# taz.de -- Europaweite taz-Recherche: Die unheilige Allianz | |
> Wie sich christliche FundamentalistInnen, radikale AbtreibungsgegnerInnen | |
> und rechte Parteien verbünden, um an die Macht in Europa zu gelangen. | |
Bild: 22. Mai 2018: Im Palazzo Marino, dem Rathaus von Mailand, diskutiert der … | |
Verona/Berlin taz | 4. Oktober 2018. Im Palazzo Barbieri in Verona, der mit | |
seinen neoklassischen Säulen an einen römischen Tempel erinnert, tagt der | |
Stadtrat. Antrag 434 steht auf der Tagesordnung, „Zur Verhinderung von | |
Abtreibung und zur Unterstützung der Mutterschaft“. Eingebracht hat ihn | |
Alberto Zelger, Stadtrat der rechtsextremen Lega, die seit Juni gemeinsam | |
mit der populistischen 5-Sterne-Bewegung das Land regiert. Dass | |
Abtreibungen in Italien legalisiert wurden, ist auf den Tag genau 40 Jahre | |
her. | |
Von den Rängen des Saales aus verfolgen rund zwanzig Frauen die Sitzung. | |
Sie tragen rote Umhänge und weiße Kopfbedeckungen. Es ist die Kluft der | |
Frauen aus dem dystopischen Roman „Die Geschichte der Magd“ der kanadischen | |
Schriftstellerin Margaret Atwood, der eine Zukunft zeigt, in der Frauen als | |
Gebärmaschinen versklavt werden. Seit der Roman im letzten Jahr große | |
Erfolge als Fernsehserie feierte, ist dieses Kostüm zum Symbol des Kampfes | |
für Frauenrechte geworden, das von AktivistInnen weltweit getragen wird. | |
Denn der Entscheidungsfreiheit von Frauen gegen ein Kind und für eine | |
Abtreibung, hat nicht nur die italienische Lega den Kampf angesagt. Dies | |
einzuschränken, ist ein Ziel der radikal rechten Parteien insgesamt. Und | |
nicht nur das: Egal ob es um Mutterrolle oder Familienbild, um Sexual- oder | |
Gleichstellungspolitik geht – [1][die Rechten verfolgen eine strikt | |
antifeministische Agenda]. | |
Neben dem eigentlichen Ziel von mehr einheimischen, weißen Kindern steckt | |
dahinter auch eine strategische Überlegung: Mit dem so genannten | |
Lebensschutz werden [2][fundamentalistische christliche Gruppen an die | |
Parteien gebunden]. Mit dem Angriff auf das, was beispielsweise die AfD | |
gern „Gender-Gaga“ nennt, soll der Sprung ins konservativ-bürgerliche | |
Milieu gelingen und die erreichen, die von den liberalisierten | |
Christdemokraten enttäuscht sind: Die Bandbreite der gesellschaftlichen | |
Gruppen, in denen WählerInnen gewonnen werden, wird größer. | |
## Angst, Abtreibungen vorzunehmen | |
Mit ihren Protesten in Verona erregen die Aktivistinnen der Gruppe „Non una | |
di meno“ („Nicht eine weniger“) Aufmerksamkeit in ganz Italien. Doch die | |
Verabschiedung des Antrags im Stadtrat können sie nicht verhindern: Er wird | |
mit 21 zu 6 Stimmen angenommen. | |
Verona nennt sich nun offiziell „Stadt für das Leben“. Katholische | |
Organisationen wie das Gemma Projekt, die Frauen daran hindern wollen, ihre | |
Schwangerschaft abzubrechen, werden mit öffentlichen Geldern unterstützt. | |
Zudem wird ein regionales Projekt ins Leben gerufen, das ungewollt | |
schwangere Frauen ermutigt, die Kinder auszutragen und zur Adoption frei zu | |
geben. | |
Vor allem aber befürchten AktivistInnen und GynäkologInnen, dass die | |
öffentlichen Krankenhäuser weiter unter Druck geraten, keine Abtreibungen | |
mehr vorzunehmen. In Italien ist der Schwangerschaftsabbruch in den ersten | |
drei Monaten erlaubt. Doch in vielen Gegenden des Landes weigern sich | |
ÄrztInnen, Abtreibungen durchzuführen. Nach der jüngsten Studie des | |
Gesundheitsministeriums sind es bereits 70 Prozent aller ÄrztInnen, in | |
