# taz.de -- Zurückweisungen an den Grenzen: „Wir schaffen das“ ist jetzt a… | |
> Das deutsche Asylgesetz sieht eine Zurückweisung an den Grenzen bereits | |
> vor. EU-rechtskonform ist das vermutlich nicht. | |
Bild: Dobrindt lässt abweisen: Polizeibeamte weisen am 08. Mai in Kehl einen M… | |
Ohne ein Gesetz zu ändern, führte [1][Innenminister Alexander Dobrindt | |
(CSU)] mit einem Schreiben an die Bundespolizei eine neue deutsche | |
Asylpolitik ein. Fast alle Asylsuchenden sollen nun an den deutschen | |
Grenzen abgewiesen werden. | |
Die Maßnahme kommt nicht überraschend. Kanzler Friedrich Merz (CDU) hatte | |
sie schon im Wahlkampf versprochen – für den ersten Tag seiner Amtszeit. | |
Auch die SPD wurde nicht überumpelt, sie hat vielmehr im Koalitionsvertrag | |
zugestimmt. „Wir werden in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn | |
Zurückweisungen an den Grenzen auch bei Asylgesuchen vornehmen“, heißt es | |
dort. | |
Minister Dobrindt schrieb nun lediglich einen Brief an den Präsidenten der | |
Bundespolizei, Dieter Romann. Darin bat er die Bundespolizei, „ab sofort“ | |
Schutzsuchenden die Einreise zu verweigen, wenn sie aus einem sicheren | |
Drittstaat kommen. Da Deutschland von sicheren Staaten umgeben ist, gilt | |
diese Weisung an allen deutschen Außengrenzen. | |
[2][Ausnahmen soll es nur für „vulnerable Personen“ geben]. Bei einer | |
Pressekonferenz am Mittwochabend erklärte Dobrindt, dass damit „Kinder und | |
schwangere Frauen“ gemeint seien. Diese sollen weiterhin an deutsche | |
Erstaufnahmeeinrichtungen weitergeleitet werden. | |
Dobrindt nimmt in seinem Schreiben Bezug auf Paragraf 18 des deutschen | |
Asylgesetzes, der die Möglichkeit von Zurückweisungen bei der Einreise aus | |
einem sicheren Drittstaat ausdrücklich vorsieht. Auch das deutsche | |
Grundrecht auf Asyl gilt seit 1993 nicht mehr bei einer Einreise aus einem | |
sicheren Drittstaat und wurde damit faktisch abgeschafft. | |
Dennoch wurde Paragraf 18 in den letzten Jahren nicht angewandt. Denn 2015 | |
hat der damalige Innenminister Thomas de Maizière (CDU) in Absprache mit | |
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) angeordnet, alle Personen einreisen zu | |
lassen, die einen Asylantrag stellen wollen. | |
## Paragraf 18 gilt wieder | |
Diese damals mündlich erteilte Weisung nahm Dobrindt nun ausdrücklich | |
zurück. Eine Gesetzesänderung war deshalb nicht nötig. Paragraf 18 ist als | |
Rechtsgrundlage für Zurückweisungen ja bereits vorhanden. | |
Ist Dobrindt damit rechtlich auf der sicheren Seite? Nein, denn das | |
deutsche Recht wird nach ganz überwiegender Ansicht von Expert:innen | |
hier durch EU-Recht überlagert. Die Dublin-III-Verordnung der EU regelt, | |
welcher Staat jeweils für ein Asylverfahren zuständig ist. Meist ist es der | |
EU-Staat, den der Flüchtling zuerst betreten hat. Um herauszufinden, | |
welcher EU-Staat zuständig ist, müssen Flüchtlinge also erst einmal | |
einreisen können. Eine Überstellung an den zuständigen Staat – und in der | |
Regel ist das kein deutscher Nachbarstaat – soll später erfolgen, scheitert | |
allerdings oft. | |
Dobrindt will das EU-Recht an diesem Punkt aber nicht mehr anwenden. Er | |
