| # taz.de -- Darf die Bundesregierung das?: Gegen die AfD polemisieren | |
| > Wissenschaftsministerin Johanna Wanka hat der AfD die „rote Karte“ | |
| > gezeigt. In Karlsruhe rechtfertigt sie das mit einem „Recht auf | |
| > Gegenschlag“. | |
| Bild: Hat sie ein Recht auf Gegenschlag? Wissenschaftsministerin Johanna Wanka | |
| Karlsruhe taz | Eigentlich muss sich die Bundesregierung im Wettbewerb der | |
| Parteien neutral verhalten. Aber gilt das auch, wenn sie angegriffen wird? | |
| Darüber verhandelte an diesem Mittwoch der Zweite Senat des | |
| Bundesverfassungsgerichts. | |
| Auslöser des Streits war eine [1][AfD-Demonstration gegen die | |
| Flüchtlingspolitik der Bundesregierung] im November 2015. Das Motto der | |
| Demo lautete: „Rote Karte für Merkel – Asyl braucht Grenzen“. Drei Tage … | |
| der Kundgebung reagierte Wissenschaftsministerin Johanna Wanka (CDU) mit | |
| einer kurzen Pressemitteilung auf der Homepage ihres Ministeriums. Unter | |
| der überschrift „Rote Karte für die AfD“ warnte Wanka, die Demo unterstü… | |
| „Rechtsextreme, die offen Volksverhetzung betreiben.“ | |
| Dagegen wehrte sich die AfD mit einer Organklage beim | |
| Bundesverfassungsgericht. Wanka habe die staatliche „Neutralitätspflicht“ | |
| verletzt. Ihr faktischer Boykottaufruf sei ein unzulässiger Eingriff in die | |
| Chancengleichheit der Parteien. | |
| Die AfD rechnete mit einem sicheren Sieg in Karlsruhe. Denn erst im Oktober | |
| 2014 hatte Karlsruhe entschieden: Minister dürfen zwar an politischen | |
| Diskussion teilnehmen und dort auch andere Parteien angreifen, allerdings | |
| dürften sie dabei nicht die Ressourcen ihres Ministeriums nutzen. Das | |
| Verfassungsgericht erließ noch am Tag der AfD-Demonstration eine | |
| einstweilige Anordnung: Wanka musste die Pressemitteilung von der Webseite | |
| ihres Ministeriums nehmen. | |
| ## „Eine Stimme unter vielen“ | |
| Doch Wanka gab nicht auf. In der mündlichen Verhandlung versuchte sie nun | |
| ihre Intention zu erklären. Die AfD habe in einer dramatischen Situation | |
| versucht, die Ängste der Bevölkerung in Hass auf die Bundesregierung zu | |
| verwandeln. „Da muss es möglich sein, dass ich als Mitglied der | |
| Bundesregierung reagiere.“ | |
| Ihr Rechtsvertreter Joachim Wieland argumentierte, dass hier | |
| verfassungsrechtliches „Neuland“ betreten werde. „Die bisherigen Urteile | |
| zur Chancengleichheit betrafen den Wahlkampf“, so Wieland, der Streit um | |
| die Flüchtlingspolitik habe aber mit Wahlkampf nichts zu tun. „Die | |
| Bundesregierung hat hier nicht ihre überlegenen Ressourcen eingesetzt. Das | |
| war nur eine schnelle verbale Reaktion im Internet.“ So etwas werde in der | |
| öffentlichkeit nicht als amtliche Vorgabe wahrgenommen, sondern „als eine | |
| Stimme unter vielen“. | |
| Die Bundesregierung habe auch ein „Recht auf Gegenschlag“, so Wieland. Sie | |
| müsse es nicht hinnehmen, wenn ihr von der AfD ein Verfassungsbruch | |
| vorgeworfen wird. „Wer die Auseinandersetzung sucht, muss auch mit einer | |
| Antwort rechnen.“ Mehrfach betonte Wieland: „Die Bundesregierung hat nicht | |
| angegriffen, sondern sich nur verteidigt.“ | |
| „Frau Wanka hätte die Erklärung ja auf ihrer privaten Webseite | |
| veröffentlichen können“, argumentierte der AfD-Anwalt Marc Vallendar. „Ab… | |
| sie wollte die größere Reichweite und die amtliche Qualität der | |
| Ministeriums-Seite.“ | |
| Die Verfassungsrichter wunderten sich vor allem über den Inhalt von Wankas | |
| Erklärung. „Sie enthält kein Wort zur Flüchtlingspolitik und kein Wort zum | |
| Vorwurf des Verfassungsbruchs“, so der federführende Richter Peter Müller, | |
| „was hat das mit Verteidigung zu tun?“ | |
| ## Neutralität und Sachlichkeit | |
| „Wenn ein Angriff polemisch ist, darf die Regierung auch polemisch | |
| reagieren“, behauptete Regierungsvertreter Wieland, „Angriff ist die beste | |
| Verteidigung.“ Wer zu leise ist, werde im Internet nicht wahrgenommen, so | |
| Wieland. Das Sachlichkeitsgebot könne hier nur eingeschränkt gelten. „Es | |
| kann nicht sein, dass die Regierung nur mit gefesselten Füßen an einer | |
| Auseinandersetzung teilnehmen darf.“ | |
| Andreas Voßkuhle, der Präsident des Verfassungsgerichts, fragte irritiert | |
| nach: „Wenn die Regierung mit Fake News angegriffen wird, darf sie dann | |
| auch mit Lügen antworten?“ Soweit wollte dann aber auch der forsche | |
| Rechtsprofessor Wieland nicht gehen. | |
| In der Verhandlung deutete sich an, dass die Richter die Bundesregierung | |
| weiterhin zu Neutralität und Sachlichkeit verpflichten wollen. „Wenn die | |
| Auseinandersetzung zunehmend verroht, muss die Regierung dann nicht erst | |
| recht ein Vorbild an Sachlichkeit sein?“, fragte Richterin Christine | |
| Langenfeld. | |
| Das Urteil wird in einigen Monaten verkündet. | |
| 24 May 2017 | |
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| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
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