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# taz.de -- Europaweite taz-Recherche: Die unheilige Allianz
> Wie sich christliche FundamentalistInnen, radikale AbtreibungsgegnerInnen
> und rechte Parteien verbünden, um an die Macht in Europa zu gelangen.
Bild: 22. Mai 2018: Im Palazzo Marino, dem Rathaus von Mailand, diskutiert der …
Verona/Berlin taz | 4. Oktober 2018. Im Palazzo Barbieri in Verona, der mit
seinen neoklassischen Säulen an einen römischen Tempel erinnert, tagt der
Stadtrat. Antrag 434 steht auf der Tagesordnung, „Zur Verhinderung von
Abtreibung und zur Unterstützung der Mutterschaft“. Eingebracht hat ihn
Alberto Zelger, Stadtrat der rechtsextremen Lega, die seit Juni gemeinsam
mit der populistischen 5-Sterne-Bewegung das Land regiert. Dass
Abtreibungen in Italien legalisiert wurden, ist auf den Tag genau 40 Jahre
her.
Von den Rängen des Saales aus verfolgen rund zwanzig Frauen die Sitzung.
Sie tragen rote Umhänge und weiße Kopfbedeckungen. Es ist die Kluft der
Frauen aus dem dystopischen Roman „Die Geschichte der Magd“ der kanadischen
Schriftstellerin Margaret Atwood, der eine Zukunft zeigt, in der Frauen als
Gebärmaschinen versklavt werden. Seit der Roman im letzten Jahr große
Erfolge als Fernsehserie feierte, ist dieses Kostüm zum Symbol des Kampfes
für Frauenrechte geworden, das von AktivistInnen weltweit getragen wird.
Denn der Entscheidungsfreiheit von Frauen gegen ein Kind und für eine
Abtreibung, hat nicht nur die italienische Lega den Kampf angesagt. Dies
einzuschränken, ist ein Ziel der radikal rechten Parteien insgesamt. Und
nicht nur das: Egal ob es um Mutterrolle oder Familienbild, um Sexual- oder
Gleichstellungspolitik geht – [1][die Rechten verfolgen eine strikt
antifeministische Agenda].
Neben dem eigentlichen Ziel von mehr einheimischen, weißen Kindern steckt
dahinter auch eine strategische Überlegung: Mit dem so genannten
Lebensschutz werden [2][fundamentalistische christliche Gruppen an die
Parteien gebunden]. Mit dem Angriff auf das, was beispielsweise die AfD
gern „Gender-Gaga“ nennt, soll der Sprung ins konservativ-bürgerliche
Milieu gelingen und die erreichen, die von den liberalisierten
Christdemokraten enttäuscht sind: Die Bandbreite der gesellschaftlichen
Gruppen, in denen WählerInnen gewonnen werden, wird größer.
## Angst, Abtreibungen vorzunehmen
Mit ihren Protesten in Verona erregen die Aktivistinnen der Gruppe „Non una
di meno“ („Nicht eine weniger“) Aufmerksamkeit in ganz Italien. Doch die
Verabschiedung des Antrags im Stadtrat können sie nicht verhindern: Er wird
mit 21 zu 6 Stimmen angenommen.
Verona nennt sich nun offiziell „Stadt für das Leben“. Katholische
Organisationen wie das Gemma Projekt, die Frauen daran hindern wollen, ihre
Schwangerschaft abzubrechen, werden mit öffentlichen Geldern unterstützt.
Zudem wird ein regionales Projekt ins Leben gerufen, das ungewollt
schwangere Frauen ermutigt, die Kinder auszutragen und zur Adoption frei zu
geben.
Vor allem aber befürchten AktivistInnen und GynäkologInnen, dass die
öffentlichen Krankenhäuser weiter unter Druck geraten, keine Abtreibungen
mehr vorzunehmen. In Italien ist der Schwangerschaftsabbruch in den ersten
drei Monaten erlaubt. Doch in vielen Gegenden des Landes weigern sich
ÄrztInnen, Abtreibungen durchzuführen. Nach der jüngsten Studie des
Gesundheitsministeriums sind es bereits 70 Prozent aller ÄrztInnen, in
einigen Regionen mehr als 90 Prozent.
