Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Vordenker des Rechtsextremismus: Der Pate der rechten Revolte
> Götz Kubitschek arbeitet an einer regressiven Gegenöffentlichkeit. Er
> liefert auch den „Identitären“ Ideen für den Widerstand von rechts.
Bild: 27. August 2016: „Identitäre“ neben der Quadriga auf dem Brandenburg…
Zehnter April 2017, auf dem Altmarkt in Dresden, Pegida-Kundgebung. Ein
kerniger Mann im mittleren Alter, schwarzer Zipppullover und
kurzgeschorene Stoppelfrisur, betritt die Bühne. Er wird vorgestellt als
„Pegida-Unterstützer der ersten Stunde“. Herzlich begrüßt er die Menge in
schwäbischer Melodie.
Dann erzählt er die Geschichte von einer Taube und einer Katze: Eigentlich
sei die Taube als Beute zu groß für die Katze. Weil ihre Flügel aber
gebrochen seien, zerre die Katze sie eine Treppe hinunter, ihr Kopf knalle
dabei auf jede einzelne Stufe. Die Taube, sagt der Mann dann, sei
Deutschland. Und die Katze? All jene, die dieses Deutschland auf dem
Gewissen haben, in der heutigen Rede: Die „politische Klasse“. Die Menge
ist außer sich, sie grölt: „Widerstand!“
[1][Götz Kubitschek ist nicht irgendein Redner bei Pegida]. In einer
nationalistischen und antidemokratischen Erhebung der vergangenen Jahre
besetzt er eine spezielle Rolle: Er ist Stichwortgeber, Theoretiker,
Vordenker einer heterogenen Bewegung – der italienische Marxist Antonio
Gramsci hätte gesagt: „Organischer Intellektueller“, Architekt einer
Gegenöffentlichkeit von rechts. Zu seinem Publikum gehören die AfD und die
rechtsextreme „Identitäre Bewegung“, aber auch das Kameradschaftsmilieu und
völkische Burschenschaften.
So unterschiedlich Relevanz und Mittel jener Akteure sind, so sehr haben
sie eines gemein: den Hass auf die Moderne, das heißt Globalisierung,
Migration und „Multikulti“, aber auch Bedeutungsverlust von Nationalstaat
und patriarchaler Familie. Von Kubitschek geht besondere Gefahr aus, weil
er eine Brücke baut vom Konservatismus bis zur parlamentarischen und
außerparlamentarischen extrem Rechten.
Die Übel, die da gezeichnet werden, drängen nach einer schnellen Lösung:
„Es ist jedesmal (sic!) die Vorbereitungszeit auf die Zukunft Deutschlands,
die da verstreicht, ohne dass etwas Zukunftsträchtiges geschähe“, schrieb
Kubitschek schon 2006 in der programmatischen Schrift „Provokation“.
Ihm und seinen Gesinnungsgenossen geht es nicht darum, irgendeinen Zustand
zu bewahren, sondern um einen Umsturz, die sogenannte konservative
Revolution: „Das Grausen sollte uns nur dann packen, wenn wir feststellen
müssen, daß (sic!) unser Volk keine Kraft mehr zu einer Umwälzung hat“, so
Kubitschek weiter.
Er wurde 1970 in Ravensburg geboren, studierte in Hannover und Heidelberg
Germanistik, Geografie und Philosophie. Gemeinsam mit Karlheinz Weißmann
gründete Kubitschek im Jahr 2000 das Institut für Staatspolitik (IfS). Ein
Thinktank, von dem der Gymnasiallehrer Weißmann in der Wochenzeitung Junge
Freiheit einmal schrieb, es solle ein „Reemtsma-Institut von rechts“
werden.
Das Institut für Staatspolitik ist beheimatet in einem ehemaligen Rittergut
in Schnellroda, Sachsen-Anhalt. Hier lebt Kubitschek mit seiner Frau, der
„Literatur-Redakteurin“ Ellen Kositza und sieben Kindern, die alle Namen
von germanischen Sagenhelden tragen. Der von Kubitschek gegründete Antaios
Verlag hat hier seinen Sitz, auch wird die seit 2003 im Zweimonatsrhythmus
erscheinende Zeitschrift Sezession an diesem Ort produziert. Sie gilt als
Nachfolgepublikation der Zeitschrift Criticón. Von 1970 bis Ende der 1990er
erschienen hier Texte in der Tradition der „konservativen Revolution“, mit
Referenzen zu Ernst Jünger und Carl Schmitt.
