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# taz.de -- Regierungskrise in Italien: Rom streitet über Zeitplan
> Die rechte Lega will rasche Neuwahlen. Fünf Sterne, PD und die linke LeU
> stellen sich quer. Am Dienstagabend entscheidet der Senat.
Bild: Setzt Matteo Salvini sich durch, könnte bald ein rechtes Bündnis an die…
Rom taz | Sofortige Neuwahlen? Oder eine neue Regierung, getragen von einer
neuen Mehrheit im gegenwärtigen Parlament? Diese Frage beherrscht die
Auseinandersetzung zwischen Italiens Parteien, nachdem der Lega-Chef und
Innenminister Matteo Salvini den Bruch der Koalition vollzogen und ein
Misstrauensvotum gegen die Regierung unter Ministerpräsident Giuseppe Conte
eingebracht hat.
Geht es nach Salvini, dann werden die Italiener sofort an die Urnen
gerufen, für einen Termin im Oktober. „Eine Regierung des Ja“ brauche das
Land, gegen all die Neins der bisherigen Koalitionspartner vom Movimento 5
Stelle (M5S – 5-Sterne-Bewegung), verkündet er. Eine Regierung, die die
Steuern senke und große Infrastrukturprojekte vorantreibe, eine Regierung,
die auch gegen die Vorgaben aus Brüssel ein höheres Defizit in Kauf nehme,
um die Konjunktur anzuschieben, so Salvini. Die Bildung einer neuen
Regierung, aus M5S und der gemäßigt linken Oppositionspartei Partito
Democratico (PD), sei bloß damit zu erklären, dass diese Kräfte „an ihren
Sesseln kleben“.
Wie eilig es Salvini hat, zeigte sich am Montag bei der Sitzung der
Fraktionsvorsitzenden des Senats. Dort beantragte die Lega, den Senat für
die Misstrauensabstimmung schon für Mittwoch aus den Ferien zurückzurufen.
Unterstützung erhielt sie von Silvio Berlusconis Forza Italia (FI) und der
rechtsradikalen Fratelli d’Italia (FdI).
Doch eine Mehrheit aus M5S, PD und der radikal linken Liste Liberi e Uguali
(LeU) stellte sich quer. Jetzt muss der Senat selbst entscheiden, wann die
Debatte über die Regierung Conte laufen wird: Senatspräsidentin Elisabetta
Casellati berief das Haus mit einer fragwürdigen prozeduralen Entscheidung
schon für Dienstag, 18 Uhr, ein, damit es über den weiteren Kalender
befindet.
## Die Aussicht: eine Mehrheit für die Rechte
Italiens Zeitungen spekulieren kräftig, ob sich mit den beiden Blöcken, die
sich dann in der Geschäftsordnungsdebatte gegenüberstehen – hier das rechte
Lager aus Lega, Forza Italia und FdI, dort M5S, PD und LeU – schon
weitergehende Allianzen abzeichnen. Für die Rechte ist die Frage schon
beantwortet: Salvini, dessen Lega in den Umfragen auf bis zu 38 Prozent
kommt, hat FI und FdI eine gemeinsame Kandidatur in Aussicht gestellt. FI
kommt gegenwärtig auf etwa 6 bis 7 Prozent, FdI wird auf bis zu 8 Prozent
geschätzt. Eine klare Mehrheit für die Rechte und hinreichend Sessel auch
für die Juniorpartner der Lega stehen in Aussicht.
Aus ebendiesem Grund erheben sich beim PD und dem M5S die Stimmen gegen
sofortige Wahlen. Ausgerechnet Matteo Renzi, bis 2018 PD-Vorsitzender,
trommelt für eine Notstandsregierung. Die solle den Staatshaushalt 2020
ebenso wie die vom M5S vorangetriebene Verkleinerung des Parlaments
verabschieden. Renzi allerdings hatte bis vor wenigen Tagen jeden Dialog
der PD mit dem M5S scharf zurückgewiesen, ja, er hatte mit der
Parteispaltung gedroht, wenn der gegenwärtige PD-Vorsitzende Nicola
Zingaretti zu den Fünf Sternen öffnen würde. Jetzt droht er wieder die
Spaltung an – für den Fall, dass die Öffnung ausbleibt.
Renzi verkündet, es gelte Italien zu retten. Doch so nobel sind seine
Gründe nicht. Gegenwärtig ist die Mehrheit der Senatoren und Abgeordneten
ihm treu, da er vor den Wahlen 2018 die Wahllisten seiner Partei
zusammengestellt hatte. Bei Neuwahlen würde sein Flügel drastisch an
Einfluss verlieren. Außerdem wird Renzi der Wunsch nachgesagt, in den
nächsten Monaten eine eigene Partei zu gründen – auch für dieses Projekt
kämen Wahlen im Oktober zu früh. Um die zu verhindern, drohte er dennoch
hinter den Kulissen mit der Spaltung und der Gründung der neuen Kraft
„Azione civile“ (Bürgeraktion).
Vom M5S bekam Renzi umgehend einen Korb. „Neue Geier“ sieht
Fünf-Sterne-Gründer Beppe Grillo in einem Blog-Eintrag vom Montag kreisen.
Allen war klar: Er meint Renzi. Und M5S-Chef Luigi Di Maio erklärte, er
werde sich „nicht mit Renzi an einen Tisch setzen“. Mit Zingaretti als
PD-Chef womöglich jedoch schon.
## PD-Chef Zingaretti: An Neuwahlen führe kein Weg vorbei
Die Lage des M5S ist gegenwärtig nämlich einigermaßen verzweifelt. Statt
der 33 Prozent vom März 2018 kann die Bewegung nur noch 15 bis 17 Prozent
erwarten, statt etwa 300 würde sie nur noch an die 120 Parlamentarier
stellen. Und viele der bisherigen Abgeordneten und Senatoren dürften wegen
der internen Beschränkung des M5S auf zwei Legislaturperioden gar nicht
mehr antreten. Schon das steigert die Lust an einer neuen Regierung mit der
PD.
Deren Chef Zingaretti hatte in den letzten Tagen verkündet, an Neuwahlen
führe kein Weg vorbei. Eine Übergangsregierung M5S-PD, die dann im Herbst
einen Sparhaushalt verabschieden müsse, sei „ein enormes Geschenk an
Salvini“, der die Koalition als „Bündnis der Verlierer“ brandmarken kön…
und auf einen Kantersieg bei den nächsten Wahlen zusteuere.
Doch jetzt redet auch Zingaretti davon, dass Staatspräsident Sergio
Mattarella am Ende die Weichen stellen werde. In der PD gehen seine
Anhänger einen Schritt weiter. Sie reden mittlerweile von einer „Regierung
der Legislaturperiode“, die also bis 2023 amtieren könne.
13 Aug 2019
## AUTOREN
Michael Braun
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