| # taz.de -- Flüchtlingsheim in Schmerwitz: Kunstraum statt Wohncontainer | |
| > Eine linke Gemeinde in Brandenburg will Geflüchteten einen guten Ort zum | |
| > Leben bieten und sie schnell in Arbeit bringen. Ginge das auch anderswo? | |
| Bild: Die Fotografin Sareh Oveysi ist über ihre Arbeit mit den Bewohnerinnen v… | |
| Schmerwitz und Wiesenburg/Mark Die Gäste sind überpünktlich, und das ist | |
| ein Problem. Kein unlösbares, aber eines, das von Klaas Glenewinkel | |
| Flexibilität verlangt. Wohl deshalb hetzt der 54-Jährige, das Hemd in die | |
| Jeans gesteckt, die kurzen grauen Haare nach hinten gegelt, von einem zum | |
| nächsten. Er stellt noch schnell die Lautsprecher auf, dann kann es | |
| losgehen. | |
| Klaas Glenewinkel eröffnet an diesem Freitagabend eine Kunstausstellung im | |
| brandenburgischen Bad Belzig. Zu sehen sind Fotografien von Sareh Oveysi. | |
| Die 36-jährige Iranerin ist vor dem Regime in ihrer Heimat geflohen. Dort | |
| hat sie [1][Frauen ohne Kopftuch] fotografiert, nun sind es Bewohnerinnen | |
| von Schmerwitz, einem Dorf in der Nähe von Bad Belzig. Die meisten von | |
| ihnen sind weit über 50 Jahre alt. Und kommen lieber zu früh als zu spät. | |
| Die Kunstausstellung findet in einem modernisierten Burgkeller statt. Statt | |
| Stühlen gibt es Barhocker und Stehtische, später soll ein DJ auflegen, der | |
| sonst [2][in Berliner Clubs] sein Geld verdient. Die Porträtfotos sind | |
| schwarz-weiß und ausdrucksstark. Entstanden sind sie wenige Monate nach | |
| Sareh Oveysis Ankunft in Schmerwitz. | |
| Die Shootings waren Akt, auch wenn man auf den Fotos nur Gesicht und | |
| Schultern sieht, sagt Oveysi in ihrer Eröffnungsrede auf Englisch. | |
| Irgendwie ist es ihr trotz sprachlicher und kultureller Barrieren gelungen, | |
| die älteren Frauen des kleinen Brandenburger Dorfs nackt vor die Linse zu | |
| bekommen. Oveysi wirkt schüchtern. Nach zwei Minuten verlässt sie die Bühne | |
| und übergibt das Mikrofon an Klaas Glenewinkel. Sie bekommt viel Applaus. | |
| Ein Abend im Februar 2025, aber es fühlt sich an wie ein 2015-Moment: | |
| Deutsche Willkommenskultur trifft auf Geflüchtete, es gibt wohlwollende | |
| Annäherungsversuche von beiden Seiten. Im Burgkeller von Bad Belzig scheint | |
| es so, als hätte es die vergangenen 10 Jahre nicht gegeben – die | |
| [3][Silvesternacht in Köln], die [4][rassistischen Morde in Hanau], die | |
| [5][endlosen Debatten um Obergrenzen] und Integration. Der Hass und die | |
| Verbitterung da draußen sind weit weg. | |
| ## Podcastraum, Videoschnittplätze und Fitnessstudio | |
| Sareh Oveysi lebt seit Juli 2024 im Exile Media Hub, einer | |
| Flüchtlingsunterkunft in Schmerwitz, die von Klaas Glenewinkels NGO „Media | |
| in Cooperation and Transition“ geleitet wird. Sie richtet sich explizit an | |
| Kunst- und Medienschaffende und ihre Familien. In dem vierstöckigen Gebäude | |
| wohnen und arbeiten aktuell 37 Menschen, die sonst wohl in [6][riesigen | |
| Erstaufnahmeeinrichtungen oder tristen Sammelunterkünften] auf ihren | |
| Asylbescheid warten würden. | |
