# taz.de -- Geflohene gewinnen vor Gericht: Gericht stoppt „Bild“-Pranger | |
> Nach einem Urteil des Landgerichts Frankfurt darf „Bild“ drei | |
> Somalier:innen nicht mehr erkennbar zeigen – wegen unzulässiger | |
> Stigmatisierung. | |
Bild: An der Grenze von Bild stigmatisiert werden ist nun hochamtlich unzuläss… | |
Berlin taz | Die Bild-Zeitung darf nun offiziell nicht mehr | |
„identifizierend“ über drei junge Somalier:innen berichten, die Anfang | |
Mai dieses Jahres erfolgreich gegen ihre Zurückweisung nach Polen geklagt | |
hatten. Mithilfe des Pro-Asyl-Rechtshilfefonds erreichten sie in einem | |
Eilverfahren gegen die Zeitung eine Unterlassungsverfügung des Landgerichts | |
Frankfurt am Main. | |
Die Vorgeschichte: Gleich nach Antritt der neuen schwarz-roten | |
Bundesregierung ordnete Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) an, dass die | |
Bundespolizei alle Asylsuchenden an den deutschen Grenzen zurückzuweisen | |
soll. Nur vulnerable Asylsuchende, etwa Minderjährige, sollten noch | |
einreisen können. Die meisten Flüchtlinge kommen nun einfach über die grüne | |
Grenze nach Deutschland. | |
Doch die drei Somalier:innen – zwei junge Männer, eine junge Frau – | |
konnten diesen Weg nicht gehen, weil die junge Frau eine Fußverletzung | |
hatte. Die drei Somalier:innen klagten deshalb mithilfe von Pro Asyl | |
aus Polen beim Verwaltungsgericht (VG) Berlin gegen die Zurückweisung und | |
erhielten Recht. In einem ausführlichen und grundsätzlich begründeten | |
Beschluss erklärte das VG Berlin die Zurückweisung für rechtswidrig. | |
Dobrindt stand nun unter starkem politischem Druck, denn er war vorab | |
monatelang gewarnt worden, dass die Zurückweisung von Asylsuchenden | |
rechtswidrig sei. Dobrindt erklärte die Berliner Beschlüsse jedoch zur | |
„Einzelfallentscheidung“ und hält an den Zurückweisungen fest. | |
Die Bild-Zeitung kritisierte nun aber nicht Dobrindt, sondern begann die | |
drei Somalier:innen ins Zwielicht zu ziehen, mit dem Titel: „So | |
tricksten drei Somalier den Asyl-Hammer herbei.“ | |
Immer wieder zitierte Bild dabei aus internen Vermerken der Bundespolizei, | |
sodass der Eindruck entstand, dass es hier eine enge Zusammenarbeit | |
zumindest mit einzelnen Beamt:innen geben könnte. Dabei wurde zum | |
Beispiel thematisiert, dass die Geburtsurkunde der jungen Frau, nach der | |
sie 16 Jahre alt ist, gefälscht sein könnte. Auf ihr Alter kam es rechtlich | |
freilich gar nicht an, da die Zurückweisungen generell als rechtswidrig | |
eingestuft wurden. | |
Im Mittelpunkt des Frankfurter Gerichtsverfahrens stand nun ein Bericht der | |
Bild von Ende Juni, der online unter der Überschrift veröffentlicht wurde: | |
„Nimmt Litauen die drei Somalier zurück?“ | |
Dort teilte der Bild-Chefreporter Nikolaus Harbusch mit, dass inzwischen | |
das Dublin-Verfahren begonnen hat, mit dem der für das Asylverfahren | |
zuständige EU-Staat festgestellt werden soll. In der Berliner Außenstelle | |
des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) habe inzwischen die | |
Anhörung der drei Somalier:innen stattgefunden. Möglicherweise komme es | |
schon bald zur Überstellung der drei nach Litauen oder Polen. Bisher ist | |
das noch nicht erfolgt. | |
In dem Bild-Artikel wurden die drei Flüchtlinge mit passbildartigen Fotos | |
abgebildet, unverpixelt und ohne schützenden Balken vor den Augen. | |
Möglicherweise stammen die Fotos von deutschen Behörden. | |
## Persönlichkeitsrecht der Flüchtlinge überwiegt | |
Die Flüchtlinge haben Bild jedenfalls keine Fotos überlassen und auch keine | |
Erlaubnis zur Nutzung solcher Fotos gegeben. Unter den Fotos standen die | |
jeweiligen Namen, wobei jeweils nur der Vorname ausgeschrieben war und die | |
Nachnamen auf den ersten Buchstaben verkürzt waren. | |
In schmal begründeten Beschlüssen erließ das Frankfurter Gericht | |
Unterlassungsverfügungen gegen Axel Springer Deutschland. Bild darf nicht | |
mehr mit Fotos und teil-ausgeschriebenen Namen über die drei | |
Somalier:innen berichten. Dabei betonte das Gericht, dass es sich nicht | |
gegen die kritische Berichterstattung an sich wende, diese sei sogar „von | |
hohem öffentlichen Interesse“. | |
Unzulässig sei nur die identifizierende Berichterstattung, insbesondere | |
wenn sie die Einzelschicksale „in stigmatisierender Weise“ nutze, in dem | |
sie die drei Flüchtlinge „an einen Online-Pranger stellt“. Die in einer | |
Reihe stehenden Fotos wirkten „vergleichbar einem Steckbrief“, auch weil in | |
dem Bericht davon die Rede sei, dass sich die Flüchtlinge angeblich | |
„illegal in Deutschland“ aufhalten. Bereits der ausgeschriebene, „in | |
Deutschland nicht weit verbreitete Vornamen“ könne auch zur Identifizierung | |
führen. | |
In der Abwägung mit dem Berichterstattungsinteresse der Bild-Zeitung kommt | |
das Landgericht zu dem Schluss, dass das Persönlichkeitsrecht der | |
Flüchtlinge überwiege. Deren hohe Schutzwürdigkeit ergebe sich zum einen | |
aus ihrem jungen Alter. Außerdem mache eine identifizierende | |
Berichterstattung eine „jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht | |
ausgeschlossene“ Integration in Deutschland unmöglich. | |
Jedenfalls „vorerst“ habe die Entscheidung des VG Berlin den drei | |
Somalier:innen eine „Bleibeperspektive“ in Deutschland eröffnet. Gegen | |
die Verfügung kann der Springer Verlag noch Rechtsmittel einlegen. | |
14 Aug 2025 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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