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# taz.de -- Was Städte durch weniger Autos gewinnen: So viel Platz
> Wie viel Raum wird frei, wenn Autos in Städten weniger werden? Die taz
> hat das am Beispiel Hamburg für 2030 ausgerechnet. Das Ergebnis macht
> Hoffnung.
Dass zwölf Parkplätze wegfielen, wurde Ende Oktober im Hamburger Bezirk
Eimsbüttel [1][wie ein Fest gefeiert]. Eine [2][Initiative hatte erreicht],
dass an einer Straßenecke, an der sonst Pkws quer parkten, ein neuer Platz
eingeweiht wurde. Hochbeete wurden aufgestellt, ein Straßenschild mit der
Aufschrift „Parnass-Platz“ enthüllt und Eröffnungsreden gehalten. Im
Frühling diesen Jahres treffen sich die Anwohner:innen nun zum Gespräch
darüber, wie sie den neuen Platz weiter beleben. 280 Quadratmeter haben sie
gewonnen.
Es wird viel neuen Platz geben in den Städten, wenn die Autos etwas von dem
Raum abgeben, [3][den sie beanspruchen], wenn sie stehen, fahren oder
tanken. Die taz hat am Beispiel Hamburg ausgerechnet, wie viel
Raumpotenzial die Verkehrswende bis 2030 bringt.
Wie viele Parkplätze, Parkhäuser, Tankstellen und Straßenspuren werden
nicht mehr für Pkws benötigt, wenn der Autoverkehr in Hamburg im gleichen
Maße abnimmt wie in den letzten Jahren? Das Ergebnis: Etwa 2.750.000
Quadratmeter bekommen die Hamburger:innen bis 2030 zurück. Das ist mehr
als die zwei kleinsten Länder der Erde – Monaco und der Vatikan – zusammen.
Basis der Rechnung ist, dass es 2030 knapp 13 Prozent weniger Autoverkehr
in der Stadt geben wird als 2020. Das ist eine Fortschreibung des Trends,
wie er in Hamburg bisher verläuft. Die Stadt erfasst [4][in der
Mobilitätserhebung] regelmäßig, wie sich Menschen bewegen.
Die ungefähr 2.750.000 Quadratmeter sind keine optimistische
Wunschrechnung. Damit die Emissionen im Verkehr schnell genug fallen,
müsste der Autoverkehr sogar viel schneller abnehmen. Die Veränderung
dürfte nicht nur gleichmäßig weitergehen, sondern müsste sich
beschleunigen. Auch der Koalitionsvertrag in Hamburg sieht ambitioniertere
Ziele vor als das hier angenommene Szenario. Die taz hat also bewusst
konservativ gerechnet. Und trotzdem zeigt das Ergebnis: Da ist
Raumpotenzial.
13 Prozent der Parkhäuser und Parkplätze könnten demnach umgenutzt werden.
Die Parkplätze machen den größten Platzgewinn aus. Es könnte, auch durch
die Zunahme an E-Autos, rund 27 Prozent weniger Tankstellen geben. Konrad
Rothfuchs, Verkehrsplaner in Hamburg, geht davon aus, dass bis 2030 auf 15
bis 20 Prozent [5][der Hauptstraßen in Hamburg] Fahrstreifen reduziert oder
zu Bus- und Fahrradwegen werden können.
Hinter den abstrakten Zahlen stecken konkrete Möglichkeiten. Sichere
Radwege, mehr Platz für Kinder oder neuer Wohnraum. Mehr Fläche, auf der
Regenwasser wieder versickern kann und mehr kühlende Bäume – also bessere
Anpassung an den Klimawandel. An einem Sommertag ist es auf einem
asphaltierten Parkplatz zum Beispiel zwei Grad heißer als in einer [6][von
Bäumen gesäumten] Straße.
Die Auseinandersetzungen der letzten Monate um autofreie Straßen von
[7][Hannover] bis [8][Berlin] haben gezeigt, wie viele Menschen beim Wort
Verkehrswende Verluste und Verbote fürchten. Dass ihnen etwas genommen
wird.
Hier soll es darum gehen, was zu gewinnen wäre. Ohne eine Vorstellung von
einer Stadt mit weniger Autoverkehr ist die Sitzheizung zu gemütlich.