| Dort müssen Geflüchtete teilweise in riesigen Hallen oder in Wohncontainern | |
| mit Stockbetten leben. Im Exile Media Hub gibt es Einzel- oder | |
| Familienzimmer. Vor allem haben die Bewohner:innen hier alles, was sie | |
| für ihre Arbeit brauchen: einen Podcastraum, Videoschnittplätze, | |
| Laptoparbeitsplätze in schalldichten Kabinen, ein Fitnessstudio, einen | |
| Kunstraum mit Staffeleien und Leinwänden, sogar Yogamatten. | |
| Klaas Glenewinkel möchte, dass die Geflüchteten mit ihren Laptops, Kameras | |
| und Leinwänden da weitermachen, wo sie vor ihrer Flucht aufgehört haben. | |
| Sie sollen so schnell wie möglich in Jobs vermittelt werden. Aber das ist | |
| nur der erste Schritt. Das Exile Media Hub ist ein Modellprojekt. Geht es | |
| nach Glenewinkel, gibt es bald noch mehr solcher Unterkünfte, nicht nur für | |
| Kunst- und Medienschaffende, sondern beispielsweise auch für | |
| Pflegepersonal. | |
| Eine humanere [7][Unterbringung von Geflüchteten], verbunden mit einer | |
| [8][schnellen beruflichen Integration], das klingt wie die | |
| institutionalisierte Form der Willkommenskultur. Aber geht dieses Konzept | |
| wirklich auf? Und wie viel Zukunft hat ein solches Projekt, wenn sich das | |
| gesellschaftliche Klima immer weiter nach rechts verschiebt und Gelder für | |
| Integrationsprojekte gestrichen werden? | |
| ## Die Berufe der Geflüchteten werden nicht erfasst | |
| Ein sonniger Tag Mitte März, der Winter ist vorbei, aber die Luft noch | |
| eiskalt. Julianne Becker, US-Amerikanerin, 46 Jahre alt, fährt in einem | |
| lilafarbenen Ford Fiesta am Bahnhof Bad Belzig vor. Sie hat in der Nähe | |
| von Schmerwitz ein Unternehmen gegründet – beim „workation retreat“ kön… | |
| gestresste Berliner:innen ihren Laptop im Grünen ausklappen – und | |
| kümmert sich im Nebenjob um das Wohlbefinden und die berufliche Zukunft der | |
| Geflüchteten. Sie überarbeitet Lebensläufe, sucht nach | |
| Bildungsinstitutionen mit Deutschkursen, ist eine Art | |
| Ein-Frau-Arbeitsagentur. | |
| Auf der Autofahrt nach Schmerwitz erzählt Becker, wie sie die ersten | |
| Bewohner gefunden haben: „Klaas und eine Kollegin haben bei den | |
| Erstaufnahmeeinrichtungen angefragt, ob sie Journalist:innen auf ihr | |
| Angebot aufmerksam machen dürfen. Dabei ist ihnen aufgefallen, dass in | |
| keiner Einrichtung die Berufe der Geflüchteten erfasst werden. Also haben | |
| sie sich vor Ort umgeschaut und die Menschen angesprochen, die in den | |
| Aufenthaltsräumen künstlerisch tätig waren.“ | |
| So lernten sie Sareh Oveysi kennen und auch William Mnguni, der vor der Tür | |
| des Exile Media Hub wartet. Das Gebäude wurde zu DDR-Zeiten als Kaserne | |
| genutzt, in der Zwischenzeit aber renoviert. Aus einem offenen Fenster | |
| dröhnt Techno. Mnguni trägt schulterlange Dreads, einen lilafarbenen | |
| Kapuzenpulli und bittet herein. Im Eingangsbereich gibt es ein Büro für den | |
| Sicherheitsdienst, ein Büro für Sozialarbeiter:innen und | |
| Laptoparbeitsplätze für die Bewohner:innen und das Dorf. Auch andere | |
| Menschen aus Schmerwitz sind jederzeit willkommen, der Austausch gehört zum | |
| Konzept. | |