## Zu rechts für die „Junge Freiheit“?
Kubitschek publizierte einst für die Junge Freiheit – bis es zum Streit mit
[2][Chefredakteur Dieter Stein] kam: Stein, der die AfD mit den Grünen
vergleicht, wehrt sich gegen die Selbstbezeichnung „Neue Rechte“.
Er möchte am Begriff des Konservatismus festhalten. Während Kubitschek den
nationalkonservativen Flügel der AfD um Alexander Gauland und Björn Höcke
unterstützt, warnte Stein schon vor knapp drei Jahren an Bernd Luckes Seite
vor dem Rechtsruck in der AfD. Zuletzt stand er an der Seite Frauke Petrys,
als diese sich für einen „realpolitischen“ Entwicklungsweg der AfD
aussprach. Und trotzdem spricht auch Stein davon, „ein positiveres
Verständnis von deutscher Geschichte“ vermitteln zu wollen. Wer in seiner
Zeitung blättert, merkt schnell: Der Unterschied zwischen ihm und
Kubitschek ist vor allem ein strategischer.
Kubitschek nennt den sachsen-anhaltischen AfD-Chef André Poggenburg einen
Freund, oder einfach „Pogge“. Auch mit dessen Thüringer Kollegen Höcke
versteht er sich. Seine bekannte Rede vom „afrikanischen Ausbreitungstyp“
hielt jener im Dezember bei einem Kongress des Instituts für Staatspolitik.
Und sein „geistiges Manna“, so Höcke, verdanke er Schnellroda.
2015 wollten Kubitschek und Kostiza der AfD in Sachen-Anhalt beitreten.
Bernd Lucke, damals Parteispitze, verhinderte das – und machte sich Feinde.
Wie der Konflikt zwischen den wirtschaftsliberalen Professoren und den
Nationalkonservativen ausging, ist bekannt: Lucke verlor den Kampf um
Mäßigung. Petry verlor ihn beim Parteitag im April 2017 erneut, wenn auch
aus machtpolitischen Motiven.
## Lehrer der Identitären
Der Kampf um die AfD spiegelt auch den Kampf um das Selbstverständnis und
Stratgeien innerhalb der rechten Intelligenzijia wider. Es überrascht
nicht, dass Kubitschek heute keinen Grund mehr sieht, in die AfD
einzutreten – warum auch, wenn man von außen so viel Einfluss genießt.
Kubitschek macht ohnehin keine Politik, sondern Metapolitik: den
vorpolitischen Raum formen, neue Begriffe prägen, Räume des Sag- und
Denkbaren erweitern.
Auch in die Öffentlichkeit der „Mitte“ scheint diese Anstrengung
durchzudringen. Die großen Blätter des Landes besuchten Schnellroda und
druckten Porträts, manche mehr, andere weniger kritisch. Während ein
FAZ-Autor fast rausflog im Disput über deutsche Geschichte, verklärte der
Spiegel Kubitschek als den „dunklen Ritter Götz.“ Ein Coup gelang dem
Institut für Staatspolitik mit der Einladung des bekannten
[3][jüdisch-amerikanischen Autors Tuvia Tenenbom]: Anfang Mai stellte
dieser bei einem „literarischen Frühschoppen“ in Schnellroda sein Buch
„Allein unter Flüchtlingen“ vor. Das linke Zentrum Conne Island in Leipzig
vertagte daraufhin eine eigene Lesung mit dem Autor.
Schnellroda ist aktiv, dort finden Sommer- und Winterakademien über
„Widerstand“ und „Machbarkeit“ statt – ein Bildungsort für die extrem
rechte „Identitäre Bewegung“. Es scheint, als hätten sich Theoretiker und
Bewegung gefunden: Eine Bewegung, die mit ihren Aktionsformen jene Ideen
verbreitet, die ihr Denker aufs Blatt bringt. Laut dem Antifaschistischen
Infoblatt studierten Kubitschek und Felix Menzel, Autor der Sezession,
politische Kommunikationsformen der Studierendenbewegung der 1968er Jahre:
Hans-Jürgen Krahl und Rudi Dutschke. Kubitschek vergleicht Martin Sellner –
Kopf der österreichischen Identitären – mit Dutschke.
Es waren jene 68er, die den Begriff der „subversiven Aktion“ prägten: um in
postnazistische Zustände einzugreifen. Kubitschek formte daraus den Begriff
der „Konservativ-Subversiven Aktion“ (KSA). Bei einer solchen Aktion störte
er 2008 mit zwanzig Studierenden den 1968er-Kongress an der
Humboldt-Universität zu Berlin. Im selben Jahr stürmten Kubitschek und
Anhänger eine Lesung von Günter Grass in Hamburg. Der Vorwurf: Grass mache
selbstbewusstes Nationalverständnis unmöglich.
