# taz.de -- Migration neu denken: So könnte eine humane Fluchtpolitik aussehen | |
> Seit Jahren dominieren Rechte und Konservative das Thema Einwanderung. | |
> Dabei ginge es auch anders. | |
Bild: Protest beim Migrationsgipfel der EU-Innenminister*innen auf der Zugspitz… | |
Progressive Fluchtpolitik ist in Deutschland gelebte Realität. Zumindest | |
von unten: Ehrenamtliche bringen geflüchteten Kindern Deutsch bei, | |
Geflüchtete kämpfen dafür, Teil dieser Gesellschaft zu bleiben und nicht | |
abgeschoben zu werden, Gemeinden gewähren ihnen Kirchenasyl. Menschen | |
unterstützen sich gegenseitig, um Leistungskürzungen oder Arbeitsverbote zu | |
überbrücken. | |
2015 sah es kurz so aus, als ob auch die Politik und die Mitte der | |
Gesellschaft eine Wende hin zu mehr Menschlichkeit in der | |
Migrationspolitik vollführen könnte. Die Neuankömmlinge wurden an den | |
Bahnhöfen beklatscht und sogar CDU-Politiker*innen inszenierten sich damals | |
als Flüchtlingshelfer*innen. | |
Plötzlich schien es gar nicht mehr so utopisch, über sichere Fluchtrouten | |
zu sprechen, oder dauerhaften Familiennachzug, über ein Ende der | |
Massenunterkünfte, freien Zugang zum Arbeitsmarkt und die Abkehr von | |
Abschiebungen. Sie schien greifbar: eine Fluchtpolitik, in der Grenzen ihre | |
Macht über Menschen verlieren – sowohl die Zäune und Mauern auf dem Weg, | |
als auch die versperrten Zugänge zu einem selbstbestimmten Leben mit | |
Teilhabe. | |
Von dieser Hoffnung ist nicht viel übrig. Im Mai dieses Jahres ordnete | |
CSU-Bundesinnenminister Alexander Dobrindt die Zurückweisung von | |
Asylsuchenden an deutschen Grenzen an. [1][Laut Deutschlandtrend sprachen | |
sich zuvor knapp 60 Prozent der Befragten grundsätzlich dafür aus]. Zwei | |
Drittel sind zudem der Meinung, dass Deutschland weniger Geflüchtete | |
aufnehmen sollte. Die Mehrheit unterstützt den Kurs von Dobrindt und | |
CDU-Bundeskanzler Friedrich Merz. | |
Bis weit in die politische Mitte hinein wird über Fluchtmigration in | |
Deutschland heute vor allem als Problem gesprochen. Es geht dabei meist um | |
die Begrenzung der Migration oder gar die Abschaffung des Asylrechts. Als | |
Argumente dienen die Überforderung von Behörden und Kommunen, Kosten für | |
den Staat, Abwehrreflexe in der Bevölkerung und medial befeuerte Sorgen vor | |
Terroranschlägen. Vieles davon spielt mit Ressentiments oder dient einer | |
rechten Agenda. Der Diskurs hat sich von realen Herausforderungen wie etwa | |
der Vermittlung von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt weit entfernt. | |
„Auf dem Feld der Migrationspolitik wird der Unmut über das politische | |
System artikuliert“, sagt Politikwissenschaftler Hannes Schammann. | |
Ähnliches beobachtet Marcus Engler vom Deutschen Zentrum für Integrations- | |
und Migrationsforschung. „Unsere Gesellschaft befindet sich in multiplen | |
Krisen und Menschen fürchten eine Verschlechterung ihrer | |
Lebensbedingungen“, sagt Engler. „Das ist das eigentliche Problem.“ Aber | |
von einer ehrlichen Diskussion über eine gerechtere Gesellschaft für alle | |
hat sich die Politik seit Beginn der Regierung Merz noch weiter entfernt. | |
Muss man sich also damit abfinden, dass das Asylrecht von | |
Politiker*innen immer weiter demontiert wird, die sich davon Stimmen | |
frustrierter Wähler*innen erhoffen? | |