| Mnguni geht den Flur entlang, vorbei an einer Pinnwand mit QR-Codes für den | |
| „Antrag Zulassung Integrationskurs“ und den „Antrag Krankenversicherung�… | |
| das Kunstzimmer. Hier stehen Leinwände, Staffeleien und Farbpaletten. Das | |
| Media Hub sei für ihn ein „kleines Paradies“, sagt Mnguni. | |
| Die Miete für das Gebäude und den Sozialdienst finanziert der Landkreis | |
| Potsdam-Mittelmark, wie bei jeder anderen Flüchtlingsunterkunft auch. In | |
| Schmerwitz kommen jedoch zusätzliche Kosten hinzu, etwa für die technische | |
| Ausstattung oder die intensive Betreuung bei der Arbeitssuche. Dafür hat | |
| das Land Brandenburg seit Projektbeginn vor rund einem Jahr zusätzlich | |
| 120.000 Euro zur Verfügung gestellt. | |
| Einzelne Workshops, etwa zu Audioproduktion oder künstlicher Intelligenz in | |
| der kreativen Arbeit, wurden von Unternehmen wie Amazon und Google | |
| gesponsert. Doch die Weiterfinanzierung wackelt derzeit, die [9][Koalition | |
| aus SPD und BSW im Brandenburger Landtag] hat noch keinen Haushalt für das | |
| Jahr 2025 verabschiedet. Klaas Glenewinkel will das Media Hub zur Not auf | |
| Spendenbasis weiterbetreiben. | |
| ## Die Arbeitsaufnahme ist kompliziert | |
| Bevor William Mnguni nach Schmerwitz kam, war er in der | |
| Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt. Der Ort wirkte hoffnungslos, | |
| erzählt er, das Leben war wie ein Uhrwerk und die Menschen hatten keine | |
| Motivation weiterzumachen. „Hätten sie dort die gleichen Möglichkeiten wie | |
| wir hier, könnten sie Großes leisten“, ist der Südafrikaner überzeugt. | |
| Im Exile Media Hub hat Mnguni gemeinsam mit Sareh Oveysi einen Podcast | |
| produziert und Musikvideos veröffentlicht. Außerdem arbeitet er als | |
| Aushilfe in Julianne Beckers Unternehmen. „Den Arbeitsvertrag selbst zu | |
| schreiben, die richtigen Worte zu finden, mit denen das Arbeitsamt | |
| zufrieden ist, das war nicht einfach. Aber viele wissen gar nicht, dass man | |
| diese Leute einstellen kann“, sagt Becker. Gemeint sind Geflüchtete, die | |
| auf ihren Asylbescheid warten. | |
| Tatsächlich ist die Arbeitsaufnahme kompliziert. Während der Zeit in den | |
| zentralen Aufnahmeeinrichtungen gilt für Geflüchtete ein [10][striktes | |
| Arbeitsverbot], das in den meisten Fällen erst mit der Weiterverteilung in | |
| Gemeinschaftsunterkünfte endet. Grob gilt dann: Sofern sie nicht aus | |
| [11][sogenannten sicheren Herkunftsländern] kommen und die Agentur für | |
| Arbeit zustimmt, können sie normal arbeiten. | |
| Allerdings gibt es von offizieller Seite kaum Vermittlungsangebote speziell | |
| für Geflüchtete. Großangelegte Programme des Bundesarbeitsministeriums | |
| richten sich nur an Geflüchtete, die bereits Bürgergeld beziehen. Das sind | |
| anerkannte Asylbewerber*innen sowie Personen aus der Ukraine, die | |
| ohnehin kein Asylverfahren durchlaufen müssen. | |
| ## Keine beschmierten Wände | |
| Zurück im Eingangsbereich verabschiedet ein Sicherheitsmann gerade eine | |
| Sozialarbeiterin. Auf Nachfrage sagt er, er habe hier noch nichts [12][mit | |
| Rechten zu tun] gehabt, nicht einmal mit beschmierten Wänden. „Ich habe die | |