„Abtreibung ist kein Recht, es ist ein abscheuliches Verbrechen“,
begründete der Lega-Stadtrat Alberto Zelger seinen Antrag. „Es bedeutet,
ein Kind im Bauch der Mutter zu töten“. Eine Position, die er sich mit dem
italienischen Familienminister Lorenzo Fontana teilt. Fontana, 38, ist
Vize-Chef der Lega, Trauzeuge von Innenminister Matteo Salvini – und stammt
aus Verona.
## Verbindung bis in Ministerien in Rom
Die 250.000-Einwohnerstadt in Norditalien ist traditionell besonders eng
mit der katholischen Kirche verbunden. Und mit dem Faschismus: Mussolini
wählte die Stadt 1943 für die Neugründung seiner Partei, in den 1970er und
1980er Jahren fühlten sich dort rechtsterroristische Gruppen wohl.
Die Liga Veneta, eine Keimzelle der Lega, hatte stets enge Beziehungen
sowohl zur extremen außerparlamentarischen Rechten als auch zu katholischen
TraditionalistInnen. Es gibt ein Bild von einer „Demonstration für die
Familie“ in Verona aus dem Jahr 2015, das diese Nähe sehr gut zeigt: Hinter
dem Demobanner läuft der heutige Minister Fontana zusammen mit dem Gründer
der katholischen Extremistenorganisation Christus Rex, die wiederum mit der
neofaschistischen Forza Nuova verbunden ist.
Kein Wunder also, dass sich ausgerechnet Verona an die Spitze eines
Anti-Abtreibungskreuzzugs in ganz Italien stellt: Die Debatte um Abtreibung
beschäftigt spätestens seit Oktober das ganze Land. Während tausende Frauen
demonstrieren, kopierten rechte Politiker in Rom, Mailand oder Ferrara den
Antrag aus Verona und versuchen nun, ihn in ihren Städten ebenfalls
verabschieden zu lassen. Was in Verona funktioniert, lässt sich exportieren
– zumindest dorthin, wo Rechte in Stadtparlamenten sitzen.
## Ein harmloser Familienkongress?
Oder mit der Regierung in Rom. In seinem ersten Interview, nachdem er im
Mai Familienminister wurde, sagte Lega-Mann Fontana, eines seiner
Hauptanliegen sei, die Geburtenrate in Italien zu erhöhen und den Kampf
gegen Schwangerschaftsabbrüche zu verstärken. „Ich bin katholisch, ich
glaube, dass die natürliche Familie aus Vater, Mutter und Kindern besteht.“
Er widmete dem Thema sogar ein ganzes Buch: „Die leere Wiege der
Zivilisation. An den Ursprüngen der Krise“ wurde beim sogenannten „Festival
des Lebens“ präsentiert, das im Februar in Verona statt fand und das die
Stadtverwaltung finanziell förderte.
Jetzt kommt die nächste Stufe: Ende März soll der „[3][World Congress of
Families“] in Verona statt finden – und AbtreibungsgegnerInnen weltweit
auffordern, in die Offensive zu gehen. Der World Congress of Families
versteckt seine Agenda hinter einem harmlos klingenden Namen. Was sollte an
Familien bedrohlich sein? Doch „Familie“, das bedeutet in diesem Fall: Die
einzig wahre besteht aus Mann, Frau und möglichst vielen Kindern.
Schwangerschaftsabbrüche? Teufelszeug. Die Frau, die auf ihr Recht am
eigenen Körper verzichtet: Beim World Congress of Families ist sie das
Ideal.
Der jährlich stattfindende Kongress ist die weltweit wichtigste
Veranstaltung religiöser Rechter und ultrakonservativer AntifeministInnen,
die globale Speerspitze der VerteidigerInnen der „traditionellen Ehe und
Familie“. Zum ersten Mal fand er 1997 statt, seitdem tourt er durch die
Welt, um jeweils vor Ort Kontakte zu machen, Strategien zu entwickeln und
sein Netzwerk auszudehnen. Veranstalter ist die „International Organisation
for the Family“ mit Sitz im Bundesstaat Illinois, seinen Ursprung hat er in
der US-amerikanischen religiösen Rechten.