Im Gegenteil. Statt einfach zuzusehen, braucht es [2][konkrete Ideen für | |
eine progressive Fluchtpolitik], die sowohl Wohlergehen und Würde der | |
Geflüchteten schützt, als auch neuen Rückhalt in der Bevölkerung findet. | |
Die taz hat Ideen zusammengetragen, wie das gelingen könnte. | |
Arbeit | |
Ein großer Teil der Fluchtmigration nach Europa ist sogenannte gemischte | |
Migration. Die Menschen haben unterschiedliche, sich oft überschneidende | |
Gründe, ihre Heimat zu verlassen: Kriege, Naturkatastrophen oder Verfolgung | |
im Herkunftsland einerseits, die Hoffnung auf ein besseres Leben, einen Job | |
oder eine Zukunftsperspektive andererseits. Wer aber nicht unmittelbar | |
durch Krieg oder politische Verfolgung bedroht ist, hat nach den Kriterien | |
des Asylsystems selten Anspruch auf Schutz. | |
Ein Beispiel aus dem November 2024 veranschaulicht dies. Damals berichteten | |
viele Medien über zehn Kolumbianer*innen, die in einem Pflegeheim im | |
niedersächsischen Wilstedt arbeiteten. Sie waren als Geflüchtete gekommen, | |
doch ihre Asylanträge wurden abgelehnt. Deshalb sollten sie | |
[3][abgeschoben] werden. Nicht nur die Heimbewohner*innen, sondern auch die | |
Betreiberfirma protestierte. Der öffentliche Druck wurde schließlich so | |
groß, dass sich der damalige Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach | |
(SPD) einschaltete und erreichte, dass die zehn bleiben durften. | |
Für die Kolumbianer*innen war das Asylsystem offensichtlich der | |
falsche Weg. Es wäre besser gewesen, wenn sie als reguläre | |
Arbeitsmigrant*innen hätten kommen können. Dann hätten sie sich die | |
quälende Wartezeit im Asylverfahren sparen können. Der Betreiber des | |
Pflegeheims hätte die dringend gesuchten Arbeitskräfte gewonnen, ohne dass | |
ihnen ständig die Abschiebung drohte. Die Behörden wären entlastet worden. | |
Und: Wer arbeitet, muss keine Sozialleistungen beziehen. Das schont die | |
Sozialsysteme und nimmt Konservativen und Rechten zugleich eines ihrer | |
liebsten Argumente gegen Zuwanderung. | |
Nur: Es gibt bisher kaum legale Einreisewege für Arbeitsmigrant*innen. | |
Auch wenn die Ampelregierung mit dem Fachkräftezuwanderungsgesetz versucht | |
hat, die Anerkennung von Berufsabschlüssen zu vereinfachen und Hürden | |
abzubauen, ist es nach wie vor schwierig, mit einem Arbeitsvisum nach | |
Deutschland zu kommen. Menschen, die nie die Möglichkeit hatten, eine | |
reguläre Ausbildung zu machen, haben fast gar keine Chance. | |
Die „Westbalkanregelung“ zeigt in Ansätzen, dass es auch anders geht. Pro | |
Jahr können bislang 50.000 Personen aus Albanien, Bosnien und Herzegowina, | |
Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro und Serbien zum Arbeiten nach | |
Deutschland kommen. Das gilt unabhängig von ihrer Qualifikation, allerdings | |
müssen sie ein konkretes Jobangebot vorweisen können. Der Haken an der | |
Sache: Parallel zur Einführung dieser Regelung erklärte Deutschland alle | |
Balkanstaaten zu sicheren Herkunftsländern. Dadurch werden die Chancen auf | |
einen Schutzstatus im Asylverfahren reduziert, juristische Gegenwehr | |
erschwert und Abschiebungen beschleunigt. | |
Möglichkeiten für Arbeitsmigration sollten nicht als Vorwand dienen, um das | |
Recht auf Asyl weiter auszuhöhlen. Der erste Teil des Pakets, der legale | |
Routen für gelernte wie ungelernte Migrant*innen schaffen soll, ist | |
