steigt | |
gleichzeitig die Abwassermenge. Und mit ihr, sagt Verena Fehlenberg, die | |
Menge an Klarwasser, also in den Klärwerken gereinigtes Abwasser, das dann | |
in die Havel, den Tegeler See, den Müggelsee oder die Spree geleitet wird. | |
Mit dem Klarwasser, so Fehlenberg, gelangten allerdings auch | |
Medikamentenrückstände oder PFAS, sogenannte Ewigkeitschemikalien, ins | |
Grundwasser. | |
Verena Fehlenberg ist Referentin für Stadtnaturschutz des BUND Berlin und | |
verweist darauf, dass die Wasserbetriebe seit Jahren schon keine | |
nachhaltige Nutzung des Grundwassers mehr betreiben können. „Es wird | |
dauerhaft mehr Grundwasser entnommen als sich neu bilden kann“, sagt | |
Fehlenberg der taz. | |
Ihre Beobachtung wird gestützt von einem aktuellen [2][Gutachten, das der | |
BUND beim Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE) in Auftrag | |
gegeben hat]. Das Ergebnis: In Berlin stünden alle Grundwasserkörper unter | |
Stress. Besonders betroffen ist laut BUND der Südosten Berlins: „Dort wird | |
40 Prozent mehr gefördert als durch Niederschlag wieder ausgeglichen werden | |
kann.“ | |
## Liegt Berlin auf dem Trockenen? | |
Liegt Berlin bald auf dem Trockenen? Diese Frage wird seit den Hitzesommern | |
ab 2018 immer wieder gestellt. Nein, sagen die Wasserbetriebe und verweisen | |
darauf, dass 60 Prozent des Berliner Trinkwassers nicht direkt aus dem | |
Grundwasser, sondern aus sogenanntem Uferfiltrat gewonnen werde. Über | |
Tiefbrunnen fördern die Wasserwerke versickertes Wasser aus Spree, Havel | |
und Co. Aus den Grundwasserleitern selbst wird nur ein Drittel des | |
Trinkwasserbedarfs gefördert. Weitere zehn Prozent sind angereichertes | |
Grundwasser. | |
Es gebe trotzdem keinen Grund für Entwarnung, sagt Verena Fehlenberg. Denn | |
nicht nur das Grundwasser stehe in Berlin unter Stress. Auch die Spree | |
führe immer weniger Wasser. „Die Lage wird nicht erst dramatisch, wenn die | |
Spree nach dem Kohleausstieg weniger Wasser führen wird“, sagt sie. „Die | |
Lage ist schon jetzt dramatisch.“ | |
Bereits vor der jüngsten Bullenhitze hatte die [3][B.Z. über eine interne | |
Analyse der Senatsumweltverwaltung] berichtet. Demnach führte die Spree im | |
Mai nur halb so viel Wasser wie im langjährigen Mittel. Noch weniger wird | |
es sein, wenn 2038 der Braunkohletagebau in der Lausitz endet und kein | |
abgepumptes Grundwasser mehr in die Spree geleitet wird. Solche | |
„Sümpfungswasser“ machen im Jahresmittel 50 Prozent, im Sommer sogar 75 | |
Prozent des Spreewassers aus. Das hatte 2023 ein [4][Gutachten des | |
Umweltbundesamtes] ergeben. | |
Vor allem die Politik diskutiert seitdem immer wieder mögliche Lösungen. | |
Der Bund soll eine 500 Millionen teure Überleitung von der Elbe in die | |
Spree bezahlen, forderten die Ministerpräsidenten von Sachsen, Brandenburg | |
und Berlin auf einem Spreegipfel vergangenes Jahr. Die Grünen verlangen, | |
dass der Bergbaubetreiber Leag nach dem Ende des Tagebaus Welzow-Süd die | |
Grube nicht einfach so mit Spreewasser volllaufen lassen darf wie beim | |
Tagebau Cottbus-Nord, aus dem inzwischen der [5][Cottbuser Ostsee] wurde. | |
Und warum nicht die Tagebauseen zu Wasserspeichern machen? | |
„Das sind politische Entscheidungen“, sagt dazu Stephan Natz, der Sprecher | |
der Berliner Wasserbetriebe. Allerdings plädieren auch die Wasserbetriebe | |
dafür, Welzow-Süd nicht einfach nur zu fluten. Auch mehr Wasserrückhalt in | |
der Landschaft, der Waldumbau oder das Schwammstadtprinzip finden die | |
Zustimmung der Wasserbetriebe. Viele dieser Forderungen stehen ohnehin im | |
[6][„Masterplan Wasser“], mit dem der Senat auf die drohende Wasserkrise | |
reagiert. | |
## Trinkkwasser aus Abwasser? | |
Was aber, wenn nichts oder nur wenig davon umgesetzt wird? Was, wenn das | |