Doch die TeilnehmerInnen kommen, wie der Name schon sagt, aus aller Welt:
Es sind religiöse Würdenträger, VertreterInnen privater Organisationen oder
der Zivilgesellschaft und offizieller staatlicher Stellen, konservativer
oder rechter. Denn parteipolitisch gibt sich der Kongress pragmatisch. „Wer
unsere Werte vertritt, ist uns willkommen“, sagt der Präsident des
Kongresses, Brian Brown, ein früherer Quäker, der zum Katholizismus
konvertierte.
## Annäherung an Europa
Spätestens seit 2017 sucht der Kongress offen die Nähe zu rechten
Regierungen in Europa. Denn es gibt Schnittstellen, an denen Religiöse und
Rechte dieselben Positionen vertreten, an denen Religion und Biopolitik
Hand in Hand gehen: Keine Einwanderung, vor allem keine muslimische – um
den christlichen Glauben nicht zu gefährden. Die Beschneidung der Rechte
von LGBTI. Und der Zugriff auf den weiblichen Körper, um dem Land Kinder zu
schenken und es wehrhaft zu machen.
Der erste Ort, an dem die Nähe zwischen Kongress und europäischer Rechter
offensichtlich wurde, war im Mai 2017 Budapest. Zwar fanden auch zuvor
schon Kongresse in europäischen Städten statt. Doch nie zuvor war die
Verflechtung zwischen Kongress und Regierung so eng wie in Ungarn.
Denn die Stadt war nicht nur Gastgeber: Die rechte Fidesz-Regierung
sponsorte den Kongress, das ungarische Sozialministerium organisierte ihn
zusammen mit der IOF aus Illinois. MinisterInnen der Fidesz-Partei wie
Katalin Novak und Zolton Balog waren RednerInnen, Präsident Viktor Orbán
persönlich hielt die Eröffnungsrede.
Orbán positionierte sich als Verteidiger christlicher Werte – und
rechtfertigte so seine Politik gegen Flüchtlinge und MigrantInnen. Er
beschwor ein Untergangsszenario: 2015, sagte Orbán, sei Europa „belagert“
worden – von hunderttausenden illegalen MigrantInnen, die über die
Balkanroute kamen. Nun, 2017, sei die Maschinerie, die diese Fluten in
Bewegung gehalten haben, vorerst gestoppt: „Uns wurde ein wenig Zeit
gegeben, unsere Politik zu reorganisieren.“ Sein Ziel, um das, wie er
sagte, alte, schwache Europa gegen die jungen, starken Einwanderer stark zu
machen: „So viele ungarische Kinder wie möglich.“
## Lächeln mit Matteo Salvini
Nun also Verona, ein strategischer Coup für den Kongress. Zum ersten Mal
wird er nun in Westeuropa Stattfinden, in einem Land, dessen Regierung
gemeinsame Sache mit der globalen Lebensschutzbewegung macht.
An dem Tag, als in Veronas Stadtparlament Frauen in roten Kutten
demonstrieren, trifft sich Matteo Salvini in Rom mit dem
Kongress-Präsidenten Brian Brown, und sichert die Unterstützung der
italienischen Regierung zu. Gemeinsam lächeln sie in die Kamera und halten
ein Schild mit dem neuen Logo des Kongresses in die Höhe, das stilisiert
Mann und Frau zeigt. Der Mann blau, die Frau rot.
Der Kongress und die dahinterstehende Organisation, sie wollen Einfluss auf
Europa, nicht nur im Osten. Und spätestens seit Budapest zeigen rechte
PolitikerInnen aus ganz Europa bei den Kongressen Präsenz.
Da war, mehrfach, der Franzose Fabrice Sorlin, der 2007 als Kandidat für
den Front National im südfranzösischen Pessac antrat. Zu jener Zeit war er
auch Anführer von Dies Iræ, einer mittlerweile aufgelösten
nationalistisch-katholischen Gruppe in Bordeaux. Heute lebt er in Moskau
und ist Präsident der Alliance France-Europe Russie, einer Lobbygruppe
französischer und russischer Rechter. Da war AfD-Spitzenfrau Beatrix von
Storch, erzkonservative Katholikin und Bundestagsabgeordnete, die erst
jüngst erklärte, Abtreibung sei „kein Menschenrecht“.
