| # taz.de -- Matteo Salvinis Erfolg in Italien: Postfaschistische Flirts | |
| > Italiens Innenminister Salvini ist nur deshalb so erfolgreich, weil seine | |
| > rassistische Politik auf sehr fruchtbaren Boden fällt. Berlusconi sei | |
| > Dank. | |
| Bild: Seine rechten Ideen baut Salvini nicht auf Sand, sie finden Nährböden i… | |
| Italien [1][bereitet sich auf Neuwahlen vor] – und auf einen möglichen | |
| Rechtsruck: Die ehemals separatistische Lega-Partei von Matteo Salvini | |
| könnte laut Umfragen mehr als 35 Prozent der Wählerstimmen ergattern. | |
| Mithilfe der rechtsnationalen Brüder Italiens (Fratelli d'Italia) von | |
| Giorgia Meloni würde der amtierende Innenminister eine Mehrheit für eine | |
| Regierung unter seiner Führung zusammenstellen können. Das wäre die erste | |
| rein rechtsnationale Regierung in Westeuropa seit dem Ende der Diktatur von | |
| Francisco Franco in Spanien 1975. | |
| „Dieses Land benötigt Regeln, Ordnung und Disziplin“, sagte Salvini währe… | |
| einer Veranstaltung in Pescara am Donnerstagabend. Deshalb verlangt er „die | |
| ganze Macht“. Wie kam es dazu? Eine gängige Erklärung lautet: Aufgrund der | |
| fortdauernden Wirtschafts- und Beschäftigungskrise sind viele Italiener | |
| verzweifelt und verbittert. Salvini nutzte diese Stimmung, um ein neues | |
| Nationalgefühl zu beschwören – ein Nationalgefühl, das auf Frust und | |
| Ressentiment fußt, vor allem gegen die Europäische Union und die | |
| Zuwanderer. | |
| Es stimmt zwar, dass, seitdem die Eurokrise Italien erwischt hat, | |
| antieuropäische Einstellungen im Land deutlich zugenommen haben. Es stimmt | |
| auch, dass Salvini – wie viele andere Rechtspopulisten in Europa – den | |
| Anstieg der Flüchtlingszahlen geschickt nutzte, um Sorgen und Ängste zu | |
| schüren. Mit Erfolg. | |
| Doch es wäre falsch, den autoritären Rechtsruck als plötzliche Wende in der | |
| italienischen Politik anzusehen. Vielmehr ist es eine dunklere, rauere | |
| Neufassung eines Films, den wir bereits gesehen haben – ein „gritty | |
| reboot“, dessen Hauptdarsteller schon lange eine Rolle in der italienischen | |
| Politik spielen. | |
| Als Matteo Salvini vor etwa 30 Jahren seine Karriere in der Partei begann, | |
| war die Lega Nord noch die Partei der ehrlichen Arbeiter des Nordens, die | |
| den Korruptionssumpf im „diebischen Rom“ anprangerte. Die Lega Nord stieg | |
| zur Regierungskraft auf und der junge Mailänder wurde zum | |
| Europaabgeordneten. Doch gleichzeitig versank die Partei allmählich im | |
| selben Sumpf, den sie ursprünglich bekämpft hatte: Schmiergeld, Korruption, | |
| Kontakte zur organisierten Kriminalität – bis zu den Gerichtsverfahren | |
| gegen den ehemaligen Parteichef Umberto Bossi und seine Familie, die 2013 | |
| den Weg zu Salvinis Machtübernahme ebneten. | |
| Der Innenminister ist ein Produkt dieses politischen Milieus – eines | |
| Milieus, in dem rechtsradikale und rassistische Tendenzen nichts Neues | |
| sind. Ende der 90er Jahre sagte etwa die damalige Vorsitzende des | |
| italienischen Abgeordnetenhauses, Irene Pivetti, die aus den Reihen der | |
| Lega kam, man solle albanische Migranten am besten ins Meer werfen. Ihr | |
| Parteifreund Mario Borghezio organisierte Gruppen, um die Züge, in denen | |
| Migranten fuhren, zu „desinfizieren“. Nichts im Vergleich zum Bürgermeister | |
| von Treviso, Giancarlo Gentilini, dessen bekanntester Spruch lautet: „Man | |