einigen Regionen mehr als 90 Prozent. | |
„Abtreibung ist kein Recht, es ist ein abscheuliches Verbrechen“, | |
begründete der Lega-Stadtrat Alberto Zelger seinen Antrag. „Es bedeutet, | |
ein Kind im Bauch der Mutter zu töten“. Eine Position, die er sich mit dem | |
italienischen Familienminister Lorenzo Fontana teilt. Fontana, 38, ist | |
Vize-Chef der Lega, Trauzeuge von Innenminister Matteo Salvini – und stammt | |
aus Verona. | |
## Verbindung bis in Ministerien in Rom | |
Die 250.000-Einwohnerstadt in Norditalien ist traditionell besonders eng | |
mit der katholischen Kirche verbunden. Und mit dem Faschismus: Mussolini | |
wählte die Stadt 1943 für die Neugründung seiner Partei, in den 1970er und | |
1980er Jahren fühlten sich dort rechtsterroristische Gruppen wohl. | |
Die Liga Veneta, eine Keimzelle der Lega, hatte stets enge Beziehungen | |
sowohl zur extremen außerparlamentarischen Rechten als auch zu katholischen | |
TraditionalistInnen. Es gibt ein Bild von einer „Demonstration für die | |
Familie“ in Verona aus dem Jahr 2015, das diese Nähe sehr gut zeigt: Hinter | |
dem Demobanner läuft der heutige Minister Fontana zusammen mit dem Gründer | |
der katholischen Extremistenorganisation Christus Rex, die wiederum mit der | |
neofaschistischen Forza Nuova verbunden ist. | |
Kein Wunder also, dass sich ausgerechnet Verona an die Spitze eines | |
Anti-Abtreibungskreuzzugs in ganz Italien stellt: Die Debatte um Abtreibung | |
beschäftigt spätestens seit Oktober das ganze Land. Während tausende Frauen | |
demonstrieren, kopierten rechte Politiker in Rom, Mailand oder Ferrara den | |
Antrag aus Verona und versuchen nun, ihn in ihren Städten ebenfalls | |
verabschieden zu lassen. Was in Verona funktioniert, lässt sich exportieren | |
– zumindest dorthin, wo Rechte in Stadtparlamenten sitzen. | |
## Ein harmloser Familienkongress? | |
Oder mit der Regierung in Rom. In seinem ersten Interview, nachdem er im | |
Mai Familienminister wurde, sagte Lega-Mann Fontana, eines seiner | |
Hauptanliegen sei, die Geburtenrate in Italien zu erhöhen und den Kampf | |
gegen Schwangerschaftsabbrüche zu verstärken. „Ich bin katholisch, ich | |
glaube, dass die natürliche Familie aus Vater, Mutter und Kindern besteht.“ | |
Er widmete dem Thema sogar ein ganzes Buch: „Die leere Wiege der | |
Zivilisation. An den Ursprüngen der Krise“ wurde beim sogenannten „Festival | |
des Lebens“ präsentiert, das im Februar in Verona statt fand und das die | |
Stadtverwaltung finanziell förderte. | |
Jetzt kommt die nächste Stufe: Ende März soll der „[3][World Congress of | |
Families“] in Verona statt finden – und AbtreibungsgegnerInnen weltweit | |
auffordern, in die Offensive zu gehen. Der World Congress of Families | |
versteckt seine Agenda hinter einem harmlos klingenden Namen. Was sollte an | |
Familien bedrohlich sein? Doch „Familie“, das bedeutet in diesem Fall: Die | |
einzig wahre besteht aus Mann, Frau und möglichst vielen Kindern. | |
Schwangerschaftsabbrüche? Teufelszeug. Die Frau, die auf ihr Recht am | |
eigenen Körper verzichtet: Beim World Congress of Families ist sie das | |
Ideal. | |
Der jährlich stattfindende Kongress ist die weltweit wichtigste | |
Veranstaltung religiöser Rechter und ultrakonservativer AntifeministInnen, | |
die globale Speerspitze der VerteidigerInnen der „traditionellen Ehe und | |
Familie“. Zum ersten Mal fand er 1997 statt, seitdem tourt er durch die | |
Welt, um jeweils vor Ort Kontakte zu machen, Strategien zu entwickeln und | |