| 90er Jahre miterlebt, da hat alles gebrannt“, sagt er. „Aber die Leute hier | |
| haben andere Sorgen, die Zukunft, die Sicherheit, die Preise, das ganze | |
| Programm.“ | |
| William Mnguni dagegen hat schon mit Rechten zu tun gehabt, glaubt er | |
| zumindest. Nicht in Schmerwitz, wo jeder jeden kennt, sondern in | |
| Wiesenburg, dem größten Ort der Gemeinde. Er sei mit einigen Bewohnern in | |
| den Supermarkt gegangen und habe draußen die Fahrräder angeschlossen. Als | |
| sie zurückkamen, seien ihre Reifen zerstochen gewesen, die der anderen | |
| Räder links und rechts aber nicht. | |
| In Wiesenburg steht auch das Rathaus, in dem [13][Bürgermeister Marco | |
| Beckendorf] arbeitet. Schmerwitz und Wiesenburg liegen knapp außerhalb des | |
| Berliner Speckgürtels, die Fahrt mit der Regionalbahn zum Berliner | |
| Hauptbahnhof dauert etwas länger als eine Stunde. Beckendorf ist 43 Jahre | |
| alt, er trägt eine blaue Krawatte und eine blaue Chinohose, in der ein | |
| weißes Hemd steckt. | |
| In der Gemeindevertretung Wiesenburg/Mark hat er etwas, wovon viele | |
| progressive Politiker:innen nur träumen können: eine linke Mehrheit. | |
| Die Linkspartei, für die er angetreten ist, brachte es in der Gemeindewahl | |
| von Juni 2024 zusammen mit Grünen und SPD auf 54,1 Prozent. | |
| Marco Beckendorf war es, der das Projekt Exile Media Hub in der Gemeinde | |
| angestoßen hat. Für ihn ist das Hub ein Rädchen in einem großen Plan, den | |
| er „aktive Regionalentwicklung“ nennt. Die Gemeinde restauriert ein | |
| ehemaliges VEB-Gelände, in das nun Kleingewerbe, Ateliers und | |
| Hobbywerkstätten einziehen sollen, versucht Projekte wie den | |
| Co-Working-Space von Julianne Becker oder Wohnanlagen für | |
| gemeinschaftliches Wohnen in der Gemeinde anzusiedeln. Der ganze Plan ist | |
| auf einer digitalen Anzeige am Eingang des Rathauses zu sehen. | |
| Drinnen, im zweiten Stock des Gebäudes, befindet sich Beckendorfs Büro. Den | |
| größten Teil des Raumes nimmt ein großer Konferenztisch ein. Beckendorf ist | |
| gebürtiger Brandenburger, hat aber auch lange in Berlin gelebt. Er will mit | |
| dem Exile Media Hub zu einem [14][anderen Narrativ von Brandenburg] | |
| beitragen, das gibt er unumwunden zu. Brandenburg, das soll auch für offene | |
| Menschen stehen, für funktionierende Gemeinden, ein lebenswertes Leben auf | |
| dem Land. | |
| ## Die Gemeinde erlebte eine Art zweite Wende | |
| In einer Rezession müsse die öffentliche Hand besonders stark eingreifen, | |
| sagt Beckendorf, der erst Regionalwissenschaften und dann Steuern und | |
| Finanzen studierte. In den vergangenen Jahren habe es in seiner Kommune | |
| eine Art zweite Wende gegeben. „Die Investoren aus den alten Bundesländern | |
| haben ihre Zelte abgebrochen, nachdem keine Fördermittel mehr geflossen | |
| sind.“ Er versuche nun, die Gemeinde wiederzubeleben. Sein Ziel seien 4.300 | |
| Einwohner, derzeit sind es rund 4.200. Um diese Marke zu erreichen, braucht | |
| es vielleicht auch die Geflüchteten. | |
| Beckendorf ist seit 2015 Bürgermeister. In der vergangenen | |