## Erste Erfolge in EU-Parlamenten
Da war ihr Cousin, Paul von Oldenburg, Lobbyist der ultrakonservativen
katholischen Gruppe „Tradition, Familie und Privateigentum“. Dem Erfolg der
Gruppe schrieb es Oldenburg zu, dass das p[4][olnische Parlament 2016 in
erster Lesung für das komplette Verbot von Abtreibungen] stimmte. Und da
waren Tobias Teuscher und seine Frau Maria Teuscher-Hildingsson – er
Geschäftsführer der AfD-Gruppe innerhalb der ECR-Fraktion im
Europaparlament, sie Generalsekretärin der Föderation der katholischen
Familienverbände in Europa und Mitglied des antifeministischen,
europaweiten Netzwerks Agenda Europe.
Doch die ideologische und strategische Brücke zwischen rechtspopulistischen
Parteien und religiösen AbtreibungsgegnerInnen, an der auf diesen
Kongressen gearbeitet wird, reicht noch weiter: bis in die
außerparlamentarische extreme Rechte.
Auch das lässt sich in Verona beobachten. Die für ihre Schönheit bekannte
Stadt ist in diesen Monaten der Ort, an dem katholischer Traditionalismus
und radikale Rechte sich für den Weg an die Macht in Europa verbünden.
Am vergangenen Freitag Abend fällt milder Regen auf die Stadt. Verona, so
steht an diesem Tag in der lokalen Monopolzeitung L'Arena, sei im
„Ausnahmezustand“: Die neofaschistische Partei „Forza Nuova“ will am
Samstag einen Anti-Abtreibungskongress abhalten und anschließend zur „Arena
di Verona“ marschieren, dem weltberühmten Amphitheater. Nachdem den
NeofaschistInnen ihr Veranstaltungsort durch massive Proteste abhanden
gekommen war, hat die Stadtregierung schnell und unbürokratisch eine
Immobilie als Ersatz zur Verfügung gestellt: das etwas abgelegene, aber
prestigeträchtige Stadttor Porta Palio.
Dessen Saal füllt sich am Samstag Vormittag. Gut hundert Leute steigen die
knarzenden Holztreppen hoch, zwei Drittel Männer, die Hälfte über sechzig,
ein Dutzend Skins in schwarzen Bomberjacken. Einer davon, ein mittelalter
Hüne, schaut während der Reden gern mal gelangweilt auf sein Handy. Auf dem
Startbildschirm ist ein Hakenkreuz.
## Das Märchen: Ausrottung der weißen Rasse
Zu den ZuhörerInnen, die nicht nur aus Italien, sondern auch aus anderen
europäischen Ländern wie Polen und der Slowakei kommen, spricht unter
anderem der Vorsitzende der Forza Nuova, Roberto Fiore. In den Reden wird
deutlich, wie gut antifeministische Inhalte auch zu einem rechtsextremen
Programm passen: Das Recht auf Abtreibung, die Homoehe und die
„Genderideologie“ zusammen mit einer angeblich bewusst herbeigeführten
„Masseneinwanderung“ aus Afrika – das sei ein Projekt, um die
ItalienerInnen, die SlowakInnen, den Katholizismus, ja die weiße Rasse
schlechthin auszurotten, heißt es hier.
Doch der Ausnahmezustand bleibt aus: Der rechte und ultrakatholische
Aufmarsch am Nachmittag besteht aus gerade mal gut 50 Menschen. Sie würden
mit ihren Papst-und Marienbildern, den Anti-Abtreibungsslogans und den
christlich-leiernden Gesängen im samstäglichen Trubel völlig untergehen,
wäre nicht massiv Polizei vor Ort.