| sollte Zuwanderer als Hasen verkleiden und sie mit dem Gewehr jagen!“ | |
| Obwohl er weit verbreitet war, blieb Rassismus gegenüber Zuwanderern jedoch | |
| für lange Zeit zweitrangig für die damalige „Partei des Nordens“, denn der | |
| Hauptfeind waren damals Italiener aus dem Süden – „terroni“, Erdfresser, | |
| wie sie damals auch Salvini nannte. Das änderte sich vor etwa fünf Jahren, | |
| als der neue Chef der Lega einen nationalistischen Kurs einschlug – nach | |
| dem Muster anderer erfolgreicher Rechtspopulisten wie Marine Le Pen und | |
| Heinz-Christian Strache. Das Feindbild „terroni“ wurde durch das Feindbild | |
| „clandestini“ (illegale Zuwanderer) und der Sezessions-Mythos durch den | |
| Mythos der angeblich von der EU geplanten „Umvolkung“ ersetzt. | |
| Doch Salvinis Worte hätten keine Folgen gehabt, wären sie nicht auf einen | |
| sehr fruchtbaren Boden gefallen. Laut [2][einer Studie des | |
| US-amerikanischen Forschungsinstitut Pew Center] ist Italien das | |
| westeuropäische Land, in dem nationalistische und menschenfeindliche | |
| Einstellungen am meisten verbreitet sind: Etwa 30 Prozent der Italiener | |
| haben eine „sehr negative“ Einstellung gegenüber Muslimen. Fast 90 Prozent | |
| lehnen Roma und Sinti ab. | |
| Kein Wunder also, dass der harte Kurs des Innenministers gegen Geflüchtete | |
| und Minderheiten ihm große Popularität gebracht hat. Das alles hätte ihm | |
| allerdings wenig genutzt, hätte er nicht gleichzeitig eine gut durchdachte | |
| Image-Strategie angewandt. Diese verdankt er einem anderen alten Bekannten | |
| der italienischen Politik: seinem ehemaligen Weggefährten und „Original | |
| Gangster“ des europäischen Populismus, Silvio Berlusconi. | |
| Wie Berlusconi flirtet Salvini [3][mit postfaschistischen Bewegungen] – und | |
| zitiert gerne Mussolini. Wie Berlusconi gibt er den starken Mann und | |
| inszeniert sich gleichzeitig als Opfer (der Europäischen Union, der Justiz | |
| oder der liberalen Medien). Wie Berlusconi hat Salvini die Partei zu einer | |
| „One-Man-Show“ und die politische Debatte zur Frage „mit mir oder gegen | |
| mich“ reduziert. Und während Berlusconi meisterhaft die Macht des | |
| Fernsehens zu nutzen wusste, ist Salvini ein Trendsetter der politischen | |
| Kommunikation durch soziale Medien. | |
| Salvini war bis jetzt noch nicht Regierungschef – und trotzdem ist [4][sein | |
| Einfluss auf die Politik unumstritten]. Ob sein Traum der absoluten Macht | |
| in Erfüllung gehen wird, ist momentan unklar. Doch seine Sprache, seine | |
| unverblümte Rhetorik, sein menschenverachtender Sarkasmus finden sich schon | |
| jetzt in jedem Gespräch über Politik, in jedem Forum und jeder | |
| Kommentarspalte. | |
| Das ist auch ein Film, den wir schon gesehen haben: Ein charismatischer | |
| Anführer nutzt existierende Vorurteile, um Feindbilder zu erschaffen. Dabei | |
| popularisiert er eine menschenverachtende Sprache, die von der Gesellschaft | |
| übernommen wird. Sobald er im Amt ist, geht er gegen diesen vermeintlichen | |
| Feind hemmungslos vor und wird dafür als starker Tatmensch gefeiert. | |
| Ich weiß nicht, ob ich diesen Film zu Ende sehen mag. | |
| 12 Aug 2019 | |
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| [2] https://www.pewresearch.org/global/fact-sheet/news-media-and-political-atti… | |
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| ## AUTOREN | |
| Fabio Ghelli | |
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