sein Netzwerk auszudehnen. Veranstalter ist die „International Organisation | |
for the Family“ mit Sitz im Bundesstaat Illinois, seinen Ursprung hat er in | |
der US-amerikanischen religiösen Rechten. | |
Doch die TeilnehmerInnen kommen, wie der Name schon sagt, aus aller Welt: | |
Es sind religiöse Würdenträger, VertreterInnen privater Organisationen oder | |
der Zivilgesellschaft und offizieller staatlicher Stellen, konservativer | |
oder rechter. Denn parteipolitisch gibt sich der Kongress pragmatisch. „Wer | |
unsere Werte vertritt, ist uns willkommen“, sagt der Präsident des | |
Kongresses, Brian Brown, ein früherer Quäker, der zum Katholizismus | |
konvertierte. | |
## Annäherung an Europa | |
Spätestens seit 2017 sucht der Kongress offen die Nähe zu rechten | |
Regierungen in Europa. Denn es gibt Schnittstellen, an denen Religiöse und | |
Rechte dieselben Positionen vertreten, an denen Religion und Biopolitik | |
Hand in Hand gehen: Keine Einwanderung, vor allem keine muslimische – um | |
den christlichen Glauben nicht zu gefährden. Die Beschneidung der Rechte | |
von LGBTI. Und der Zugriff auf den weiblichen Körper, um dem Land Kinder zu | |
schenken und es wehrhaft zu machen. | |
Der erste Ort, an dem die Nähe zwischen Kongress und europäischer Rechter | |
offensichtlich wurde, war im Mai 2017 Budapest. Zwar fanden auch zuvor | |
schon Kongresse in europäischen Städten statt. Doch nie zuvor war die | |
Verflechtung zwischen Kongress und Regierung so eng wie in Ungarn. | |
Denn die Stadt war nicht nur Gastgeber: Die rechte Fidesz-Regierung | |
sponsorte den Kongress, das ungarische Sozialministerium organisierte ihn | |
zusammen mit der IOF aus Illinois. MinisterInnen der Fidesz-Partei wie | |
Katalin Novak und Zolton Balog waren RednerInnen, Präsident Viktor Orbán | |
persönlich hielt die Eröffnungsrede. | |
Orbán positionierte sich als Verteidiger christlicher Werte – und | |
rechtfertigte so seine Politik gegen Flüchtlinge und MigrantInnen. Er | |
beschwor ein Untergangsszenario: 2015, sagte Orbán, sei Europa „belagert“ | |
worden – von hunderttausenden illegalen MigrantInnen, die über die | |
Balkanroute kamen. Nun, 2017, sei die Maschinerie, die diese Fluten in | |
Bewegung gehalten haben, vorerst gestoppt: „Uns wurde ein wenig Zeit | |
gegeben, unsere Politik zu reorganisieren.“ Sein Ziel, um das, wie er | |
sagte, alte, schwache Europa gegen die jungen, starken Einwanderer stark zu | |
machen: „So viele ungarische Kinder wie möglich.“ | |
## Lächeln mit Matteo Salvini | |
Nun also Verona, ein strategischer Coup für den Kongress. Zum ersten Mal | |
wird er nun in Westeuropa Stattfinden, in einem Land, dessen Regierung | |
gemeinsame Sache mit der globalen Lebensschutzbewegung macht. | |
An dem Tag, als in Veronas Stadtparlament Frauen in roten Kutten | |
demonstrieren, trifft sich Matteo Salvini in Rom mit dem | |
Kongress-Präsidenten Brian Brown, und sichert die Unterstützung der | |
italienischen Regierung zu. Gemeinsam lächeln sie in die Kamera und halten | |
ein Schild mit dem neuen Logo des Kongresses in die Höhe, das stilisiert | |
Mann und Frau zeigt. Der Mann blau, die Frau rot. | |
Der Kongress und die dahinterstehende Organisation, sie wollen Einfluss auf | |
Europa, nicht nur im Osten. Und spätestens seit Budapest zeigen rechte | |
PolitikerInnen aus ganz Europa bei den Kongressen Präsenz. | |
Da war, mehrfach, der Franzose Fabrice Sorlin, der 2007 als Kandidat für | |
den Front National im südfranzösischen Pessac antrat. Zu jener Zeit war er | |