Bei der Abschlusskundgebung mit Blick auf die Arena stehen vorn die
Anzugträger, dahinter und in der sehr überschaubaren Zuschauermenge
verteilt das inzwischen nur noch halbe Dutzend Bomberjacken. Als ihr
Anführer Roberto Fiore spricht, steigern sie sich kurz zu „Fiore,
Fiore“-Rufen, die nicht nur in ihrer Zweisilbigkeit an die alten „Duce,
Duce“-Rufe, die „Führer“-Rufe für Mussolini, gemahnen. Kurze Zeit spät…
ist der Spuk vorbei.
Die Zivilgesellschaft in Verona hat all das nicht unwidersprochen gelassen.
Nach dem Ende der FaschistInnenversammlung in der Porta Palio warten auf
der anderen Seite des Flusses Alioscia Antinori und Andrea Nicolini beim
Espresso in der „Osteria dei Preti“. Die Osteria im mulikulturellen
Stadtteil Veronetta ist der Treffpunkt der Jugend und der Linken, abends
ist sie voll, dann gibt es Livemusik.
Die beiden Männer sind Mitglieder der „Assemblea 17 dicembre“, einem
breiten Bündnis von linken Gruppen, die LGBT und MigrantInnen unterstützen.
Am Nachmittag um vier hatten sich mehr als 400 Leute auf der Piazza Iseo
hier im Viertel versammelt, um das Recht auf Abtreibung zu verteidigen und
gegen eine Stadtverwaltung zu demonstrieren, die mit den FaschistInnen
unter einer Decke stecke – deutlich mehr als die NeofaschistInnen auf der
anderen Seite der Stadt.
## Die Christen haben das Geld
Alles halb so wild also, in Verona, im Laboratorium der Rechten? Vorsicht,
sagen Antinori und Nicolini. Viele „Kameraden“ hätten schlicht keine Lust
gehabt, mit den langweilig-leiernden UltrakatholikInnen singend durch die
Stadt zu wandern und seien gar nicht erst nach Verona gekommen.
Fiore, der Forza Nuova-Anführer, der in Italien dafür bekannt ist, dass er
bei aller ideologischen Radikalität immer zuerst auf Bereicherung aus ist,
müsse gute Gründe gehabt haben, die Sache durchzuziehen: Geld und Einfluss
ist es, was sich die NeofaschistInnen von der Allianz mit den
UltrakatholikInnen erhoffen.
Denn die Lebensschutzbewegung hat finanzstarke und einflussreiche
Fürsprecher. Einige hundert Kilometer südlich von Verona, ganz in der Nähe
von Rom inmitten einer idyllischen Berglandschaft, liegt die Abtei von
Trisulti. Über Jahrhunderte lebten hier zurück gezogen Mönche. Nun
beherbergt die Abtei einen rechtskatholischen Thinktank: Das Dignitatis
Humanae Institute.
Der italienische Staat hat das Klostergebäude an die rechte Denkfabrik
vermietet, die gegen Abtreibung und „für den Schutz des Christentums“ aktiv
ist. Gründer des spendenfinanzierten Instituts ist der Brite Benjamin
Harnwell, eine Art Götz Kubitschek Italiens.
Bis 2010 war der zum Katholizismus konvertierte Brite Harnwell Mitarbeiter
des EU-Parlaments, schon dort machte er sich gegen Abtreibung stark. 2008
gründete er das Dignitates Humanae Institute. Gegen dessen Vorsitzenden,
den Italiener Luca Volonté, ermittelt die Staatsanwaltschaft Mailand, weil
er in seiner Zeit im Europarat 2,7 Millionen Euro Bestechungsgeld
angenommen haben soll. Das Geld nutzte er, wie das italienische
Wochenmagazin L’Espresso jüngst herausfand, vor allem dazu, um weltweit
reaktionäre katholische Vereine von „LebensschützerInnen“ zu unterstütze…
Unter ihnen auch das Dignitates Humanae Institute.
Das prominenteste Aushängeschild des Instituts: Stephen Bannon,
[5][ehemaliger Berater von US-Präsident Donald Trump und Ex-Chef der
rechtsextremen Propagandaseite Breitbart News], dessen Konterfei groß auf
der Homepage prangt. „Harnwell ist der klügste Mann in Rom“, wird Bannon
dort zitiert. Seit Jahren, sagt Harnwell, helfe Bannon dabei, das Institut
aufzubauen, Spenden einzutreiben und ein Trainingsprogramm für
katholisch-politische AktivistInnen zu entwerfen.