jedoch der richtige Weg zu einer realistischen Migrationspolitik. Denn: | |
Menschen werden weiter migrieren, auch wenn sie dafür immer gefährlichere | |
Routen nehmen müssen. | |
Damit Geflüchtete es in einen legalen Aufenthalt schaffen, würde auch der | |
sogenannte Spurwechsel helfen. Wer während des Asylverfahrens eine | |
[4][Anstellung als Fachkraft] findet, kann bislang nur unter komplizierten | |
Bedingungen in einen anderen Aufenthaltstitel wechseln. Geflüchteten, deren | |
Asylantrag abgelehnt wurde oder die aus anderen Gründen eine Duldung haben, | |
sind zum Teil noch immer Arbeitsverbote auferlegt. In der Folge sind | |
Menschen häufig in einer Situation gefangen, in der sie staatliche | |
Leistungen in Anspruch nehmen müssen, obwohl sie eigentlich arbeiten oder | |
eine Berufsausbildung beginnen wollen. Davon hat niemand etwas. Viel | |
besser ist es, wenn Menschen sich durch Job, Ausbildung oder Studium eine | |
selbstbestimmte Existenz aufbauen können – auch wenn ihr Asylantrag | |
abgelehnt wird. | |
Ordnung | |
Was das Schlagwort Migration im politischen Diskurs so vergiftet hat, hängt | |
maßgeblich mit dem behaupteten „Kontrollverlust“ zusammen, als die Behörd… | |
im Jahr 2015 mit der Registrierung der Neuankommenden nicht mehr nachkamen. | |
Bis heute ist es die vermeintlich „unkontrollierte“ Zuwanderung, vor der | |
konservative und rechte Politiker*innen stets warnen. Egal wie | |
restriktiv die Grenzpolitik ist, die Angst vor dem Kontrollverlust bleibt | |
wirkmächtig. | |
Auch wenn große Fluchtbewegungen oft unübersichtlich sind, gibt es Wege, | |
für mehr tatsächliche und gefühlte Ordnung zu sorgen. Davon profitieren | |
auch die Geflüchteten. Resettlementprogramme etwa können hierbei eine | |
wichtige Rolle spielen. Dabei wählen UN-Mitarbeitende in den Nachbarländern | |
von Krisenregionen schutzbedürftige Geflüchtete aus. Anschließend werden | |
die Menschen eingeflogen, ohne dass sie hier noch einmal ein Asylverfahren | |
durchlaufen müssen. | |
Bislang sind Resettlementprogramme weltweit eher klein, aber es gibt sie: | |
Im Jahr 2024 wurden rund 120.000 Menschen damit in Sicherheit gebracht, | |
Deutschland bot rund 3.000 Aufnahmeplätze. [5][Um die Kapazitäten deutlich | |
zu steigern, wären große Investitionen nicht nur bei der UN, sondern auch | |
hierzulande nötig]. Leider tut die aktuelle Bundesregierung das Gegenteil | |
und hat Resettlementaufnahmen ausgesetzt. | |
Das zeigt, dass Resettlement alleine anfällig für staatliche Willkür ist. | |
Aber als alternativer Zugangsweg neben dem individuellen Asylrecht kann es | |
verbliebene Migrationsrouten entlasten und für mehr Ordnung sorgen. Niemand | |
sollte bei der Fahrt über das Mittelmeer sein Leben riskieren müssen. Eine | |
belastbare Resettlementinfrastruktur bei der UN ist auch Bedingung dafür, | |
dass mehr Länder Geflüchtete aufnehmen. Bislang bleibt die Aufnahme | |
überwiegend an Ländern mit kleiner oder mittlerer Wirtschaftsleistung | |
hängen. Staaten, die weniger als 1,3 Prozent des weltweiten | |
Bruttoinlandsprodukts erwirtschaften, nehmen 20 Prozent aller | |
Schutzsuchenden auf. Industrienationen und Schwellenländer wie China, | |
Japan, Polen oder Australien hingegen nehmen fast niemanden auf. | |
Deutschland gehört bislang noch zu den größten Aufnahmeländern und sollte | |