| Legislaturperiode wehrte sich die Gemeinde noch gegen die Vorgabe des | |
| Landkreises Potsdam-Mittelmark, 110 Geflüchtete in Schmerwitz aufzunehmen. | |
| Die Argumente: Man habe nicht das geeignete Personal, um die Menschen zu | |
| unterstützen, man könne hier keine Arbeit finden, die Anbindung sei | |
| schlecht und der Weg zu den Deutschkursen zu weit, außerdem wollten die | |
| Menschen gar nicht herkommen. | |
| Die Argumente gelten teilweise heute auch für das Exile Media Hub. Doch | |
| diesmal hat sich Beckendorf für die Unterbringung eingesetzt. Auch wegen | |
| der Größenordnung: 35 bis 40 Personen seien machbar, 110 zu viel, sagt der | |
| Bürgermeister. | |
| Um die Schmerwitzer:innen zu überzeugen, luden Beckendorf und Klaas | |
| Glenewinkel zu einer informellen Abstimmung vor dem Gebäude des heutigen | |
| Media Hub. Von den 200 Einwohner:innen seien etwa 30 gekommen, erzählt | |
| Beckendorf. Von denen hätten sich 22 der Stimme enthalten und 8 dafür | |
| gestimmt. Gegenstimmen habe es also keine gegeben. „Schmerwitz ist ein sehr | |
| sozial geprägter Ort, der durch viel Zuzug schon immer ein bisschen | |
| alternativ war“, sagt Beckendorf. | |
| Der Ausländeranteil in der Gemeinde Wiesenburg/Mark liegt bei knapp 8 | |
| Prozent. Auf die rund 4.200 Einwohner:innen kommen 321 Ausländer:innen, | |
| davon ungefähr 66 aus der EU. Das ist im Vergleich zu Großstädten wie | |
| Berlin oder Köln sehr wenig, liegt aber im Brandenburger Durchschnitt. In | |
| Schmerwitz leben neben den Kunst- und Medienschaffenden im Media Hub auch | |
| ukrainische Geflüchtete, Beckendorf schätzt den Ausländeranteil im Dorf auf | |
| etwa ein Drittel. Das ist mehr als in den meisten Großstädten. | |
| ## Der AfD ist das Media Hub ein Dorn im Auge | |
| Das stößt einigen auf, [15][vor allem der AfD]. Im Landkreis | |
| Potsdam-Mittelmark stellte die AfD-Fraktion eine Anfrage im Kreistag, die | |
| der taz vorliegt. Darin enthalten sind Nachfragen zur Finanzierung des | |
| Exile Media Hub, zur Arbeitsmarktintegration der Bewohner:innen sowie | |
| die Bitte um detaillierte Angaben zu Herkunft, Rechtsstatus und | |
| Deutschkenntnissen. Die Fraktion möchte zudem wissen, inwieweit sich die | |
| Bewohner:innen für Deutschland einsetzen und mit wem sie sich | |
| vernetzen. | |
| Die Bundestagsfraktion der AfD hatte bereits im Dezember [16][eine Kleine | |
| Anfrage] zur Förderung des Exile Media Hub gestellt. Darin wird der | |
| Bundestag darauf hingewiesen, dass sich Glenewinkels NGO abfällig über die | |
| AfD geäußert habe, weil das unterdurchschnittliche Wahlergebnis der Partei | |
| bei der Wahl zur Gemeindevertretung in Wiesenburg auf der eigenen Homepage | |
| mit „Noch ein Grund weshalb wir uns in der Gemeinde so wohl fühlen“ | |
| kommentiert wurde. | |
| Von den Rechtsextremen will sich Klaas Glenewinkel aber nicht aufhalten | |
| lassen. Im Gegenteil: Er plant, das Projekt zu erweitern. Vor Kurzem sei er | |
| im Krankenhaus Bad Belzig gewesen, erzählt er Mitte April am Telefon. „Ich | |
| bin total erschrocken, wie drastisch sich der Fachkräftemangel zeigt. Es | |
