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# taz.de -- Neue Wendungen in Italiens Krise: Salvini die Stirn geboten
> Überraschend einig haben sich Fünf Sterne und PD gegen Salvinis Wunsch
> nach Neuwahlen gestellt. Jetzt brauchen sie aber ein gutes Gegenprogramm.
Bild: Rückhalt? Hat Salvini nicht mal von seinen Koalitionspartnern – aber l…
Nein, langweilig ist [1][diese Sommerkrise] in Italien wirklich nicht. Noch
letzten Freitag, als Innenminister und Lega-Chef Matteo Salvini beschloss,
die Koalition mit den Fünf Sternen platzen zu lassen, schien das Drehbuch
eigentlich schon geschrieben: Misstrauensvotum, Auflösung des Parlaments,
schnelle Neuwahlen mit dem Sieg Salvinis.
Doch Salvinis Gegenspieler denken gar nicht daran, sich an dieses Drehbuch
zu halten. Stattdessen glänzen sie auf der Bühne der Politik mit einem
beneidenswerten Improvisationstalent, und ihre Einlagen haben vor allem ein
Ziel: den Durchmarsch des Lega-Chefs zu verhindern.
Da wäre vorneweg Beppe Grillo, der Gründer des Movimento 5 Stelle (M5S –
5-Sterne-Bewegung). Für ihn war der gemäßigt linke Partito Democratico (PD)
bisher das rote Tuch schlechthin, für ihn war vor allem dessen früherer,
bis 2018 amtierende Parteichef Matteo Renzi die Verkörperung der
politischen „Kaste“, jetzt aber ruft er: „Von wegen Neuwahlen!“ Stattde…
möchte Grillo die „neuen Barbaren“ der Lega verhindern – an der Seite des
PD.
Dann ist da auf der anderen Seite Matteo Renzi, heute einfacher Senator und
Frontmann des Minderheitsflügels im PD, der gegen den neuen Parteichef
Nicola Zingaretti opponiert. Vor allem eine Frage trieb Renzi immer wieder
zur Weißglut: sein Verdacht, Zingaretti könne den Dialog mit den Fünf
Sternen suchen. Für diesen Fall drohte Renzi nichts weniger als die
Parteispaltung an.
## Geht's Renzi jetzt um das Gemeinwohl?
Jetzt aber predigt ausgerechnet er den Schulterschluss mit dem M5S und die
Bildung einer „institutionellen Regierung“ an ihrer Seite. „Menschlich
schwer“ falle ihm diese Volte, verkündet er, aber Politik treibe man nun
mal „für das Gemeinwohl, nicht als persönliche Rache“.
Am Dienstag nahm der neue Schulterschluss Gestalt an: M5S und PD stimmten
im Senat gemeinsam gegen den Wunsch der Lega, umgehend die
Misstrauensabstimmung anzusetzen. Stattdessen beschloss der Senat, sich auf
den 20. August zu vertagen.
Natürlich liegt der Verdacht auf der Hand, dass es auch jetzt nur bedingt
ums Gemeinwohl geht. Die Fünf Sterne drohen sich bei schnellen Wahlen in
Sternschnuppen zu verwandeln, und Renzi, der bisher das Gros der
PD-Parlamentarier hinter sich weiß – er hatte ja 2018 die Listen
aufgestellt –, muss riskieren, dass Zingaretti kaum einen seiner
Gefolgsleute wieder aufstellen wird.
Ein nobler Grund war dennoch schnell gefunden: Sowohl das M5S als auch
Renzi verkünden jetzt, es gehe darum, [2][die schon aufgelegte
Verfassungsänderung] zur Verkleinerung des Parlaments – statt 945
Volksvertretern in beiden Kammern soll es in Zukunft nur noch 600 geben –
durchzubringen und außerdem einen soliden Staatshaushalt für 2020 zu
verabschieden.
## Verhinderung ist kein Regierungsprogramm
Die Diskussion zwischen M5S und PD hat aber noch einen weiteren Dreh
bekommen: Jetzt ist nicht mehr von einer Übergangsregierung die Rede,
sondern von einem Kabinett, das bis zum Ende der Legislaturperiode im Jahr
2023 amtieren soll.
Natürlich würden viele in Italien, [3][viele auch in Europa] sich freuen,
wenn Salvini [4][mit seinen Duce-Allüren] ausgebremst wäre. Eine Frage
allerdings muss der PD genauso wie das M5S erst noch beantworten: Wozu
eigentlich soll eine solche Regierung gut sein? Es reicht kaum, den Bürgern
zu erklären, es gelte „die Orbanisierung Italiens zu verhindern“, wenn eine
Mehrheit der italienischen Wähler den starken Mann Salvini will. Die
schiere Verhinderung von Neuwahlen ist kein Regierungsprogramm. Ohne eine
überzeugende Agenda, formuliert als klare Alternative zu Salvinis
Brachialpopulismus, wäre eine Allianz aus M5S und PD genau das, was Salvini
von ihr sagt: eine „Koalition der Verzweifelten“.
14 Aug 2019
## LINKS
[1] /Regierungskrise-in-Italien/!5618110
[2] /Neuwahl-und-Wahlgesetz-in-Italien/!5411741
[3] /Fluechtlingspolitik-der-EU/!5613026
[4] /Matteo-Salvinis-Erfolg-in-Italien/!5614793
## AUTOREN
Michael Braun
## TAGS
Matteo Salvini
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