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# taz.de -- Schwarz-rote Migrationspolitik: Verschärfte Grenzkontrollen stoße…
> Nach Dobrindts Ankündigung sind inzwischen stärkere Grenzkontrollen
> angelaufen. Die Kritik daran reißt nicht ab – auch aus den
> Nachbarländern.
Bild: Verschärfte Kontrollen: Beamte der Bundespolizei stehen bei der Einreise…
Berlin dpa/afp/taz | Nach der Anweisung des neuen Bundesinnenministers
Alexander Dobrindt (CSU) zu schärferen Regeln an den deutschen Grenzen
laufen in den ersten Bundesländern verstärkte Kontrollen an. In Bayern etwa
kontrolliert die Bundespolizei ab sofort die Grenzen zu Österreich und
Tschechien stärker. Das wird nach Angaben eines Sprechers für Reisende
wahrnehmbar sein.
Auch an den sächsischen, niedersächsischen und nordrhein-westfälischen
Außengrenzen sind laut Bundespolizei zusätzliche Beamte im Einsatz. In
Rheinland-Pfalz und im Saarland sollen die Kontrollen in Kürze anlaufen.
Aus der demokratischen Opposition und dem Ausland kam Kritik an den
strengeren Regeln.
Das Präsidium der Bundespolizei erklärte, „Maßnahmen zur temporären
Kräfteintensivierung“ würden stetig geprüft und umgesetzt. Zu konkreten
Einsatzstärken werde man sich nicht äußern.
Dobrindt hatte angekündigt, schärfer kontrollieren zu lassen. [1][Wenige
Stunden nach seinem Amtsantritt] kündigte er an, künftig sollten auch
Asylsuchende an der Grenze zurückgewiesen werden können. Dies soll
allerdings nicht für Schwangere, Kinder und andere Angehörige vulnerabler
Gruppen gelten.
## Linke: Rechtsbruch mit Ansage
„Merz und Dobrindt haben angekündigt, europäisches Recht brechen zu wollen,
und genau so wird es jetzt umgesetzt“, sagte die Linken-Abgeordnete Clara
Bünger. Sie habe am Mittwoch an der deutsch-polnischen Grenze in Frankfurt
Oder mit mehreren Personen gesprochen, die Asyl beantragen wollten und
dennoch von der Bundespolizei zurückgewiesen wurden, berichtete sie. „Das
ist Rechtsbruch mit Ansage“, sagte die fluchtpolitische Sprecherin der
Linken im Bundestag.
Deutschland schotte sich immer stärker ab – auf Kosten der Schutzsuchenden,
die von immer mehr EU-Staaten wie „Feinde“ behandelt und in einen
rechtlosen Zustand gedrängt würden, beklagte Bünger. „Die Intensivierung
von Kontrollen und Zurückweisung zwingt Asylsuchende dazu, auf
gefährlichere Fluchtrouten auszuweichen – mit potenziell tödlichen Folgen.�…
Auch die Grünen-Politikerin Irene Mihalic hält die Maßnahmen nicht für
rechtskonform. „Pauschale Zurückweisungen von Asylgesuchen an den Grenzen
sind schlicht europarechtswidrig und stellen die Zusammenarbeit mit unseren
Nachbarländern grundsätzlich in Frage“, sagte die Erste Parlamentarische
Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion im Bundestag dem Redaktionsnetzwerk
Deutschland.
Grünen-Chefin Franziska Brantner kritisierte eine fehlende Zusammenarbeit
mit den Nachbarländern. „In Zeiten, in denen wir mehr Europa brauchen, wir
erinnern gerade diese Woche daran, aus welchen kriegerischen Zuständen wir
in Europa kommen und wir zum Glück Frieden haben, ist es nicht akzeptabel,
nicht besonders gut, wenn man nicht mit den Partnern gemeinsam handelt“,
sagte sie im RTL/ntv-„Frühstart“.
Brantner bemängelte zudem, dass die Beamten anderswo abgezogen würden. „Das
sind die Hauptbahnhöfe, das ist der Flughafen, das sind
Kriminalitätsschwerpunkte in diesem Land. Dort werden die fehlen. Also ein
Weniger an Sicherheit an anderen Orten für ein Signal an der Grenze.“
## Schweiz: Systematische Zurückweisungen verstoßen gegen Recht
Auch aus Polen, Österreich und der Schweiz kam Kritik. „Systematische
Zurückweisungen an der Grenze verstoßen aus Sicht der Schweiz gegen
geltendes Recht“, schrieb das Schweizer Justizministerium anschließend auf
der Plattform X. Die Schweizer Behörden „prüfen gegebenenfalls Maßnahmen�…
Auch die Regierung in Österreich pocht auf die Einhaltung des geltenden
EU-Rechts. „Wir gehen davon aus, dass sich deutsche Behörden bei allen
Maßnahmen, die gesetzt werden, an die europäische Rechtsordnung hält“,
betonte das Innenministerium in Wien. Generell begrüße Österreich aber die
Bestrebungen Deutschlands im Kampf gegen die Schleppermafia und illegale
Migration, hieß es. In der Vergangenheit hatte das Ministerium erklärt,
dass Menschen, die einen Asylantrag stellen, nach geltendem EU-Recht nicht
formlos an der Grenze abgewiesen werden dürfen.