Der Hamburger [9][Künstler Jan Kamensky], der sich visueller Utopist nennt,
versucht solche Zukunftsbilder zu entwerfen. Er gestaltet kurze Videos, in
denen er Ansichten bekannter Plätze verändert. SUVs und Ampeln fliegen weg,
Bäume wachsen, Bänke schieben sich ins Bild. Lastenfahrräder und Fußgänger
nehmen den Platz ein, den die Autos verlassen haben.
Würden Menschen von München bis Mönchengladbach mehr öffentliche
Verkehrsmittel nutzen, wenn das heißt, dass ein kleiner Park in ihrer
Straße entstehen würde?
Schon die Pandemie hat dazu beigetragen, dass sich das Bewegungsverhalten
der Menschen ändert. Viele Menschen haben sich das Home Office wenigstens
an ein paar Tagen beibehalten und sparen sich so Wege. Während die
Hamburger:innen vor der Pandemie noch 5,8 Millionen Wege am Tag
zurücklegten, sind es nach der Pandemie 5,3 Millionen, obwohl die
Bevölkerung in Hamburg gewachsen ist.
Der Verkehrsplaner Konrad Rothfuchs beobachtet auch ein Umdenken, das er
die „Verdörflichung der Stadt“ nennt. „Wir wollen uns wieder in der Nähe
organisieren“, sagt er. Keine ewigen Wege zurücklegen müssen, um
einzukaufen, Sport zu machen oder die Kinder abzuholen. „Unsere
Anforderungen an den öffentlichen Raum verschieben sich. Wir gehen viel
mehr raus, hocken uns irgendwohin und arbeiten“, sagt Rothfuchs. „Meinen
Eltern wäre das nie in den Sinn gekommen.“
Menschen stehen in überfüllten Städten also bereit, den Raum einzunehmen.
Aber wie genau können die über 12.000 Quadratmeter Tankstellenfläche
genutzt werden, die bis 2030 in Hamburg frei werden? Oder die gut zwei
Millionen Quadratmeter ehemaliger Parkplatzfläche? Wir haben Menschen mit
konkreten Vorstellungen gesucht und sie für die taz zum Träumen eingeladen.
## Parkhäuser zu Kitas
Gerda Wunschel ist Geschäftsführerin eines Kita-Trägers in Berlin, der
[10][einen Kindergarten in einem umgebauten Parkhaus] betreibt.
„Ungenutzte Parkhäuser muss man nicht gleich abreißen. Wie man die Gebäude
stattdessen sinnvoll nutzen kann, hat der Bezirk Berlin-Kreuzberg schon vor
mehr als 30 Jahren gezeigt: Unweit des Kottbusser Tors wurde aus einem kaum
genutzten Parkhaus ein Kindergarten, der Platz für 136 Kinder bietet.
Damals wie heute herrschte ein akuter Mangel an Betreuungsplätzen. Die
Umnutzung war eine ressourcenschonende Option, um diese Plätze dort zu
schaffen, wo sie benötigt wurden. [11][Kindergärten sind immer wieder von
Verdrängung betroffen], müssen aus ihren Räumlichkeiten ausziehen und sich
aufwändig neue suchen, auf dem angespannten Mietmarkt teilweise ohne
Erfolg.
Ich kenne das Gebäude in Kreuzberg noch als Parkhaus, das war dunkel, eng
und hatte sehr niedrige Decken. Eigentlich sollte es abgerissen werden und
dort eine Neubau-Kita entstehen. Während der Planung ist die Idee
entstanden, es umzunutzen. Ich habe damals im Bezirksamt Kreuzberg
gearbeitet und den Umbau so von Anfang an begleitet.
In die Mitte des Gebäudes wurde ein Glashaus gesetzt, so hat es einen
hellen, zentralen Bereich bekommen, der von allen Kindern genutzt werden
kann. Durch das Glasdach hat der Raum eine hohe Decke und ist sehr hell.
Die Kinder haben hier verschiedene Spiel- und Bastelecken, die sie sehr
gerne nutzen.
Der Bezirk war Träger des Bauvorhabens, 136 Kita-Plätze sind entstanden.