| fehlen wirklich überall Leute.“ Seitdem habe er zusammen mit der | |
| Krankenhausverwaltung erste Pläne erarbeitet, wie auch Pfleger:innen | |
| unter Geflüchteten rekrutiert werden könnten. | |
| Die Idee: Das Krankenhaus bildet die Geflüchteten aus, das Exile Media Hub | |
| vermittelt eine Unterkunft. Auch andere Gesundheitseinrichtungen in der | |
| Region will Glenewinkel kontaktieren. Er geht davon aus, dass die | |
| Arbeitsvermittlung relativ kostengünstig umgesetzt werden könnte. Pro 30 | |
| Geflüchtete brauche es nicht mehr als eine zusätzliche Stelle, um | |
| Absprachen mit potenziellen Arbeitgebern zu organisieren und die | |
| Berufseinsteiger:innen zu betreuen. | |
| „Wir wollen kein Projekt nur für gebildete Geflüchtete aus oberen Schichten | |
| sein“, sagt Glenewinkel. „Warum nicht auch Pfleger und Pflegerinnen im Haus | |
| unterbringen oder Kfz-Mechaniker?“ Bislang richtet sich das Angebot an | |
| ausgebildete Journalist:innen und studierte Künstler:innen. Die | |
| Personalnot örtlicher Unternehmen wird mit ihnen nicht gelindert. | |
| Dass das aber prinzipiell möglich sei, davon ist Glenewinkel überzeugt. Im | |
| Grunde gehe es nur darum, eine Person einzustellen, die den Kontakt | |
| zwischen den Menschen in den Unterkünften und den Unternehmen in der Region | |
| herstellt, sagt er. „Man muss nur alle Akteure zusammenkoppeln.“ | |
| ## Fachleute schätzen Glenewinkels Ansatz | |
| Ist es wirklich so einfach? Bei Fachleuten kommen Glenewinkels Ideen gut | |
| an. Das Modell Schmerwitz sei „ein guter Startpunkt“, sagt der Soziologe | |
| Denis Zeković vom [17][Deutschen Zentrum für Integrations- und | |
| Migrationsforschung] (Dezim). Man könne das durchaus auch andernorts | |
| gewinnbringend aufgreifen – „allerdings nicht eins zu eins“. | |
| Vielmehr müsse es darum gehen, die zentralen Lehren aus Schmerwitz zu | |
| übertragen. Zum Beispiel, indem man mehr Personal für die berufliche | |
| Betreuung der Geflüchteten einstelle. In der lokalen Verwaltung der | |
| Kommunen könnten die Abteilungen für Integration und die | |
| Wirtschaftsförderung besser zusammenarbeiten. | |
| Viele andere Hürden auf dem Weg in den Arbeitsmarkt blieben jedoch | |
| bestehen, wenn das Modell Schmerwitz in größerem Maßstab eingeführt würde, | |
| sagt Zeković. Fehlende Deutschkenntnisse etwa seien in vielen Fällen ein | |
| Problem, insbesondere wenn in kleinen Betrieben die Arbeitgeber kein gutes | |
| Englisch sprechen. Die vorige Bundesregierung kürzte die [18][Mittel für | |
| Sprachkurse dramatisch.] | |
| Oder der psychische Druck, der auf den Geflüchteten laste, solange ihr | |
| Asylverfahren läuft. „Da kann sich kaum jemand richtig konzentrieren.“ Und | |
| auch die Anerkennung von Berufsqualifikationen funktioniere weiterhin nur | |
| holprig. „Oft haben die Leute im Herkunftsland jahrelange Berufserfahrung, | |
| aber keine formale Ausbildung mit Nachweis“, sagt Zeković. | |
| ## Nur ein Bewohner hat bisher eine Festanstellung | |
| Tatsächlich ist die Bilanz der Vermittlungsversuche in Schmerwitz bisher | |
| durchwachsen. Nur eine:r der Bewohner:innen hat den Sprung in die | |
