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# taz.de -- Abtreibungsgesetz in Norwegen: „Weg von meiner Gebärmutter!“
> Tausende NorwegerInnen demonstrieren für das 40 Jahre alte liberale
> Abtreibungsrecht. Es droht zum Opfer der Koalitionsverhandlungen zu
> werden.
Bild: Demonstration zum Internationalen Frauentag 2017 in Oslo
Stockholm taz | „Mein Körper – Mein Recht!“, „Nie wieder Stricknadeln�…
„Das Recht auf meinen Körper kannst du nicht verschachern, Erna!“ – unter
der Parole „Finger weg vom Recht auf Schwangerschaftsabbruch!“ wurde am
Samstag in 33 Orten in ganz Norwegen gegen die Pläne der Regierung in Oslo
protestiert, das Abtreibungsrecht einzuschränken.
„Wir sind hier, weil Erna Solberg und die Christliche Volkspartei ihre
Regierungsverhandlungen in unsere Gebärmutter verlegt haben“, eröffnete Liv
Gulbrandsen, Kinderbuchautorin und Politikerin der sozialistischen Partei
„Rødt“, eine Demonstration mit rund 8.000 TeilnehmerInnen in Oslo: „Und …
wollen ihnen mit aller Deutlichkeit klarmachen, dass sie da absolut nichts
verloren haben.“
„Die Regierung will uns 40 Jahre zurückwerfen“, betonte die Ärztin und
Medienkolumnistin Mina Adampour, eine der anderen Rednerinnen auf dem
Eidsvoll-Platz vor dem Storting, dem norwegischen Parlament: „Das werden
wir nicht zulassen.“ Vor 40 Jahren, am 1. Dezember 1978, trat in Norwegen
[1][das derzeit geltende Recht zum Schwangerschaftsabbruch in Kraft]. Ein
liberales Recht. Bis zur zwölften Woche ist es allein Entscheidung der
Frau, ob sie einen Abbruch vornehmen lassen will. Eine Beratungspflicht
oder eine gesetzlich vorgeschriebene Bedenkzeit gibt es nicht.
Es gibt das Recht der Frau, bei einer Zwillingsschwangerschaft nur einen
Fötus entfernen zu lassen und es gibt unter anderem dann eine
Ausnahmeregelung, einen Fötus auch nach der zwölften Woche zu entfernen,
wenn eine „hohe Wahrscheinlichkeit“ dafür besteht, dass das Kind als Folge
einer Erbanlage „eine ernsthafte Krankheit bekommen könnte“. In der
öffentlichen Debatte trägt dieser Paragraf 2c des „Abortloven“ auch den
Namen „Downs-Paragraf“, weil es in der Praxis primär um Fälle des
Down-Syndroms geht. Von insgesamt rund 12.000 Schwangerschaftsabbrüchen
jährlich erfolgen etwa 250 auf Grundlage des 2c.
## Mobilisierung der Frauenorganisationen
Wenn die Regelung nun in Frage gestellt wird, hat das mit dem Ausgang der
Parlamentswahl von 2017 zu tun. Erna Solberg, Vorsitzende der konservativen
Høyre, konnte mithilfe der rechtspopulistischen Fortschrittspartei und der
liberalen Venstre lediglich eine Minderheitsregierung bilden, die sich für
eine parlamentarische Mehrheit vor allem auf die Stimmen der kleinen
Christlichen Volkspartei (Kristelig Folkeparti, KrF) stützen muss. Und die
stellte in den vergangenen Monaten ihre bisherige Rolle als
Mehrheitslieferantin zugunsten eines Bündnisses mit der linken Opposition
in Frage.
Für Solbergs Regierung hätte dies das Ende bedeutet. Der Paragraf 2c, der
der KrF schon lange ein Dorn im Auge ist und aus ihren Reihen auch als
„Selektions-Paragraf“ bezeichnet wird, wurde plötzlich zum
Verhandlungsgegenstand. Solberg versprach, ihn zu streichen, würde die KrF
in ihre Regierung eintreten, statt die Seiten zu wechseln. Anfang November
entschied sich eine Mehrheit auf dem Parteitag der KrF für
Regierungsverhandlungen mit Solberg. Seither wird verhandelt.
Die Mobilisierung auf der Seite von Frauenorganisationen, Gewerkschaften,
linken Parteien, aber auch Vertretungen von MedizinerInnen erfolgte auf der
Stelle. Die Empörung wird zusätzlich davon befeuert, dass es ausgerechnet
eine „Frauenregierung“ ist – alle drei derzeitigen Regierungsparteien hab…
weibliche Vorsitzende –, die für ihren Machterhalt offenbar bereit ist, das
Selbstbestimmungsrecht der Frauen über ihren eigenen Körper einzuschränken.
Nach der letzten Meinungsumfrage sind 68 Prozent der NorwegerInnen gegen
eine Änderung des „Abortloven“, 16 Prozent sind dafür.
19 Nov 2018
## LINKS
[1] /Abtreibungen-in-Norwegen/!5505520
## AUTOREN
Reinhard Wolff
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