auch Anführer von Dies Iræ, einer mittlerweile aufgelösten | |
nationalistisch-katholischen Gruppe in Bordeaux. Heute lebt er in Moskau | |
und ist Präsident der Alliance France-Europe Russie, einer Lobbygruppe | |
französischer und russischer Rechter. Da war AfD-Spitzenfrau Beatrix von | |
Storch, erzkonservative Katholikin und Bundestagsabgeordnete, die erst | |
jüngst erklärte, Abtreibung sei „kein Menschenrecht“. | |
## Erste Erfolge in EU-Parlamenten | |
Da war ihr Cousin, Paul von Oldenburg, Lobbyist der ultrakonservativen | |
katholischen Gruppe „Tradition, Familie und Privateigentum“. Dem Erfolg der | |
Gruppe schrieb es Oldenburg zu, dass das p[4][olnische Parlament 2016 in | |
erster Lesung für das komplette Verbot von Abtreibungen] stimmte. Und da | |
waren Tobias Teuscher und seine Frau Maria Teuscher-Hildingsson – er | |
Geschäftsführer der AfD-Gruppe innerhalb der ECR-Fraktion im | |
Europaparlament, sie Generalsekretärin der Föderation der katholischen | |
Familienverbände in Europa und Mitglied des antifeministischen, | |
europaweiten Netzwerks Agenda Europe. | |
Doch die ideologische und strategische Brücke zwischen rechtspopulistischen | |
Parteien und religiösen AbtreibungsgegnerInnen, an der auf diesen | |
Kongressen gearbeitet wird, reicht noch weiter: bis in die | |
außerparlamentarische extreme Rechte. | |
Auch das lässt sich in Verona beobachten. Die für ihre Schönheit bekannte | |
Stadt ist in diesen Monaten der Ort, an dem katholischer Traditionalismus | |
und radikale Rechte sich für den Weg an die Macht in Europa verbünden. | |
Am vergangenen Freitag Abend fällt milder Regen auf die Stadt. Verona, so | |
steht an diesem Tag in der lokalen Monopolzeitung L'Arena, sei im | |
„Ausnahmezustand“: Die neofaschistische Partei „Forza Nuova“ will am | |
Samstag einen Anti-Abtreibungskongress abhalten und anschließend zur „Arena | |
di Verona“ marschieren, dem weltberühmten Amphitheater. Nachdem den | |
NeofaschistInnen ihr Veranstaltungsort durch massive Proteste abhanden | |
gekommen war, hat die Stadtregierung schnell und unbürokratisch eine | |
Immobilie als Ersatz zur Verfügung gestellt: das etwas abgelegene, aber | |
prestigeträchtige Stadttor Porta Palio. | |
Dessen Saal füllt sich am Samstag Vormittag. Gut hundert Leute steigen die | |
knarzenden Holztreppen hoch, zwei Drittel Männer, die Hälfte über sechzig, | |
ein Dutzend Skins in schwarzen Bomberjacken. Einer davon, ein mittelalter | |
Hüne, schaut während der Reden gern mal gelangweilt auf sein Handy. Auf dem | |
Startbildschirm ist ein Hakenkreuz. | |
## Das Märchen: Ausrottung der weißen Rasse | |
Zu den ZuhörerInnen, die nicht nur aus Italien, sondern auch aus anderen | |
europäischen Ländern wie Polen und der Slowakei kommen, spricht unter | |
anderem der Vorsitzende der Forza Nuova, Roberto Fiore. In den Reden wird | |
deutlich, wie gut antifeministische Inhalte auch zu einem rechtsextremen | |
Programm passen: Das Recht auf Abtreibung, die Homoehe und die | |
„Genderideologie“ zusammen mit einer angeblich bewusst herbeigeführten | |
„Masseneinwanderung“ aus Afrika – das sei ein Projekt, um die | |
ItalienerInnen, die SlowakInnen, den Katholizismus, ja die weiße Rasse | |
schlechthin auszurotten, heißt es hier. | |
Doch der Ausnahmezustand bleibt aus: Der rechte und ultrakatholische | |
Aufmarsch am Nachmittag besteht aus gerade mal gut 50 Menschen. Sie würden | |
mit ihren Papst-und Marienbildern, den Anti-Abtreibungsslogans und den | |
