# taz.de -- Katholizismus und Homoehe: Päpstlicher Segen | |
> Papst Franziskus spricht sich überraschend für gleichgeschlechtliche | |
> Partnerschaften aus. Diese sollten auch gesetzlich geschützt werden. | |
Bild: Fast ein Revoluzzer: Papst Franziskus vor der wöchentlichen Audienz | |
ROM taz | Ja zur Homoehe, und Nein zu Ablehnung und Ausgrenzung | |
Homosexueller: Papst Franziskus zeigt erneut, dass er für Überraschungen | |
gut ist. Am Mittwochabend wurde auf dem Filmfestival von Rom der | |
Dokumentarfilm „Francesco“ des Regisseurs Evgeny Afineesky ausgestrahlt, in | |
dem der argentinische Papst mit klaren Ansagen nicht geizt. | |
„Homosexuelle Personen haben das Recht, in einer [1][Familie zu leben“], | |
sagt er da in einem Telefonat mit einem schwulen Paar. Die beiden Männer | |
haben drei Kinder und hatten den Heiligen Vater angeschrieben, um ihm von | |
ihrer Sorge zu berichten, sich samt Nachwuchs in die örtliche Pfarrei zu | |
begeben und dort womöglich auf Ablehnung zu stoßen. Der Papst sprach ihnen | |
Mut zu: In seinen Augen sind Homosexuelle „Kinder Gottes und haben das | |
Recht auf eine Familie. Keiner dürfte deshalb herausgeworfen oder | |
unglücklich gemacht werden.“ | |
Auch den rechtlichen Weiterungen stellt sich Franziskus. „Was wir schaffen | |
müssen, ist ein Gesetz zu den eingetragenen Lebenspartnerschaften. Auf | |
diese Weise hätten homosexuelle Personen einen gesetzlichen Schutz. Dafür | |
habe ich gefochten.“ | |
In dem Film kommt auch Juan Carlos Cruz zu Wort, der Gelegenheit zu einem | |
Gespräch mit dem Papst hatte: „Er hat mir gesagt: Juan, Gott hat dich als | |
Schwulen erschaffen und liebt dich auf jeden Fall. Gott liebt dich und dann | |
liebt dich auch der Papst.“ | |
## Auf Kurs geblieben | |
Der Papst behält damit seinen Kurs bei, den er schon 2013, direkt nach | |
seiner Wahl, eingeschlagen hatte. Seinerzeit war er auf dem Rückflug von | |
Rio de Janeiro nach Rom mit den Worten aufgefallen: „Wenn eine Person | |
schwul ist, Gott sucht und guten Willen hat, wer wäre ich denn, um über ihn | |
zu urteilen?“ | |
Und in seinem apostolischen Schreiben Amoris laetitia von 2016 heißt es: | |
„Jeder Person, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, gebührt | |
Respekt“, und es sei dafür „Sorge zu tragen, jedwedes Zeichen ungerechter | |
Diskriminierung zu vermeiden“. Und 2018 hatte er auf die Frage, was er | |
Eltern eines homosexuellen Kindes rate, erwidert: „Den Sohn oder die | |
Tochter mit homosexuellen Tendenzen zu ignorieren wäre ein Fehlen an Vater- | |
oder Mutterschaft. Du bist so, wie du bist, mein Sohn oder meine Tochter.“ | |
Homosexuelle als Söhne und Töchter der Kirche – dies hatte auch schon Papst | |
Benedikt XVI. zugestanden. Allerdings gab es zu seinen Zeiten immer die | |
Einschränkung, Homosexuelle mögen doch bitte sexuell abstinent bleiben, um | |
nicht in Sünde zu leben. Ebendiesen Zusatz hat Franziskus sich in allen | |
seinen Stellungnahmen verkniffen. | |
Vorbei waren unter ihm auch die Zeiten, in denen die katholische Kirche in | |
Italien wütend gegen die mehr als schüchternen Versuche der | |
Mitte-links-Parteien trommelte, ein Gesetz über eingetragene | |
Lebenspartnerschaften zu verabschieden. | |
## Gesetz in der Schublade | |
So riefen 2007 katholische Verbände zum „Family Day“ nach Rom, und die | |
italienische Bischofskonferenz ermunterte die Pfarreien des ganzen Landes, | |
ihrerseits zu mobilisieren, an der Seite Silvio Berlusconis und aller | |
Rechtsparteien des Landes. Über 200.000 Menschen kamen zu der Kundgebung, | |
das Gesetz blieb in der Schublade und [2][die Einführung eingetragener | |
Lebenspartnerschaften] musste in Italien bis 2016 warten. | |
Jetzt aber haben diese Lebenspartnerschaften den offiziellen Segen des | |
Papstes, der für die Homosexuellen nicht bloß pastorale Zuwendung, sondern | |
für ihr Zusammenleben auch gesetzlichen Schutz einfordert. Von [3][„Ehe“] | |
spricht allerdings auch Franziskus nicht – wohl aber vom Recht der | |
Homosexuellen, eine „Familie“ zu gründen. | |
Die katholische kirchenkritische Laienorganisation „Wir sind Kirche Irland“ | |
fordert jetzt allerdings in einer Presseerklärung, Franziskus solle noch | |
eins drauflegen. Vorneweg solle er den kirchlichen Segen für | |
gleichgeschlechtliche Paare einführen. Außerdem solle er dafür sorgen, dass | |
die Brandmarkung homosexuellen Lebens als „in sich ungeordnet“ aus dem | |
Katechismus verschwindet. | |
22 Oct 2020 | |
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## AUTOREN | |
Michael Braun | |
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