mehr auf Resettlement setzten. Es sollte auch darauf drängen, dass mehr | |
Staaten sich beteiligen. Denn Resettlements demonstrieren, dass es möglich | |
ist, Geflüchteten in großem Maßstab Schutz zu bieten – auf sicheren und | |
legalen Migrationsrouten. | |
Bildung | |
Wer will, dass sich Geflüchtete gut in die deutsche Gesellschaft einfinden, | |
muss dafür sorgen, dass sie schnell Deutsch lernen können. Das | |
Bildungssystem ist aber auch deshalb wichtig, weil mehr als ein Drittel | |
der Menschen, die in Deutschland Asyl beantragen, jünger sind als 16 Jahre. | |
Im Jahr 2016 [6][untersuchten] Forscher*innen, wie geflüchtete Kinder in | |
Berliner Grundschulen aufgenommen wurden. Die meisten zugewanderten Kinder | |
besuchten sogenannte Willkommensklassen, in denen sie möglichst intensiv | |
Deutsch lernen sollten. Einige der Grundschulkinder aus der Studie | |
besuchten aber auch Schulen, in denen sie sofort am Unterricht der | |
Regelklassen teilnahmen und meist zusätzlich Deutschunterricht erhielten. | |
Das Ergebnis: Kinder in Willkommensklassen waren an vielen Schulen vom | |
regulären Schulalltag separiert. Aufgrund der ständigen Fluktuation in den | |
Klassen – verursacht durch Verlegungen, Abschiebungen und neu hinzukommende | |
Kinder – war kontinuierliches Lernen schwierig. Spätere [7][Studien] | |
zeigen, dass Kinder in den Willkommensklassen weniger Deutsch lernen und | |
auch in anderen Fächern schlechter abschneiden. Zudem schaffen sie seltener | |
den Sprung aufs Gymnasium. | |
Kinder, die im Schulalter nach Deutschland kommen und keinen geschützten | |
Raum in Form von Willkommensklassen benötigen, sollten also direkt in | |
Regelklassen eingeschult werden und dort zusätzlichen Deutschunterricht | |
erhalten. Insbesondere bei Grundschülern gibt es kaum Gründe, sie separiert | |
zu beschulen. Geflüchtete Kinder sollten außerdem nicht erst nach der | |
Zuweisung an eine Kommune, sondern auch während der Zeit in der | |
Erstaufnahmeeinrichtung in die Schule gehen, wie es in einigen | |
Bundesländern üblich ist. Je kürzer die Bildungsverläufe unterbrochen sind, | |
desto einfacher ist es, gut in den Schulalltag zurückzufinden. | |
Nicht vergessen werden dürfen Bildungsangebote für erwachsene Geflüchtete. | |
Derzeit besuchen sie sogenannte Integrationskurse, in denen ihnen | |
grundlegende Kenntnisse über die deutsche Gesellschaft und vor allem die | |
deutsche Sprache vermittelt werden. Allerdings ist das System in schlechtem | |
Zustand. Die meist sehr engagierten Sprachlehrer*innen werden schlecht | |
bezahlt und sind bei den meisten Trägerorganisationen nicht einmal fest | |
angestellt. Die Unterrichtsräume sind teils marode, außerdem gibt es | |
schlicht zu wenige Plätze. Zuletzt betrug die Zeit zwischen der | |
Berechtigung zur Teilnahme an einem Kurs und Unterrichtsbeginn mehr als | |
vier Monate. | |
Hintergrund sind die Wirrungen um deren Finanzierung aufgrund des | |
Sparkurses der Ampel, der lange unklaren Haushaltslage für das laufende | |
Jahr und widersprüchlichen Informationen aus den Ministerien. Die offenen | |
Fragen sind inzwischen ausgeräumt und die Finanzierung zumindest für 2025 | |
gesichert. Doch es bräuchte noch einmal deutlich größere Investitionen, um | |
das gesamte System so zu gestalten, dass alle Geflüchteten schnell die | |
erforderlichen Kenntnisse vermittelt bekommen, um wirklich ankommen zu | |
