# taz.de -- Regierungskrise in Italien: Ein Bild purer Ohnmacht | |
> Innenminister Salvini ist die Regie der von ihm angezettelten | |
> Regierungskrise völlig entglitten. Der Lega drohen Jahre auf der | |
> Oppositionsbank. | |
Bild: Hofft im Parlament auf göttlichen Beistand: Innenminister Matteo Salvini | |
Nein, [1][das war nicht Matteo Salvinis Tag], auch wenn er ihn so gründlich | |
vorbereitet hatte. Nur ihm hatten es Italiens Senatoren ja zu verdanken, | |
dass sie ihren Sommerurlaub unterbrechen und am Dienstagnachmittag zu einer | |
Sondersitzung zusammentreten mussten. | |
Es war nicht sein Tag, denn die Parlamentarier verhandelten da über eine | |
Regierungskrise, die allein er, der Lega-Chef und Innenminister, gewollt | |
hatte, mit dem Ziel, zu schnellen Neuwahlen zu schreiten und [2][von den | |
Italienern mit der „ganzen Macht“ ausgestattet zu werden]. Schon die Krise | |
selbst sollte belegen, wie die Gewichte in der italienischen Politik | |
verteilt sind, seitdem [3][die rechtspopulistisch-fremdenfeindliche Lega] | |
bei den Europawahlen im Mai mit 34 Prozent triumphiert hatte: Salvini | |
allein entscheidet, wohin die Reise für Italien geht, er diktiert die | |
Spielregeln, er verteilt die Karten. | |
Doch er, der sich schon als übermächtig sah, gab dann in der fünf Stunden | |
währenden Debatte das Bild purer Ohnmacht ab. Es begann schon damit, dass | |
er sich auf die – komplett von den Ministern und Staatssekretären seines | |
bisherigen Koalitionspartners von den Fünf Sternen besetzte – | |
Regierungsbank drängeln musste. Es ging weiter damit, dass er förmlich um | |
einen Handschlag des Ministerpräsidenten Giuseppe Conte betteln musste. | |
Der gewährte ihm generös diese Freundlichkeit, ja er redete ihn als „caro | |
Matteo“, als „lieber Matteo“ an, doch dann stauchte er ihn, in stets | |
ruhigem Ton, zusammen: als Politiker, der sich von Opportunismus leiten | |
lasse, der bloß an die Vorteile „für sich und seine Partei“ denke, dem | |
jeglicher Sinn für die Institutionen fehle, der mit seinem Griff nach der | |
„ganzen Macht“ einfach nur „Sorgen bereite“. „Du bist unfair“, flü… | |
Matteo da, ansonsten schnitt er Grimassen wie ein Schulbube. | |
Salvini hatte den anderen den Stuhl vor die Tür setzen wollen, den | |
Regierungspartnern vom Movimento5Stelle (M5S – 5-Sterne-Bewegung), dem | |
Premier Conte, ja mit den angesteuerten Neuwahlen dem ganzen Parlament. | |
Doch dass die Regie der Krise ihm völlig entglitten ist, zeigte sich dann | |
an einem letzten Verzweiflungsakt: Die Lega zog ihren Misstrauensantrag | |
gegen Conte zurück, sie signalisierte so, dass sie sich nun auf einmal | |
wieder eine Fortsetzung der Regierung vorstellen konnte. | |
## Ein Bündnis aus der Angst geboren | |
Damit jedoch erlaubte sie Conte bloß den letzten vernichtenden Hieb: Er | |
erklärte, Salvini sei mutlos, er habe nicht einmal den Schneid, zu dem | |
Koalitionsbruch zu stehen, den er selbst vollzogen habe, Conte jedoch | |
bleibe bei seinem Rücktritt. | |
Statt der erträumten Alleinregierung drohen der Lega nun Jahre auf der | |
Oppositionsbank. Denn in der Debatte wurde auch deutlich, dass sowohl das | |
M5S als auch die bisher oppositionelle, gemäßigt linke Partito Democratico | |
(PD) [4][sich eine Koalition vorstellen können]. Und Conte skizzierte in | |
seiner Rede auch gleich ein paar programmatische Grundlagen. Gegen den | |
rechtsnationalistischen, EU-feindlichen Populismus der Lega stellte er ein | |
klares Bekenntnis zur Union, er sprach von der Notwendigkeit, in Forschung | |
und Bildung zu investieren, von der Notwendigkeit auch, Umweltfragen ein | |
höheres Gewicht einzuräumen. In diesen Passagen klang er, als halte er | |
nicht eine Abschieds-, sondern eine Antrittsrede. | |
Natürlich wäre dieses Bündnis vorneweg aus der Angst geboren: Aus der Angst | |
der M5S- und der PD-Parlamentarier um ihre Sitze, aus der Angst aber auch | |
vor einem Salvini-Italien, vor einem Land unter der Führung des Orbán-, Le | |
Pen- und Putin-Fans. Angst gilt gemeinhin als schlechter Ratgeber, diesmal | |
jedoch könnte sie sich als produktiv erweisen, unter einer Bedingung | |
allerdings: dass es M5S und PD gelingt, einen überzeugenden Gegenentwurf | |
zum rüden Rechtsnationalismus der Lega zu bilden. | |
21 Aug 2019 | |
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## AUTOREN | |
Michael Braun | |
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