Etwa 8,5 Millionen Euro hat der Umbau gekostet, genauso viel wie Abriss und
Neubau. Den Kindern stehen bei uns 2.000 Quadratmeter Fläche zur Verfügung.
Hätten wir eine neue Kita gebaut, hätten wir für 136 Kinder nicht einmal
700 Quadratmeter gehabt.
Vom Bezirk vorgegeben war, dass die Kindertagesstätte einen ökologischen
Schwerpunkt haben sollte. Nur: Wie setzt man einen ökologischen Schwerpunkt
um in einem Haus, was eigentlich ein solider Betonbau ist? [12][Ein
zentraler Aspekt ist, dass die Kita ein Umbau und kein Neubau war, das
spart Ressourcen.] Wir haben beim Bau und der Ausstattung natürliche
Materialien verwendet. Zusätzlich hat das Gebäude ein Gründach, dort gibt
es eine Kräuterspirale, zusammen mit den Kindern haben wir dort Beete
angelegt.
Durch den ungewöhnlichen Bau konnten wir ein besonderes pädagogisches
Konzept umsetzen, das in den 1980er Jahren innovativ war. Auch bei uns gibt
es klassische Gruppenräume. Aber es gibt in Richtung Glashaus auch die
Mehrzweckräume, die nutzen wir als Atelier, Bauraum und Werkstatt. Wir
haben entschieden, die Räume innerhalb der Gruppen zu öffnen, die Kinder
können also mit Kindern aus anderen Gruppen spielen.
Für die Kinder ist das Parkhaus eine Fläche, die sie sich aneignen. Auf den
ehemaligen Auffahrten sind jetzt jeweils acht Stufen. Da macht man nicht
einen Schritt und geht auf die nächste Stufe, sondern macht einen Schritt
und macht zwei Zwischenschritte und geht dann auf die nächste Stufe. Das
ist für Erwachsene merkwürdig, aber für die Kinder ist es kein Problem. Sie
rennen hoch und runter, freuen sich über den Platz und die besonderen
Möglichkeiten. Die ursprüngliche Nutzung bleibt so sichtbar, das war dem
Architekten wichtig. Eine solche Umnutzung wäre auch in anderen Städten
möglich, mit allen ökologischen und pädagogischen Vorteilen.“
## Straßen zu Bäumen
Sabine Rabe ist Landschaftsarchitektin und an der Erstellung von neuen
Konzepten für Hauptstraßen in Hamburg beteiligt.
„Wenn ich träumen darf, würde jede Straße ein Park werden. Bäume sind das…
und O, um Wasser im Kreislauf zu halten. Deshalb würde ich auf den frei
werdenden Straßen als allererstes Bäume pflanzen, so simpel das klingt.
Der Raum ist hart umkämpft, auch unter der Erde. Überall verlaufen Kabel,
Fernwärmetrassen werden verlegt, sehr viele Flächen sind unterbaut, mit
Tiefgaragen zum Beispiel, weshalb Bäume nicht wirklich tief wurzeln können.
Sie brauchen also auch Platz unter der Erde, den würde ich ihnen geben.
Ich würde [13][nicht nur resiliente Klimabäume pflanzen], sondern auch
heimische Baumarten, die wir kennen, wie Buchen, Eichen, Kastanien. Wenn
sie jung angepflanzt werden, haben sie eine größere Chance, zu überleben
und sich anzupassen. Diese Bäume haben durch ihre großen Kronen ein hohes
Verdunstungsvolumen. Denn über die vielen Blätter speichern die Bäume nicht
nur CO2, sondern geben auch Wasser an die Luft ab und kühlen sie so. Gerade
an heißen Tagen in Städten können Bäume die Temperatur messbar senken.
Außerdem muss Boden in den Städten entsiegelt werden, also vom Asphalt
befreit. Wo Fahrspuren wegfallen, sollte das erwogen werden. Beim Boden
müssen wir große Reparaturarbeiten leisten und neues Substrat auftragen. In
den vergangenen Jahren haben wir immer mehr Flächen versiegelt. Deshalb
fließt das Wasser in die Kanalisation und gelangt oft nicht mehr ins
Grundwasser. [14][Damit das wieder geschieht, muss das Wasser in der Erde
versickern können.] Nicht an allen Stellen in Hamburg ist der Boden dafür
gut geeignet, deshalb müssen wir darauf achten, dass genau dort, wo es
geht, Regen wieder versickern kann. Umgekehrt haben wir es in Zukunft nicht
nur mit Trockenperioden, sondern auch – wie wir gerade erleben – mit lang
anhaltendem Regen zu tun. Daher brauchen wir dringend unversiegelte Räume
für den Rückhalt von Wasser.