christlich-leiernden Gesängen im samstäglichen Trubel völlig untergehen, | |
wäre nicht massiv Polizei vor Ort. | |
Bei der Abschlusskundgebung mit Blick auf die Arena stehen vorn die | |
Anzugträger, dahinter und in der sehr überschaubaren Zuschauermenge | |
verteilt das inzwischen nur noch halbe Dutzend Bomberjacken. Als ihr | |
Anführer Roberto Fiore spricht, steigern sie sich kurz zu „Fiore, | |
Fiore“-Rufen, die nicht nur in ihrer Zweisilbigkeit an die alten „Duce, | |
Duce“-Rufe, die „Führer“-Rufe für Mussolini, gemahnen. Kurze Zeit spät… | |
ist der Spuk vorbei. | |
Die Zivilgesellschaft in Verona hat all das nicht unwidersprochen gelassen. | |
Nach dem Ende der FaschistInnenversammlung in der Porta Palio warten auf | |
der anderen Seite des Flusses Alioscia Antinori und Andrea Nicolini beim | |
Espresso in der „Osteria dei Preti“. Die Osteria im mulikulturellen | |
Stadtteil Veronetta ist der Treffpunkt der Jugend und der Linken, abends | |
ist sie voll, dann gibt es Livemusik. | |
Die beiden Männer sind Mitglieder der „Assemblea 17 dicembre“, einem | |
breiten Bündnis von linken Gruppen, die LGBT und MigrantInnen unterstützen. | |
Am Nachmittag um vier hatten sich mehr als 400 Leute auf der Piazza Iseo | |
hier im Viertel versammelt, um das Recht auf Abtreibung zu verteidigen und | |
gegen eine Stadtverwaltung zu demonstrieren, die mit den FaschistInnen | |
unter einer Decke stecke – deutlich mehr als die NeofaschistInnen auf der | |
anderen Seite der Stadt. | |
## Die Christen haben das Geld | |
Alles halb so wild also, in Verona, im Laboratorium der Rechten? Vorsicht, | |
sagen Antinori und Nicolini. Viele „Kameraden“ hätten schlicht keine Lust | |
gehabt, mit den langweilig-leiernden UltrakatholikInnen singend durch die | |
Stadt zu wandern und seien gar nicht erst nach Verona gekommen. | |
Fiore, der Forza Nuova-Anführer, der in Italien dafür bekannt ist, dass er | |
bei aller ideologischen Radikalität immer zuerst auf Bereicherung aus ist, | |
müsse gute Gründe gehabt haben, die Sache durchzuziehen: Geld und Einfluss | |
ist es, was sich die NeofaschistInnen von der Allianz mit den | |
UltrakatholikInnen erhoffen. | |
Denn die Lebensschutzbewegung hat finanzstarke und einflussreiche | |
Fürsprecher. Einige hundert Kilometer südlich von Verona, ganz in der Nähe | |
von Rom inmitten einer idyllischen Berglandschaft, liegt die Abtei von | |
Trisulti. Über Jahrhunderte lebten hier zurück gezogen Mönche. Nun | |
beherbergt die Abtei einen rechtskatholischen Thinktank: Das Dignitatis | |
Humanae Institute. | |
Der italienische Staat hat das Klostergebäude an die rechte Denkfabrik | |
vermietet, die gegen Abtreibung und „für den Schutz des Christentums“ aktiv | |
ist. Gründer des spendenfinanzierten Instituts ist der Brite Benjamin | |
Harnwell, eine Art Götz Kubitschek Italiens. | |
Bis 2010 war der zum Katholizismus konvertierte Brite Harnwell Mitarbeiter | |
des EU-Parlaments, schon dort machte er sich gegen Abtreibung stark. 2008 | |
gründete er das Dignitates Humanae Institute. Gegen dessen Vorsitzenden, | |
den Italiener Luca Volonté, ermittelt die Staatsanwaltschaft Mailand, weil | |
er in seiner Zeit im Europarat 2,7 Millionen Euro Bestechungsgeld | |
angenommen haben soll. Das Geld nutzte er, wie das italienische | |
Wochenmagazin L’Espresso jüngst herausfand, vor allem dazu, um weltweit | |
reaktionäre katholische Vereine von „LebensschützerInnen“ zu unterstütze… | |
Unter ihnen auch das Dignitates Humanae Institute. | |
Das prominenteste Aushängeschild des Instituts: Stephen Bannon, | |