können. | |
Wohnen | |
Bislang werden Geflüchtete nach dem Königsteiner Schlüssel zunächst auf die | |
Bundesländer und später auf die Kommunen verteilt. Zunächst dürfen sie die | |
Kommune nicht verlassen, auch später bleibt ihr Wohnort vorgegeben. Das | |
erzeugt Frust. Weder haben die Geflüchteten Einfluss darauf, wo sie | |
unterkommen, noch haben die Kommunen Einfluss darauf, wen sie zugeteilt | |
bekommen. | |
Im schlimmsten Fall strandet ein geflüchteter Metallbauer in einem Dorf, in | |
dem es keine Arbeitsplätze gibt, dafür aber viele AfD-Wähler*innen. | |
Wegziehen darf er nicht. Dass andernorts Firmen verzweifelt Arbeitskräfte | |
suchen, es Wohnraum gibt und vielleicht sogar schon Verwandte vor Ort | |
leben, wird ignoriert. | |
Zwei Pilotprojekte zeigen, wie es anders gehen könnte. Re:Match und | |
Match’In. In beiden [8][Projekten] geben Geflüchtete an, was ihnen wichtig | |
ist, und die Kommunen sagen, wen sie besonders gut unterbringen können. Ein | |
Algorithmus ordnet die Personen und Kommunen dann so zueinander, dass sie | |
möglichst gut zusammenpassen. Im besten Fall kann der Metallbauer dann bei | |
seinen Verwandten einziehen, während der Wärmepumpenhersteller eine neue | |
Fachkraft gewinnt. Freizügigkeit sollte sich aber nicht nur auf die | |
beschränken, die bestimmte Qualifikationen vorweisen können, sondern für | |
alle gelten. | |
Ein Problem ist aber auch die Art der Unterkünfte selbst. Vielerorts | |
dominieren große Sammelunterkünfte mit wenig Privatsphäre. In den oft | |
abgelegenen Einrichtungen sind die Menschen vom Rest der Gesellschaft | |
abgeschnitten. Das macht es schwer, sich einzufinden, Deutsch zu lernen | |
oder einen Job zu finden. Anwohner*innen versuchen oft, den Bau neuer | |
Sammelunterkünfte zu verhindern – teils aus rassistischen Ressentiments, | |
aber auch, weil anliegende Flüchtlingsunterkünfte in einer rassistischen | |
Gesellschaft einen Wertverlust der eigenen Immobilien bedeuten können. | |
Neben diesen sozialen Spannungen bedeuten die Sammelunterkünfte für die | |
Kommunen auch hohe Kosten. Zwielichtige Betreiberfirmen sparen oft an | |
Instandhaltung oder dem Essen, erhalten von den Kommunen aber Summen, die | |
weit über den üblichen Mieten auf dem privaten Markt liegen. | |
Eine Alternative ist die Unterbringung von Geflüchteten in regulären | |
Mietwohnungen. Diese sind oft billiger, bieten bessere Lebensbedingungen | |
und fördern den Kontakt zu Alteingesessenen. Beim Gespräch im Treppenhaus | |
merkt vielleicht auch der eine oder andere Aufnahme-Skeptiker, dass die | |
neuen Nachbarn eigentlich ganz nett sind. | |
Das offensichtliche Problem ist der vielerorts sehr angespannte Mietmarkt, | |
auf dem Geflüchtete mit ihren anfänglich schlechten Sprachkenntnissen und | |
wenigen Kontakten kaum eine Chance haben. Es würde zumindest etwas | |
leichter, wenn die Wohnsitzauflage gestrichen würde, die | |
Asylbewerber*innen an eine bestimmte Kommune fesselt. Ein größerer | |
Suchradius bedeutet schließlich auch mehr potenzielle Treffer. Dass dies | |
die Chancen zumindest etwas verbessert, hat sich 2022 bei den aus der | |
Ukraine geflüchteten Menschen gezeigt, für die diese Auflage nicht galt. | |
Außerdem könnten die Kommunen verstärkt darauf setzen, selbst | |
Privatwohnungen anzumieten, um dort Geflüchtete unterzubringen. | |