Polens Regierungschef Donald Tusk hatte die Migrationspolitik der neuen
Bundesregierung beim Antrittsbesuch von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU)
scharf kritisiert. „Deutschland wird in sein Gebiet lassen, wen es will.
Polen wird nur in sein Gebiet lassen, wen es akzeptiert“, sagte Tusk am
Mittwoch in Warschau. Es solle weder der Eindruck entstehen noch die Fakten
geschaffen werden, dass irgendwer einschließlich Deutschlands bestimmte
Gruppen von Migranten nach Polen schicke.
Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) hat versichert, dass Deutschland
eine Verschärfung der Migrationspolitik nicht gegen den Willen des
Nachbarlands Polen durchsetzen wird. „Das werden wir natürlich miteinander
besprechen“, sagte Wadephul am Donnerstag im Deutschlandfunk. Deutschland
werde hier wie von Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) angekündigt
„Schritt für Schritt“ vorgehen. Schritte würden dabei „bewusst und auch
bedacht“ gemacht und „immer in Abstimmung mit europäischen Freunden und
Kollegen“.
## CDU-Politiker schwärmt vom „ersten Schritt in der Migrationswende“
Die rechtliche Lage bei Zurückweisungen an der Grenze ist derzeit nicht
eindeutig. Einige Experten lesen geltendes EU-Recht so, dass
Zurückweisungen grundsätzlich nicht erlaubt sind. Dies hängt auch damit
zusammen, dass Grenzkontrollen praktisch nicht exakt auf der Grenzlinie
erfolgen, sondern oft etwas dahinter.
Die rechtsgestrickte Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) sieht hier indes
Klarheit. Deutschland habe mit sämtlichen Anrainerstaaten sogenannte
Rückübernahme-Vereinbarungen vertraglich geregelt, sagte der
stellvertretende Vorsitzende Heiko Teggatz der Welt. Inhalt dieser Verträge
sei auch, ab welchem Zeitpunkt eine Person als eingereist gilt. „Dieses ist
erst dann der Fall, wenn die Einreisekontrolle abgeschlossen ist. Auf
welchem Hoheitsgebiet die Kontrollstelle liegt, spielt dabei keine Rolle.“
Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Alexander
Throm, verteidigte die Maßnahmen hingegen. Die Kontrollen würden
schrittweise hochgefahren, es werde kein Nachbarstaat überfordert, sagte er
im ARD-„Morgenmagazin“. Die Abstimmungsgespräche mit den Nachbarländern
seien „am Laufen“, sagte Throm. „Es ist ein erster Schritt in der
Migrationswende, ein wichtiger Schritt, aber mit Sicherheit nicht der
alleinige, den wir jetzt angehen werden.“
CSU-Chef Markus Söder bezeichnete die neuen Regeln als Beginn einer
„Asylwende“. „Seit gestern ist die Asylwende in Deutschland eingeleitet
worden. Jetzt gilt wieder der alte Zustand, wie vor 2015“, sagte Bayerns
Ministerpräsident in einem auf X geteilten Video.
## SPD-Politiker verteidigt neue Flüchtlingspolitik
Die SPD steht nach Angaben des Parlamentarischen Geschäftsführers der
Bundestagsfraktion, Dirk Wiese, hinter der verschärften Asylpolitik. Die
geplante Verstärkung der Bundespolizei durch Bereitschaftspolizei an den
Grenzen sei „eine richtige Entscheidung“, sagte Wiese dem „Berlin Playbook
Podcast“ des Nachrichtenportals Politico vom Donnerstag. „Wir haben da eine
gute Grundlage im Koalitionsvertrag“, sagte Wiese, der die Arbeitsgruppe
Innen und Migration für die SPD bei den Koalitionsverhandlungen leitete.
Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Sonja Eichwede rechnet nicht
damit, dass die Bundespolizei im großen Stil Asylsuchende an Deutschlands
Grenzen zurückweisen wird. Dobrindt habe nun zwar den Ermessensspielraum
für die Beamten ausgeweitet, sagte die Innen- und Rechtsexpertin am
Donnerstag im Deutschlandfunk. Die Zurückweisung bei Asylgesuchen bleibe
jedoch „europarechtswidrig“ und könne nur „in Absprache mit den
europäischen Partnern erfolgen“. Sie erwarte, dass sich „diesbezüglich
erstmal nichts ändert – sonst wird es Gerichtsverfahren geben“.
Kurz vor dem Start der neuen Bundesregierung hatten sich zahlreiche
Verbände und Organisationen – darunter der DGB, ProAsyl, der Paritätische
Gesamtverband, der Deutsche Caritasverband, Brot für die Welt oder Misereor
– eindringlich gegen weitere Verschärfungen der Asylpolitik gewendet.
[2][In ihrem Appell] warnten sie Union und SPD davor, Asylbewerber an
den Grenzen zurückzuweisen und Schutzsuchende in Krisenländer wie Syrien
oder Afghanistan abzuschieben. Beides haben Union und SPD in ihrem
Koalitionsvertrag festgeschrieben.
8 May 2025
## LINKS
[1] /Neuer-Innenminister-will-Pushbacks/!6086726
[2] https://www.proasyl.de/wp-content/uploads/Appell-an-neue-Bundesregierung-fu…
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