| Festanstellung geschafft. Viele andere aus der ersten | |
| Bewohner:innen-Generation wurden für einzelne Projekte bei Firmen in der | |
| Region angeheuert. | |
| Bei der Lokalzeitung Brandenburger Wochenblatt schreiben die | |
| Bewohner:innen regelmäßig eine Kolumne, in der sie aus ihrem Leben | |
| berichten. Und Radio Potsdam sendet einmal im Monat eine Livesendung, die | |
| einer der Geflüchteten aus Schmerwitz moderiert. „Sehr stolz“, sei er auf | |
| all das, sagt Klaas Glenewinkel, räumt aber ein: „Wir hatten gehofft, dass | |
| die Vermittlung in feste Arbeitsplätze schneller und besser funktioniert.“ | |
| Neben anfänglichen Orientierungsschwierigkeiten und Sprachbarrieren habe | |
| das auch mit dem [19][hohen bürokratischen Aufwand] zu tun. „Grundsätzlich | |
| ist das Interesse bei den Firmen groß“, sagt Glenewinkel. „Aber alle haben | |
| Angst vor dem Papierkram.“ | |
| Die Agentur für Arbeit prüft jeden Arbeitsvertrag von Geflüchteten, um | |
| Ausbeutung zu verhindern. Hinzu kommt, dass bei Asylbewerber:innen | |
| immer die Gefahr besteht, dass ihr Schutzantrag negativ beschieden wird. | |
| Unter Umständen wird ein gerade mühsam eingearbeiteter Angestellter dann | |
| sogar abgeschoben. | |
| ## Der Zeitgeist ist flüchtlingsfeindlich | |
| In Umfragen spricht sich inzwischen eine Mehrheit der Deutschen gegen das | |
| [20][individuelle Asylrecht aus]. Zwar ist noch nicht klar, wie weit die | |
| neue Bundesregierung unter Friedrich Merz bei den Zurückweisungen | |
| Asylsuchender wirklich geht. Noch könnten die EU-Nachbarländer oder der | |
| Europäische Gerichtshof die Pläne vereiteln. Doch der Zeitgeist ist | |
| flüchtlingsfeindlich. Ist ein Projekt wie das Exile Media Hub da nicht | |
| hoffnungslos aus der Zeit gefallen? | |
| Es ist das erste Mal im Telefongespräch, dass Glenewinkel nur zögerlich | |
| antwortet. „Die Unterkünfte sind immer noch voll“, sagt er und wird dann | |
| doch wieder kämpferisch: „Es geht um die Leute, die bei uns sein wollen, | |
| die es schaffen wollen. Mit denen lässt sich was reißen.“ | |
| Für die Bewohner:innen im Media Hub geht das Leben weiter wie gewohnt. | |
| Zweimal pro Woche fahren sie zum Deutschkurs nach Berlin, wer kann, geht | |
| zum Arbeitsamt. Alle warten auf ihren endgültigen Asylbescheid. William | |
| Mnguni arbeitet als Aushilfe bei Julianne Becker, macht Musik und arbeitet | |
| an einem Podcast. | |
| Sareh Oveysi eröffnet Mitte Mai ihre nächste Fotoausstellung und sucht nach | |
| Möglichkeiten, einen neuen Dokumentarfilm über Liebe und Freiheit zu | |
| zeigen. Sie sagt: „Ehrlich gesagt habe ich manchmal das Gefühl, dass in | |
| kleinen Dörfern eine tiefere Verbundenheit herrscht – etwas Realeres als in | |
| großen Städten. Diese Orte wirken auf mich heilend; manchmal möchte man | |
| einfach nur gut sein, selbst in einem stillen Winkel der Welt.“ | |
| 18 May 2025 | |
| ## LINKS | |
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| [16] https://dserver.bundestag.de/btd/20/141/2014134.pdf | |
| [17] /Waehlen-mit-Migrationshintergrund/!6074151 | |
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