Letztendlich bräuchte es aber wohl das, was allen anderen Mieter*innen | |
auch hilft: Mietpreisdeckel und Neubau in großem Stil. | |
Sicherheit | |
Gewalttaten, die von Geflüchteten begangen werden, bekommen deutlich mehr | |
öffentliche Aufmerksamkeit und werden anders diskutiert als Taten von | |
Nichtzugewanderten. Während bei deutschen Täter*innen das Motiv im | |
Vordergrund steht, geht es bei tatverdächtigen Asylsuchenden sofort um | |
Aufenthaltsstatus und Herkunft. [9][Diese Doppelstandards sind nachgewiesen | |
und verzerren das Bild von Geflüchteten]. | |
Gleichzeitig gilt: Jede Gewalttat ist eine zu viel. Die Taten einzelner | |
Geflüchteter treffen nicht nur die Opfer und Angehörigen, sondern auch | |
Geflüchtete. Denn für ihre gesellschaftliche Akzeptanz sind diese Fälle | |
Gift. Auf die islamistische Messerattacke von Solingen im Herbst 2024 durch | |
einen Geflüchteten reagierte die Ampelkoalition mit einer massiven | |
Verschärfung des Asylrechts. Als ein psychisch kranker Geflüchteter in | |
Aschaffenburg ein Kleinkind und einen Erwachsenen erstach, stimmten Union | |
und AfD erstmals gemeinsam für die Zurückweisung von Asylsuchenden an den | |
Grenzen. | |
Geflüchtete werden außerdem selbst oft Opfer von Gewalttaten. Im Jahr 2024 | |
registrierten die Behörden insgesamt 1.905 rechte Straftaten gegen | |
Geflüchtete außerhalb von Unterkünften, darunter 237 Gewalttaten. Hinzu | |
kamen rund 200 politische Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte, bei denen | |
teilweise Menschen körperlich verletzt wurden. Die Dunkelziffern liegen | |
wohl noch viel höher. Auch in der Statistik aller politischen Gewalttaten | |
dominieren rechte Täter*innen. | |
Die Sicherheitslage verbessern könnte eine bessere Zusammenarbeit der | |
Landes- und Bundesbehörden, die bis heute unterschiedliche Datenplattformen | |
und Schnittstellen nutzen. Erkenntnisse über gefährliche Personen kommen so | |
teils nicht bei den zuständigen Stellen an. | |
Helfen könnte aber auch ein Ansatz aus den USA. Bei der | |
[10][Leaking-Analyse] werden Tatankündigungen durch Hinweise aus der | |
Bevölkerung in speziellen Anlaufstellen gesammelt. Denn es gibt typische | |
Verhaltensmuster, die fast ausschließlich von Personen gezeigt werden, die | |
später tatsächlich Verbrechen begehen. Wer etwa plant, viele Menschen zu | |
töten, befindet sich in einer psychischen Ausnahmesituation und hinterlässt | |
zwangsläufig Hinweise, macht Andeutungen und sucht im Internet nach ganz | |
bestimmten Begriffen. | |
Bislang versuchen die Behörden, gefährliche Personen hauptsächlich anhand | |
von Risikofaktoren zu identifizieren, beispielsweise persönliche | |
Verbindungen zu bekannten Islamist*innen oder Rechtsextremist*innen. | |
Das trifft jedoch auch auf sehr viele Menschen zu, die niemals gewalttätig | |
werden. | |
Hilfreich wären auch mehr Mittel für Präventionsprojekte und | |
Deradikalisierungsprogramme, die sich sowohl gegen Islamismus als auch | |
gegen Rechtsextremismus richten. Ein verbesserter Zugang zu psychologischer | |
Betreuung für Geflüchtete könnte möglicherweise einzelne Gewalttaten | |
verhindern. Bisher gibt es solche Angebote nur von den unterfinanzierten | |
psychosozialen Zentren. | |
Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass sich nicht alle Taten verhindern | |
lassen werden. Zumal die politische Stimmung die Lage derzeit eher anheizt. | |
