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# taz.de -- Regierungskrise in Italien: Die zentrale Frage
> Was kommt nach dem Misstrauensvotum? Die rechte Lega wünscht sich eine
> schnelle Neuwahl. Aber einiges spricht für eine Übergangsregierung.
Bild: Die einzige Partei, die von einer schnellen Wahl profitieren würde, ist …
Rom taz Eine Neuwahl schon im Oktober oder aber eine Übergangsregierung für
einige Monate? Dies ist die zentrale Frage, nachdem Italiens Innenminister
und Lega-Chef Matteo Salvini am Donnerstag den Stecker gezogen und die von
ihm bisher mitgetragene Regierung unter Ministerpräsident Giuseppe Conte
[1][in die Krise gestürzt hat.]
Die einzige Partei, die von einer schnellstmöglichen Wahl profitieren
würde, ist die radikal rechte Lega. Im Schnitt aller Meinungsumfragen der
vergangenen Wochen erreicht sie knapp 37 Prozent und damit mehr als doppelt
so viel wie bei der nationalen Parlamentswahl vom März 2018, als sie 17
Prozent der Stimmen gewann. Salvini drückt deshalb auch jetzt in der Krise
aufs Tempo. Ginge es nach ihm, würde der Senat schon am kommenden Dienstag
zusammentreten, um über den von der Lega eingebrachten Misstrauensantrag
gegen die Regierung Conte zu befinden.
Unterstützung findet dieses Ansinnen bei den anderen Rechtsparteien, bei
Silvio Berlusconis Forza Italia sowie bei Fratelli d’Italia (FdI), den
rechtsradikalen „Brüdern Italiens“, die in Zukunft gern als Juniorpartner
mit Salvinis Lega koalieren würden.
Doch sowohl Salvinis bisheriger Koalitionspartner, das Movimento 5 Stelle
(M5S) unter Luigi Di Maio als auch die stärkste Oppositionspartei, die
gemäßigt linke Partito Democratico (PD) steuern einen Termin frühestens am
20. August an. Die Neuwahl könnte damit nicht vor Ende Oktober über die
Bühne gehen. Ein solcher Termin allerdings würde Italien ein großes Problem
bescheren: Bis zum Dezember muss der Staatshaushalt 2020 verabschiedet
werden – wohl ein Ding der Unmöglichkeit für ein Parlament, das sich erst
im Laufe des Novembers konstituiert, und für eine Regierung, die dann wohl
erst Anfang Dezember wirklich in Amt und Würden ist.
Verfassungsänderung auf der Kippe
Ohne verabschiedeten Etat jedoch käme es zur „provisorischen
Haushaltsführung“. Und da Italien der EU die Zusage gemacht hat, dass bei
Nichteinhaltung bestimmter Sparziele automatisch die Mehrwertsteuer von
bisher 22 Prozent auf 25 Prozent steigt, wäre diese Steuererhöhung dann
nicht mehr abzuwenden.
Schon dies stärkt die Position derer, die auf eine zumindest für wenige
Monate amtierende Übergangsregierung hinarbeiten. Aber gerade die Fünf
Sterne haben einen weiteren guten Grund: Am 9. September sollte im
Abgeordnetenhaus endgültig die Verfassungsänderung verabschiedet werden,
nach der es von 630 auf 400 und der Senat von 315 auf 200 Mitglieder
verkleinert werden sollen. Hierbei handelt es sich um ein Kernanliegen des
M5S, das ja nicht zuletzt als Bewegung gegen die „politische Kaste“
gegründet worden war.
Retten ließe sich diese Verfassungsänderung jedoch nur, wenn das
Abgeordnetenhaus umgehend – und noch vor der Misstrauensabstimmung über
Contes Regierung – die Reform verabschiedet. Dies ginge nur mit den Stimmen
der PD. Mehr noch: Damit die Reform wirksam wird, müsste ein neues
Wahlgesetz verabschiedet werden – dies ginge nur mit einer wenigstens sechs
Monate lang amtierenden Übergangsregierung.
Zwar schließt der im März 2019 gewählte PD-Chef Nicola Zingaretti eine
solche Lösung aus; auch er verlangt eine sofortige Neuwahl. Doch sein
Vorgänger und innerparteilicher Gegenspieler Matteo Renzi, dem weiterhin
große Teile der PD-Parlamentsfraktionen folgen, weist zwar einerseits
zurück, er wolle eine Regierung M5S-PD, andererseits aber zeigt er sich in
einem Facebook-Post vom Samstag offen für die Verkleinerung der beiden
Kammern des Parlaments.
300 Abgeordnete für die Lega
Auf der anderen Seite liegen die Gründe auf der Hand, die gegen eine auch
nur taktische Allianz von M5S und PD sprechen. Diese müsste einen
Staatshaushalt verabschieden, der angesichts der lahmenden Konjunktur um
bei den Bürgern unpopuläre Einschnitte kaum herumkäme. Sie wäre zudem von
Salvini leicht als Allianz der Verlierer, die sich vor einer Wahl drücken
wollen, zu brandmarken.
Sollte es also doch im Oktober zum von Salvini angestrebten Urnengang
kommen, so wäre das Resultat wenigstens vor dem Hintergrund der
gegenwärtigen Umfragen eindeutig. Die Lega darf auf knapp 300 der 630
Abgeordneten rechnen, hinzu kämen noch einmal etwa 60 Abgeordnete der
rechtsradikalen FdI, die anders als Salvini die Häfen nicht bloß schließen,
sondern die NGO-Schiffe gleich versenken will.
Sein Wahlkampfthema hat Salvini jedenfalls schon: die Senkung der Steuern,
ein expansiver Haushalt auch an den EU-Vorgaben vorbei, und zur Not auch
den direkten Zusammenstoß mit Brüssel.
10 Aug 2019
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## AUTOREN
Michael Braun
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