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# taz.de -- Flüchtlingspolitik in Italien: Kein Kurswechsel zu erwarten
> Durch die Krise in Italien wird es wohl bald eine neue Regierung geben.
> Doch das würde wenig an der Flüchtlingspolitik ändern.
Bild: Flüstern im Senat: Giuseppe Conte und Luigi Di Maio
Rom taz | Es waren rundum misslungene Stunden für Matteo Salvini. Just
während er am Dienstagnachmittag im italienischen Senat [1][den Worten des
Ministerpräsidenten Giuseppe Conte zuhören musste], der ihm, dem
Verursacher der Regierungskrise, die Leviten las, ereilte den Innenminister
und Lega-Chef eine weitere unschöne Nachricht. Die Staatsanwaltschaft auf
Sizilien hatte den Landgang der Flüchtlinge von der „Open Arms“ angeordnet,
obwohl doch Salvini verkündet hatte, „niemals“ würden sie den Fuß auf
italienischen Boden setzen. Gleich doppelt stand er so als zahnloser Tiger
da.
Gewiss, das perfekte zeitliche Zusammenfallen der beiden Ereignisse war
purer Zufall, aber natürlich stellt sich die Frage: Was wird aus Salvinis
Politik der „geschlossenen Häfen“, sprich der Totalabschottung gegen
Flüchtlinge, jetzt, da er die Regierung in die Krise gestürzt hat?
Als realistisch gelten in Italien nur zwei Szenarien: entweder eine
Koalition aus dem bisher an der Seite der Lega regierenden Movimento5Stelle
(M5S) und der sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) oder aber
Neuwahlen im Herbst. Schnelle Neuwahlen sähen mit einiger Sicherheit
Salvini als Sieger. Er könnte dann völlig ungehindert seinen Krieg gegen
die NGOs fortsetzen, womöglich in Koalition mit der radikal rechten Partei
Fratelli d’Italia, die die privaten Rettungsschiffe am liebsten direkt
versenken würde.
Was aber wäre, wenn das M5S zusammen mit PD die Regierung übernehmen würde?
Matteo Renzi, der frühere PD-Vorsitzende und Ministerpräsident, nutzte am
Dienstag seine Rede im Senat, um scharf mit Salvinis Kurs abzurechnen.
Unmenschlich sei der, und er schüre Hass im Land, erklärte Renzi, der
forderte, die „Open Arms“-Flüchtlinge müssten umgehend an Land gelassen
werden.
## Wenig zu erwarten
Doch es war die letzte, von Dezember 2016 bis zu den Wahlen im März 2018
amtierende PD-Regierung unter Paolo Gentiloni, die die Abkommen mit der
libyschen Regierung und diversen Warlords geschlossen hatte, damit die
Schleuser auf libyscher Seite gestoppt werden; es war die PD-Regierung, die
auch Libyen die dafür nötigen Patrouillenboote spendiert hatte. Weiterhin
aber konnten die NGOs ihre Rettungsfahrten im Mittelmeer fortsetzen.
Das M5S wiederum ließ in der Koalition mit der Lega Salvini freie Hand.
Mehr noch, der Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio verunglimpfte die NGO-Schiffe
als „Taxis des Meeres“, und Verkehrsminister Danilo Toninelli – zuständig
für die Küstenwache – vollzog selbst während der jetzt ausgebrochenen
Regierungskrise den Schulterschluss mit Salvini, als er die Regierung in
Madrid aufforderte, der „Open Arms“ die spanische Flagge zu entziehen.
Mehr noch: Als das Tribunale dei minstri von Palermo, eine regionale
Kammer, die für Verfahren gegen Regierungsmitglieder zuständig ist, den
Prozess gegen Salvini eröffnen wollte – wegen Freiheitsberaubung, weil er
im Sommer 2018 tagelang den Flüchtlingen auf dem Küstenwachenschiff
„Diciotti“ den Landgang verweigert hatte –, da stellte sich das M5S
schützend vor den Koalitionspartner.
Im Senat stimmte ausgerechnet die Bewegung, die reklamiert, Politiker
müssten sich immer der Justiz stellen, an der Seite der Lega gegen die
Aufhebung von Salvinis Immunität. Nur wenige im M5S, angefangen beim
Präsidenten des Abgeordnetenhauses Roberto Fico, gingen offen auf Distanz
zu der von ihnen als inhuman gegeißelten Abschottungspolitik.
Nein, auch unter einer M5S-PD-Regierung ist nicht zu erwarten, dass Italien
zur Mare-Nostrum-Mission von 2013 und 2014 zurückkehrt, als die Regierung
Schiffe der Marine und der Küstenwache zu Rettungseinsätzen vor Libyens
Küste schickte. Doch wenigstens der offene Krieg gegen die NGOs, ihre
juristische und administrative Verfolgung, könnte ein Ende finden.
21 Aug 2019
## LINKS
[1] /Italienischer-Ministerpraesident-tritt-zurueck/!5619867
## AUTOREN
Michael Braun
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