Dass Geflüchtete stigmatisiert und diskriminiert werden, in | |
Massenunterkünften untergebracht und ohne Arbeits- oder | |
Ausbildungsperspektive in der Schwebe gehalten werden, kann schwere | |
psychische Krankheiten oder auch Radikalisierung begünstigen. Eine ehrliche | |
Sicherheitspolitik müsste sich diesen Herausforderungen stellen. | |
16 Aug 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://www.tagesschau.de/inland/deutschlandtrend/deutschlandtrend-3456.html | |
[2] /Forscher-ueber-Einwanderungspolitik/!6068188 | |
[3] /Abschiebung-von-Pflegekraeften/!6045722 | |
[4] /Fluechtlingsheim-in-Schmerwitz/!6086794 | |
[5] /Bericht-des-UNHCR-zu-Resettlement/!5662068 | |
[6] https://mediendienst-integration.de/fileadmin/Dateien/Expertise_Willkommens… | |
[7] https://pressemitteilungen.pr.uni-halle.de/index.php?modus=pmanzeige&pm… | |
[8] /Ein-Algorithmus-fuer-bessere-Integration/!6034867/ | |
[9] /Todesfahrt-in-Mannheim/!6070428 | |
[10] /War-der-Messerangriff-von-Bielefeld-zu-verhindern-Eine-Psychologin-teilt-… | |
## AUTOREN | |
Frederik Eikmanns | |
Franziska Schindler | |
## TAGS | |
Flüchtlingssommer | |
Migration | |
Asyl | |
GEAS (Gemeinsames Europäisches Asylsystem) | |
Zukunft | |
wochentaz | |
Lesestück Recherche und Reportage | |
GNS | |
Reden wir darüber | |
Geflüchtete | |
Flüchtlingssommer | |
Flüchtlingssommer | |
Podcast „Freie Rede“ | |
Bild-Zeitung | |
Islamismus | |
wochentaz | |
Asyl | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Weniger Geflüchtete in Deutschland: Entlastete Kommunen im Tausch für belaste… | |
Die neuen Zahlen über weniger Geflüchtete in Kommunen sind keine tolle | |
Nachricht. Sie sind vielmehr das Symptom einer menschenfeindlichen | |
Asylpolitik. | |
CDU-Mann Altmaier zum Flüchtlingssommer: „Wir standen vor einer sehr, sehr s… | |
Peter Altmaier war Kanzleramtschef, als Angela Merkel entschied, die | |
Grenzen offen zu lassen. Die CDU findet das heute falsch, die AfD | |
triumphiert. Ist das der Preis für 2015, Herr Altmaier? | |
10 Jahre Fluchtsommer: Warum uns 2015 bis heute beschäftigt – und trotz alle… | |
Ja, die AfD ist heute stark und der Kurs der Union zum Fürchten. Aber nicht | |
alles, was 2015 Hoffnung weckte, ist verloren. | |
Geschafft? Zehn Jahre nach der Ankunft: Willkommenskultur – was ist davon üb… | |
In der Podcastreihe „geschafft?“ berichten geflüchtete Journalist*innen, | |
die 2015 nach Deutschland kamen, über ihren Alltag. Selma Kral ist hier zu | |
Gast. | |
Geflohene gewinnen vor Gericht: Gericht stoppt „Bild“-Pranger | |
Nach einem Urteil des Landgerichts Frankfurt darf „Bild“ drei | |
Somalier:innen nicht mehr erkennbar zeigen – wegen unzulässiger | |
Stigmatisierung. | |
Psychologin über Gewalttaten: „In der Realität wird die Gefahr oft nicht er… | |
Sind Fälle wie der Messerangriff von Bielefeld zu verhindern? Psychologin | |
Rebecca Bondü erforscht, wie sich potenzielle Täter durch ihr Verhalten | |
verraten. | |
Flüchtlingsheim in Schmerwitz: Kunstraum statt Wohncontainer | |
Eine linke Gemeinde in Brandenburg will Geflüchteten einen guten Ort zum | |
Leben bieten und sie schnell in Arbeit bringen. Ginge das auch anderswo? | |
Integration von Geflüchteten: Gut angekommen | |
Die Kinder nennen sie Miss Tara. Vor zwei Jahren floh Masoume Taravatipak | |
aus dem Iran. Heute arbeitet sie als Lehrerin in Brandenburg. |