# taz.de -- 10 Jahre Fluchtsommer: Warum uns 2015 bis heute beschäftigt – un… | |
> Ja, die AfD ist heute stark und der Kurs der Union zum Fürchten. Aber | |
> nicht alles, was 2015 Hoffnung weckte, ist verloren. | |
Bild: Einige Flüchtlinge tragen Fotos der deutschen Bundeskanzlerin Angela Mer… | |
Anfang 2015 lag die SPD in Umfragen bei mehr als 26 Prozent, das große | |
Thema war die griechische Schuldenkrise, und Corona war nur ein | |
beschissenes Bier. Es war eine andere Zeit. Dann kamen die Geflüchteten. | |
Und plötzlich stehen wir in der Gegenwart. | |
Bis heute ringt Deutschland mit den Fragen, [1][die sich im Sommer 2015 | |
auftaten]. Friedrich Merz hätte es ohne Angela Merkels „Wir schaffen das“ | |
wohl nie ins Kanzleramt geschafft. Zehn Jahre kauten die Konservativen in | |
der Union darauf herum, dass sich die Kanzlerin gegen Zurückweisungen an | |
den Grenzen entschieden hatte. Als eine Art Anti-Merkel soll Merz die Wunde | |
heilen. Dann ist da die AfD, die Anfang 2015 in Umfragen zeitweise bei 3 | |
Prozent lag. Im Sommer 2015 wurde die tot geglaubte Rechts-außen-Partei | |
wieder groß und setzte sich mit toxischer Hetze gegen Geflüchtete im | |
politischen System fest. | |
Nicht nur Deutschland, die ganze EU ringt noch immer damit, wie weit zu | |
gehen sie bereit ist, um Asylsuchende fernzuhalten. Nach wie vor sterben | |
Geflüchtete bei fürchterlichen Bootsunglücken, die sich leicht verhindern | |
ließen. In Griechenland stoßen Grenzschützer die Boote einfach aufs | |
Mittelmeer zurück, an den Außengrenzen der EU stehen Zäune gespickt mit | |
Klingendraht. | |
Mit den Regimen in Libyen, Ägypten, der Türkei und anderen Staaten [2][gibt | |
es schmutzige Deals, damit sich von dort niemand mehr auf den Weg macht]. | |
Und mit der jüngsten Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems | |
können sogar Kinder an den Außengrenzen interniert werden. Aber: Trotz | |
allem, was folgte, bleibt der Sommer 2015 eine Verheißung. Kurz blickten | |
wir in eine Welt, in der ein reiches Land wie Deutschland seine Kraft | |
nutzt, um denen zu helfen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen. Eine | |
CDU-Kanzlerin tat das moralisch Richtige, Hunderttausende halfen an den | |
Bahnhöfen, einige fuhren nach Budapest, um Geflüchtete herzubringen. | |
Seenotrettungsorganisationen gründeten sich, und Lokalpolitiker*innen | |
schoben Nachtschichten, um Unterkünfte für neu Ankommende zu organisieren. | |
Es war eine Zeit, in der man kein Wahlrecht brauchte, um Politik | |
mitzugestalten. Die eigentlichen Akteur*innen waren die Geflüchteten. Sie | |
waren es, die an der Grenze zwischen Griechenland und Mazedonien | |
Polizeiabsperrungen überwanden. Und sie entschieden, auf der Autobahn in | |
Richtung Österreich zu gehen, als Polizist*innen sie am Bahnhof | |
Budapest-Keleti an der Weiterreise hinderten. Das ungerechte und | |
dysfunktionale Dublin-System zur Verteilung der Geflüchteten kollabierte. | |
Menschen waren nicht mehr auf Schleuser*innen angewiesen. | |
Bewegungsfreiheit für alle wurde kurz zur Realität. | |
Nicht alles, was damals Hoffnung weckte, ist verloren. Ja, die AfD ist | |
heute stark und der Kurs der CDU/CSU zum Fürchten. Aber vor etwas mehr als | |
einem Jahr gingen Millionen gegen die rechtsextreme Forderung der | |
Remigration auf die Straße. Die Zäune und die Pushbacks sind Realität, aber | |
weiterhin auch die Seenotrettungsorganisationen und die | |
zivilgesellschaftlichen Projekte. | |
In fünf Sonderausgaben widmet sich die taz über die nächsten Monate hin dem | |
Jahr 2015, dessen Folgen und der Zukunft von Migrationspolitik. Über die | |
Zeitungsseiten ziehen sich die Gedichte von Lyriker*innen, die in | |
Deutschland Schutz gefunden haben vor Verfolgung, Krieg, Unterdrückung. | |
Im Umgang mit Geflüchteten zeigt sich, wie es um eine Gesellschaft steht, | |
wie soziale, politische und ökonomische Rechte verhandelt werden; ob sie | |
auch die mitbedenkt, die wenig mitbestimmen dürfen. Deutschland hat sich | |
noch nicht entschieden. | |
15 Aug 2025 | |
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## AUTOREN | |
Frederik Eikmanns | |
Franziska Schindler | |
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