| # taz.de -- Prinzip Hoffnung: Hoffnung entsteht durch Beharrlichkeit | |
| > Die UN rügt Deutschland dafür, einen Geflüchteten auf die Straße gesetzt | |
| > zu haben. Das ist nicht nur ein juristischer Sieg. | |
| Bild: Es lohnt sich, für die eigenen Rechte zu kämpfen: Demonstrierende von S… | |
| In Deutschland, einem Land, das sich gern auf Menschenrechte beruft, musste | |
| ein junger Geflüchteter bis zu den Vereinten Nationen gehen, um sie | |
| einzuklagen. [1][Der UN-Sozialausschuss hat die Bundesregierung gerügt, | |
| weil sie Menschen auf die Straße setzt] – Geflüchtete, die im sogenannten | |
| Dublin-Verfahren sind, also in ein anderes EU-Land abgeschoben werden | |
| sollen. Ihnen dürfen laut Gesetz Unterkunft, Essen, Kleidung, medizinische | |
| Versorgung gestrichen werden. | |
| Der Fall, um den es jetzt ging, betrifft einen 20-jährigen Syrer im | |
| Thüringer Ilm-Kreis. Er wurde im Winter 2024 aus seiner Unterkunft | |
| geworfen. Unterstützt von Pro Asyl, dem Flüchtlingsrat Thüringen, einem | |
| Anwalt und der Gesellschaft für Freiheitsrechte, klagte er bis nach Genf | |
| und bekam Recht: Der UN-Sozialausschuss fordert, dass Deutschland ihn | |
| wieder unterbringt und mit dem Lebensnotwendigen versorgt. Zum ersten Mal | |
| in der Geschichte hat das Gremium Deutschland wegen eines Verstoßes gegen | |
| soziale Menschenrechte gerügt. Eine Ohrfeige für eine Regierung, die von | |
| sich behauptet, sie verteidige Humanität. | |
| Diese Entwürdigung ist politisch gewollt: [2][Im Oktober 2024 beschloss die | |
| Ampel (SPD, Grüne, FDP) ihr sogenanntes „Sicherheitspaket“.] Nach dem | |
| Anschlag von Solingen wollte die selbsternannte „Fortschrittskoalition“ | |
| Deutschland sicherer machen, indem es Geflüchtete entrechtete und obdachlos | |
| machte. Eine menschliche Bankrotterklärung. Von Anfang an warnten | |
| Expert*innen, Jurist*innen, Menschenrechtsorganisationen, Sozialverbände, | |
| Kirchen – alle sagten: Das ist rechtswidrig. Das verstößt gegen die | |
| Menschenwürde. Doch die Regierung hört, wie so oft, nicht zu. | |
| Seither haben Pro Asyl zufolge mehr als 60 Gerichte in Deutschland den | |
| Betroffenen, die gegen den Leistungsausschluss geklagt hatten, Recht | |
| gegeben. Und nun auch die Vereinten Nationen. Das ist mehr als ein | |
| juristischer Sieg: Es ist ein Signal an unsere Gesellschaft, dass es sich | |
| lohnt, für die eigenen Rechte zu kämpfen. Wenn Ungerechtigkeit und | |
| Entrechtung politisch beschlossen wird, macht es Hoffnung, dass es eine | |
| Zivilgesellschaft gibt, Anwält*innen und Aktivist*innen, die | |
| Gerechtigkeit erkämpfen. Der Rechtsstaat wird von unten verteidigt. | |
| Es ist leicht, sich ohnmächtig zu fühlen in Zeiten, in denen selbst eine | |
| Regierung, die sich „progressiv“ nennt, Schutz zum Risiko erklärt. Vor | |
| allem jetzt, wenn mit Union und SPD eine Regierung an der Macht ist, die | |
| [3][bewiesen hat, dass sie sich über Gerichtsentscheidungen hinwegsetzt, | |
| beispielsweise mit den Zurückweisungen an der deutschen Grenze.] Aber dann | |
| sieht man Menschen, die nicht aufgeben und ihre Rechte einklagen, und man | |
| begreift: Hoffnung entsteht durch Beharrlichkeit. | |
| Was bleibt, ist eine Frage, die jede*r für sich selbst beantworten muss: | |
| Was tun, wenn Gesetze Menschen entrechten? Wegsehen oder widersprechen? | |
| Schweigen oder handeln? Aus Prinzip Hoffnung zu haben bedeutet, in der | |
| Ungerechtigkeit nicht zu verharren, sondern sich seiner Rechte bewusst zu | |
| sein und für sie zu streiten. | |
| 3 Nov 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.proasyl.de/pressemitteilung/un-sozialausschuss-ruegt-menschenre… | |
| [2] /Sicherheitspaket-der-Ampel/!6042384 | |
| [3] /Zurueckweisungen-an-der-Grenze/!6088781 | |
| ## AUTOREN | |
| Daniela Sepehri | |
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