[5][ehemaliger Berater von US-Präsident Donald Trump und Ex-Chef der | |
rechtsextremen Propagandaseite Breitbart News], dessen Konterfei groß auf | |
der Homepage prangt. „Harnwell ist der klügste Mann in Rom“, wird Bannon | |
dort zitiert. Seit Jahren, sagt Harnwell, helfe Bannon dabei, das Institut | |
aufzubauen, Spenden einzutreiben und ein Trainingsprogramm für | |
katholisch-politische AktivistInnen zu entwerfen. | |
Nach seiner Entlassung durch Trump im August 2017 kündigte Bannon an, „die | |
globale Infrastruktur der globalen populistischen Bewegung“ werden zu | |
wollen. Ein Ausgangspunkt für ihn ist dabei offenbar das Institut – und | |
dessen Verbindungen zum World Congress of Families. Kürzlich hat er | |
angekündigt, den ungarischen Präsidenten Viktor Orbán [6][im anstehenden | |
EU-Wahlkampf „beraten“ zu wollen]. Gemeinsam wollen sie „konservatives | |
Denken statt liberaler Werte“ verbreiten – und die europäische Rechte im | |
neuen EU-Parlament einen. | |
Davon träumen RechtspopulistInnen in vielen Ländern, in Deutschland zum | |
Beispiel. Für AfD-Chef Jörg Meuthen, jüngst zum Spitzenkandidaten seiner | |
Partei für die EU-Wahl nominiert, ist Orbán ein „natürlicher Verbündeter�… | |
So nennt er auch Hans-Christian Strache, den österreichischen Vizekanzler | |
von der FPÖ und Lega-Chef Salvini. „Wir streben natürlich eine Kooperation | |
mit diesen Partnern an“, sagte Meuthen vor seiner Nominierung. Und schob | |
nach: „Das geht.“ | |
## Der (Alb-)Traum einer vereinigten Rechte | |
Genau das will auch die Lega. | |
In Verona wollen die Rechten das Totenglöckchen für die Europäische Union | |
läuten, wie wir sie kennen. Denn neben dem Weltfamilienkongress im März | |
soll hier noch eine Veranstaltung statt finden: Fontana hat verkündet, im | |
„Februar, spätestens im März“ eine Konferenz aller „souveränistischen�… | |
Parteien Europas abzuhalten. „Souveränistisch“, das ist ein von der Lega | |
bevorzugter Terminus für das ordinäre „nationalistisch“. | |
Und er macht klar, wem man Macht nehmen will: Brüssel. Eingeladen fühlen | |
dürften sich alle rechten Parteien Europas, vom französischen Rassemblement | |
National, wie der Front National inzwischen heißt, über Orbáns Fidesz bis | |
zur AfD. AfD-Chef Meuthen würde sich über eine Einladung freuen. Und wohl | |
nach Verona reisen, wie er der taz sagte. | |
Das Ziel dieser Souveränisten-Konferenz sei es, „gemeinsame Programmpunkte | |
für die EU-Wahl“ zu erarbeiten, formulierte Fontana gegenüber dem Corriere | |
della Sera eher vorsichtig – wissend, dass es für ein gemeinsames | |
Wahlprogramm nie reichen wird. Denn die Differenzen zwischen den | |
Rechtsparteien scheinen da, wo es um europäische Finanzpolitik geht, | |
unüberbrückbar. | |
Das hinderte Fontana jedoch nicht, schon mal zu zu verkünden, dass es ja | |
dennoch einen gemeinsamen Kandidaten für die Nachfolge von | |
Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker geben könnte. Im Auge hat er dabei | |
seinen „Freund Matteo“: Salvini. Die Europäische Union stehe an einem | |
„wichtigen, vielleicht historischen Wendepunkt“, sagte Fontana. Ziel der | |
„Souveränisten“ sei nicht, die Union zu verlassen, sondern die europäisch… | |
Verträge zu verändern. Nach Jahrzehnten gebe es nun die Chance, eine Ära | |
der Reformen einzuläuten. | |
Autorinnen und Autoren: Michael Braun, Malene Gürgen, Patricia Hecht, | |
Christian Jakob, Sabine am Orde und Ambros Waibel | |
NaN NaN | |
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