beruft sich hierbei auf die Notlagenklausel in Artikel 72 des | |
EU-Arbeitsvertrags. Konkret beruft sich Dobrindt darauf, er wolle einer | |
Überforderung der deutschen Kommunen und des deutschen Asylsystems | |
vorbeugen. Außerdem sei das Dublin-System „dysfunktional“, weil sich viele | |
EU-Staaten nicht daran halten. | |
Mit beiden Argumenten wird Dobrindt beim Europäischen Gerichtshof | |
vermutlich nicht durchkommen. Das ahnt wohl auch Dobrindt, der betonte, es | |
gehe vor allem um ein „deutliches Signal“ in die Welt und nach Europa, | |
„dass sich die Politik in Deutschland geändert hat“. | |
Die im Koalitionsvertrag als Bedingung vorgesehene „Abstimmung“ mit den | |
Nachbarstaaten hält Dobrindt für erfüllt. Die Nachbarn seien vorab „in | |
Kenntnis gesetzt“ worden und man führe mit ihnen eine „gemeinsame | |
Diskussion“. | |
8 May 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Dobrindt-als-Bundesinnenminister/!6085237 | |
[2] /Neuer-Innenminister-will-Pushbacks/!6086726 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
## TAGS | |
Asylpolitik | |
Grenzkontrollen | |
Friedrich Merz | |
Alexander Dobrindt | |
GNS | |
wochentaz | |
Neue Bundesregierung | |
Schwerpunkt Flucht | |
Margot Friedländer | |
Asylpolitik | |
Asyl | |
Dublin-System | |
wochentaz | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Flüchtlingsheim in Schmerwitz: Kunstraum statt Wohncontainer | |
Eine linke Gemeinde in Brandenburg will Geflüchteten einen guten Ort zum | |
Leben bieten und sie schnell in Arbeit bringen. Ginge das auch anderswo? | |
Schwarz-rote „Asylwende“: Symbolische Grenzpolitik | |
Die groß angekündigte Asylwende fällt ziemlich klein aus. Die Union hat | |
sich in eine Sackgasse manövriert, aus der sie nicht herauskommt. | |
Neue Härte an den Grenzen: Dobrindt lobt Zurückweisung Geflüchteter | |
Bundesinnenminister Dobrindt freut sich über fast 800 zurückgeschickte | |
Personen, darunter knapp 30 Asylsuchende. Doch Polen scheint sich | |
querzustellen. | |
Trauerbekundungen und Realpolitik: Margot Friedländer würde abgewiesen | |
Die Reaktionen auf den Tod der Holocaust-Überlebenden zeugen vom Verlangen | |
nach Humanität. Ausgerechnet bei der Bundesregierung sind sie wohlfeil. | |
Deutsch-polnische Grenze: Einfach mal dicht gemacht | |
Zurückweisungen sollen nun auch Asylsuchende treffen, sagt Innenminister | |
Dobrindt. An der polnischen Grenze sind diese Pushbacks längst Realität. | |
Schwarz-rote Migrationspolitik: Verschärfte Grenzkontrollen stoßen auf Kritk | |
Nach Dobrindts Ankündigung sind inzwischen stärkere Grenzkontrollen | |
angelaufen. Die Kritik daran reißt nicht ab – auch aus den Nachbarländern. | |
Dublin-Zentrum in Deutschland: Das Modell Eisenhüttenstadt | |
Das neu errichtete Dublin-Zentrum an der deutsch-polnischen Grenze ist das | |
Pilotprojekt einer harten, neuen Linie in der Asylpolitik. Ob sich dieses | |
Modell durchsetzt, bleibt offen. | |
Dobrindt als Bundesinnenminister: Anheizer. Analytiker. Alexander | |
Er ist einer der Köpfe der „Migrationswende“, mit der die Union Wahlkampf | |
machte. Als Bundesinnenminister soll Alexander Dobrindt sie umsetzen. |