Nach seiner Entlassung durch Trump im August 2017 kündigte Bannon an, „die
globale Infrastruktur der globalen populistischen Bewegung“ werden zu
wollen. Ein Ausgangspunkt für ihn ist dabei offenbar das Institut – und
dessen Verbindungen zum World Congress of Families. Kürzlich hat er
angekündigt, den ungarischen Präsidenten Viktor Orbán [6][im anstehenden
EU-Wahlkampf „beraten“ zu wollen]. Gemeinsam wollen sie „konservatives
Denken statt liberaler Werte“ verbreiten – und die europäische Rechte im
neuen EU-Parlament einen.
Davon träumen RechtspopulistInnen in vielen Ländern, in Deutschland zum
Beispiel. Für AfD-Chef Jörg Meuthen, jüngst zum Spitzenkandidaten seiner
Partei für die EU-Wahl nominiert, ist Orbán ein „natürlicher Verbündeter�…
So nennt er auch Hans-Christian Strache, den österreichischen Vizekanzler
von der FPÖ und Lega-Chef Salvini. „Wir streben natürlich eine Kooperation
mit diesen Partnern an“, sagte Meuthen vor seiner Nominierung. Und schob
nach: „Das geht.“
## Der (Alb-)Traum einer vereinigten Rechte
Genau das will auch die Lega.
In Verona wollen die Rechten das Totenglöckchen für die Europäische Union
läuten, wie wir sie kennen. Denn neben dem Weltfamilienkongress im März
soll hier noch eine Veranstaltung statt finden: Fontana hat verkündet, im
„Februar, spätestens im März“ eine Konferenz aller „souveränistischen�…
Parteien Europas abzuhalten. „Souveränistisch“, das ist ein von der Lega
bevorzugter Terminus für das ordinäre „nationalistisch“.
Und er macht klar, wem man Macht nehmen will: Brüssel. Eingeladen fühlen
dürften sich alle rechten Parteien Europas, vom französischen Rassemblement
National, wie der Front National inzwischen heißt, über Orbáns Fidesz bis
zur AfD. AfD-Chef Meuthen würde sich über eine Einladung freuen. Und wohl
nach Verona reisen, wie er der taz sagte.
Das Ziel dieser Souveränisten-Konferenz sei es, „gemeinsame Programmpunkte
für die EU-Wahl“ zu erarbeiten, formulierte Fontana gegenüber dem Corriere
della Sera eher vorsichtig – wissend, dass es für ein gemeinsames
Wahlprogramm nie reichen wird. Denn die Differenzen zwischen den
Rechtsparteien scheinen da, wo es um europäische Finanzpolitik geht,
unüberbrückbar.
Das hinderte Fontana jedoch nicht, schon mal zu zu verkünden, dass es ja
dennoch einen gemeinsamen Kandidaten für die Nachfolge von
Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker geben könnte. Im Auge hat er dabei
seinen „Freund Matteo“: Salvini. Die Europäische Union stehe an einem
„wichtigen, vielleicht historischen Wendepunkt“, sagte Fontana. Ziel der
„Souveränisten“ sei nicht, die Union zu verlassen, sondern die europäisch…
Verträge zu verändern. Nach Jahrzehnten gebe es nun die Chance, eine Ära
der Reformen einzuläuten.
Autorinnen und Autoren: Michael Braun, Malene Gürgen, Patricia Hecht,
Christian Jakob, Sabine am Orde und Ambros Waibel
NaN NaN
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[6] /Rechtspopulisten-Stiftung-in-Europa/!5518650
## AUTOREN
Malene Gürgen
Patricia Hecht
Christian Jakob
Sabine am Orde
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Lega
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Feminismus
Verhütung
Fidesz-Partei
Abtreibungsgegner
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Schwerpunkt Paragraf 219a
Schwerpunkt Paragraf 219a
Abtreibungsgegner
Schwerpunkt Paragraf 219a
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