Grundwasser noch mehr unter Stress gerät und der Spree das Wasser ausgeht? | |
Kann auch aus Abwasser Trinkwasser gewonnen werden? | |
Auf der [7][Jahrespressekonferenz der Wasserbetriebe] lobte Vorstand Frank | |
Brockmann Ende Juni die „Resilienzstrategie“ des Unternehmens. Dazu | |
gehörten nicht nur die Wiederinbetriebnahme der Wasserwerke Johannisthal | |
und Jungfernheide. Auch in neue Reinigungsstufen der Klärwerke werde | |
investiert. So bekam etwa das Klärwerk Waßmannsdorf bei Schönefeld eine | |
neue „Flockungsfiltrationsanlage“, mit der Phosphor aus dem Abwasser | |
gefiltert werden kann. | |
Mit der von der EU beschlossenen Herstellerverantwortung werden die | |
kommunalen Wasserunternehmen künftig auch finanziell entlastet. Denn die | |
Hersteller von Pharmazeutika und Kosmetika sollen mindestens für 80 Prozent | |
der Kosten aufkommen, die durch die zusätzliche Behandlung in den | |
Klärwerken anfallen. All das wird aber nicht dazu führen, dass eines Tages | |
Trinkwasser nur aus Abwasser gewonnen werden kann. Einen „schönen Traum“ | |
nennt das Natz. Und es wäre wohl auch ein teurer. | |
Also arbeiten die Wasserbetriebe mit einer Doppelstrategie gegen die | |
Wasserkrise an: so viel wie möglich aus dem Abwasser filtern, damit das | |
Klarwasser das Grundwasser möglichst wenig beeinträchtigt – und dazu | |
beitragen, dass der Wasserverbrauch sinkt. Nur eines wollen die | |
Wasserbetriebe nicht: Diejenigen (auch unter den Unternehmen) zur Kasse | |
bitten, die viel Wasser verbrauchen. Oder diejenigen mit einem niedrigen | |
Preis zu belohnen, die bereits sparen. | |
Den Berliner Grünen ist das zu wenig. Sie fordern vom Senat, die 32 | |
Maßnahmen, die im „Masterplan Wasser“ genannt werden, deutlich schneller | |
umzusetzen. Dazu gehört auch, möglichst viel Wasser in der Stadt zu halten, | |
sagt June Tomiak der taz. Tomiak ist Sprecherin der Grünen-Fraktion für | |
Gewässerschutz und fordert, das Wasser von Dächern nicht in die | |
Kanalisation zu lenken, sondern zu den naheliegenden Kleingewässern. | |
Denn auch viele der [8][„blauen Perlen“] drohen auszutrocknen. Zum Beispiel | |
der Kiezteich im Thälmannpark in Prenzlauer Berg. Lange Zeit wurde er mit | |
Trinkwasser befüllt, um ihn zu erhalten. Dann wurden in der umgebenden | |
Grünanlage Filter eingebaut, die ihn mit Regenwasser füllen. All das kostet | |
Geld. „Wir fordern für die Kleingewässer deshalb mehr Geld für die | |
Sanierung und Geld für die Bezirke zur Pflege“, sagt Grünen-Politikerin | |
Tomiak. | |
Es sind die vielen kleinen Maßnahmen, die nötig wären. So könnten die | |
landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften mit gutem Beispiel vorangehen und | |
auf einen zweiten Wasserkreislauf setzen: Toiletten müssen nicht mit | |
Trinkwasser gespült werden, Brauchwasser reicht. | |
„Auch wenn es noch keine Not gibt bei der Wasserversorgung wissen wir, was | |
die Auswirkungen sein werden“, sagt June Tomiak. „Ich glaube, es ist der | |
Moment da, dass wir krass Alarm schlagen müssen.“ | |
6 Jul 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://www.bwb.de/de/index.php | |
[2] https://www.bund-berlin.de/service/presse/detail/news/das-wasser-wird-knapp… | |
[3] https://www.bz-berlin.de/berlin/spree-nur-noch-halb-so-viel-wasser | |
[4] https://www.umweltbundesamt.de/presse/pressemitteilungen/spree-droht-nach-k… | |
[5] https://cottbuser-ostsee.de/ | |
[6] https://www.berlin.de/sen/uvk/umwelt/wasser-und-geologie/masterplan-wasser/… | |
[7] /Bilanz-der-Berliner-Wasserbetriebe/!6095272 | |
[8] https://www.berlin.de/sen/uvk/natur-und-gruen/biologische-vielfalt/berliner… | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
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