## Ideologie führt zu Gewalt
Der Weg von der Idee zur Tat ist bei manchen im Umfeld der „Neuen Rechten“
kein langer. 2011 wurde der Punkmusiker Hervé Rybarczyk in Lille tot in
einem Fluss gefunden, die Polizei ging von Selbstmord aus. Nach neuen
Erkenntnissen nahm sie Ende April 2017 drei Personen fest, [4][wie Zeit
Online berichtete]. Laut dem Journalisten Bernhard Schmid war einer von
ihnen Mitglied der 2013 verbotenen Gruppierung „Der Dritte Weg“. Diese
Gruppe habe sich im Haus der „Identitären Bewegung“ in Lille getroffen und
sei mit dieser in einer „Solidaristischen Volksfront“ zusammengeschlossen
gewesen.
Auch in Deutschland wurden Rechtsextreme festgenommen: Der Fall von
Oberleutnant [5][Franco A.], der sich Munition beschaffte, um mutmaßlich
Anschläge auf Politiker*innen zu verüben, sorgte für einen Skandal in der
Bundeswehr. Zielscheiben waren Personen, denen er eine zu liberale
Flüchtlingspolitik unterstellte, darunter Bundespräsident Joachim Gauck.
Die Masterarbeit, die Franco A. an der französischen Militärakademie
Saint-Cyr einreichte, hatte den Titel „Politischer Wandel und
Subversionsstrategie“. Darin schrieb er von einem „geheimen Rassenkampf
gegen den Westen“. Deutsche Vorgesetzte verhinderten damals den Rausschmiss
von Franco A.. Kubitscheks Metapolitik befeuert nicht nur die
Radikalisierung einer Partei. Manche sind – in der letzten Konsequenz
seiner Ideen – dazu bereit, zum Mittel des politischen Mordes zu greifen.
Derzeit überprüft der Militärische Abschirmdienst (MAD) mögliche
Verbindungen zwischen Franco A. und der „Identitären Bewegung“.
Auch Kubitschek war bei der Bundeswehr, er ist Oberleutnant der Reserve.
Weil er für die Junge Freiheit schrieb, wurde er 2001 wegen
„rechtsextremistischer Bestrebungen“ entlassen. Nach einer Kampagne der
Junge Freiheit wurde der Entlassungsbescheid allerdings wieder
zurückgenommen.
23 May 2017
## LINKS
[1] /!5408586
[2] /!5406585
[3] /!5077250/
[4] http://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2017/05/11/franzoesische-identitaere-na…
[5] /!5410898
## AUTOREN
Volkan Ağar
## TAGS
Schwerpunkt Gegenöffentlichkeit
Neue Rechte
Götz Kubitschek
Ideologie
Right Trash
Jörg-Uwe Albig
Hausprojekt
Rechtsextremismus
Rechtsextremismus
Schwerpunkt AfD
Der Spiegel
Right Trash
NDR
Götz Kubitschek
Kommunikation
Schwerpunkt Gegenöffentlichkeit
Schwerpunkt Gegenöffentlichkeit
Schwerpunkt Gegenöffentlichkeit
AfD Hamburg
Schwerpunkt Gegenöffentlichkeit
Schwerpunkt Gegenöffentlichkeit
Schwerpunkt Gegenöffentlichkeit
Schwerpunkt AfD
Schwerpunkt Gegenöffentlichkeit
Benno Ohnesorg
Bundeswehr
Right Trash
## ARTIKEL ZUM THEMA
Jörg-Uwe Albigs Satire „Zornfried“: Wo das Navi vor Nazis warnt
Homestorys bei Rechten in „Zornfried“: Albigs satirischer Roman widmet sich
der medialen Faszination für sogenannte Rechtsintellektuelle.
Linkes und rechtes Hausprojekt: Häuserkampf in Halle
Aktivisten des linken Projekts Hasi bangen um ihre Zukunft. Wird die Stadt
sie weitermachen lassen? Ein Haus der Identitären ist dagegen sicher.
Neue Rechte stellt Magazin vor: Wie einst in Rom
Die Neue Rechte hat ein neues Magazin: „Cato“. Die Macher treten damit in
Konkurrenz zu „Sezession“, einem anderen rechten Magazin.
Verschwörungstheorien und die Truppe: Rechte Lügen aus der Bundeswehr-Uni
Internetnutzer an den Bundeswehr-Unis verbreiten im Online-Lexikon
Wikipedia Verschwörungstheorien. Sie ändern Beiträge und verfälschen
Fakten.
Kommentar Russlandkontakte der AfD: Mit dem Osten gegen den Westen
Russland soll AfD-Politiker unterstützt haben. Das passt: Der Osten war dem
rechten Milieu immer näher als das französische „Liberté, égalité,
fraternité“.
Rechtsradikales Buch in Bestsellerliste: „Spiegel“ streicht „Finis German…
Die Zeitschrift hat das Buch von ihrer Bestsellerliste genommen. Die
Empfehlung eines Spiegel-Redakteurs hat es erst so bekannt gemacht.
Kolumne Right Trash: AfD macht sich zum Affen
Mit ihrer Gegnerschaft zur Ehe für alle hat die AfD ein
Alleinstellungsmerkmal entdeckt. Und das verteidigt sie mit dem homophoben
Holzhammer.
Kritik am Sachbuch des Monats: „Votum gegen den Zeitgeist“
Die Auswahl eines rechten Buches sorgt bei NDR und „SZ“ für einen Eklat.
Ein Journalist verlässt die Jury, doch der Bucherfolg ist nicht zu stoppen.
„Finis Germania“ von Jury ausgewählt: Ressentiment auf Platz 9
„Finis Germania“ hat es in die Top 10 des „Sachbuch des Monats“ geschaf…
Es ist Zeit, über die Entgrenzung nach rechts im Feuilleton zu reden.
Debatte Ideen und Sprache der Linken: Recht haben ist nicht alles
Die Linken müssen sich die ihnen entrissene Sprache zurückerobern. Sie
ermöglicht erst die Transformation von Ideen in politische Praxis.
Todesort von Benno Ohnesorg: „Sorry, nie gehört“
Die RAF und die 68er beriefen sich auf ihn – Uwe Timm schrieb ihm ein Buch:
Benno Ohnesorg. Ein Besuch an dem Ort, an dem er starb.
Geschichte linker Medien im Überblick: Eine ganz andere Sicht
Öffentlichkeit bedingte auch Gegenöffentlichkeit. Eine Auswahl von linken
Medien in Deutschland und Österreich.
Medienberichterstattung über Gewaltakte: Journalisten sind keine Heiligen
Eine ideale Berichterstattung bei Gewaltakten wie Terroranschlägen gibt es
nicht. Das soll aber nicht heißen, dass es nichts zu verbessern gäbe.
AfD fordert mehr Geld für Altonaer Bahnhof: Dürfen wir AfD-Ideen gut finden?
Die Alternative für Deutschland will in der Hamburger Bürgerschaft über ein
Dach am Bahnhof Diebsteich reden. Ein ernstzunehmender Vorschlag? Pro und
Contra
Klage gegen Fake-News-Vorwurf: Alles Lüge
Fake News sind ideal, um vermeintliche Gegner*innen zu diskreditieren –
auch in Österreich. Doch ein Journalist klagt nun.
Debatte Rechte und linke Diskurse: Überall erwartbare Reflexe
Die Diskussionen bei Linken und Rechten folgen einem festen Muster. Sie
stecken in fixen Rollen. Muss das so sein?
Medienversagen beim NSU: „Wir waren blind“
Jahrelang zog der NSU unerkannt mordend durchs Land. Die Ermittler machten
die Opfer zu Verdächtigen – und die Medien folgten.
Darf die Bundesregierung das?: Gegen die AfD polemisieren
Wissenschaftsministerin Johanna Wanka hat der AfD die „rote Karte“ gezeigt.
In Karlsruhe rechtfertigt sie das mit einem „Recht auf Gegenschlag“.
Moderne Gegenöffentlichkeit: Auf die Nerven gehen
Gegenöffentlichkeit ist heute was anderes als früher. Grund dafür sind neue
Mittel der Artikulation und rechtspopulistisches Aufbegehren.
Musiker Arash Safaian über den 2. Juni: „Eine Klangmischung, die nicht geht�…
Das Musiktheater „Der Schuss“ erzählt vom Tod Benno Ohnesorgs – mit Chaos
und Gong. Ein Interview mit dem Komponisten Arash Safaian.
Nazi-Probleme bei der Bundeswehr: Welche Tradition?
Das Verteidigungsministerium gestattet es Anhängern des NS-Propagandahelden
Werner Mölders, sich auf einem Bundeswehrgelände zu treffen.
Kolumne Right Trash: Hitlergruß vor Blümchentapete
Pudelmütze mit Hakenkreuz gefällig? Wie ein rechter Blog zwischen
Naturbildern und viel nackter Blondheit Nazisymbole versteckt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.