Die Straßen sollten wir deshalb zu multicodierten Flächen umwandeln. Das
heißt, nicht nur den Verkehr auf der Straße fließen zu lassen, sondern die
Fläche vielseitig zu nutzen, etwa für Pflanzen, Versickerungszonen oder
Regenrückhalteräume. Solche Wasserdepots können unter der Erde installiert
werden, um das Wasser in einer trockeneren Phase dem Boden oder den
Pflanzen zuzuführen. Es könnten aber auch Sport- und Spielflächen,
Platzflächen und Straßen sein, die temporär überflutbar sind. Wir müssen
dafür sorgen, dass der Wasserkreislauf wieder geschlossen wird und wir das
Wasser nicht nur ableiten.
Außerdem wünsche ich mir mehr öffentliche Plätze, an denen sich die
Bewohner:innen begegnen können, zum gemeinsamen Kochen, Klönen,
Rumsitzen, Gärtnern. Das Wunderbare an Straßenräumen sind die Länge und das
Verbindende. In meinem Team gibt es viele Ideen, was auf den heutigen
Straßenspuren entstehen könnte, etwa ein Bewegungsband zum Laufen und
Spazieren, ein Parcours zum Radfahrenlernen, eine Rollbahn zum Skaten oder
Inlinern, ein Asphalt-Malpark für Bodengemälde, ein Sonnenblumenfeld, ein
endlos langer Gemüsegarten, eine städtische Baumschule, ein Planschbecken,
eine Eisbahn im Winter oder ein Urban Gym zum Draußentrainieren, wenn es
warm genug ist.
All das könnte entstehen, statt Autorennen Platz zu bieten. Wir hätten
Flächen für den längsten Spiel- und Sportplatz der Stadt und das längste
Biotop der Stadt, denn die neue Urbanität ist auch das selbstverständliche
Miteinander von Menschen, Tieren und Pflanzen. Oder eben: den längsten Park
der Stadt!“
## Parkplätze zu Schlafplätzen
Van Bo Le-Mentzel ist Architekt. Bekannt wurde er [15][durch seine
Hartz-IV-Möbel] und die Entwürfe von Tiny Houses, kleinen temporären
Häusern auf Rädern.
„Ein durchschnittlicher Parkplatz ist 5 Meter lang und 2,3 Meter breit. Das
sind 11,5 Quadratmeter, damit kann man so viel machen! Wenn in einer Straße
durch die [16][Verkehrswende ein Parkplatz frei wird], würde ich dort
zuerst einen leeren Anhänger hinstellen. Dann braucht man noch eine
Batterie für Strom und eine Propangasflasche zum Heizen. Das ist die
Grundlage für eine Notunterkunft, ein Tiny House oder eine Werkstatt.
Was konkret daraus wird, sollte die Entscheidung der Menschen sein, die
dort wohnen. Öffentlicher Raum ist für alle da, deshalb ist es wichtig,
dass die Nachbarschaft das Projekt akzeptiert. Idealerweise würde ich das
Konzept und den Ort mit ihnen zusammen entwickeln und bauen. Für ein Tiny
House braucht man im Prinzip nur vier Wände und ein Dach aus Holz. Wichtig
finde ich allerdings, dass es sozial genutzt wird. Der öffentliche Raum ist
nicht dafür da, dass alle ihre privaten Autos abstellen. Stattdessen
sollten dort soziale Projekte stattfinden.
Das passiert, wenn alle Zugang zu den Ressourcen haben, besonders Menschen,
die im Stadtraum sonst verdrängt werden oder wenig Platz haben, [17][zum
Beispiel Obdachlose], Jugendliche, Kinder oder Geflüchtete. Wenn ein
Wohnwagenbesitzer diesen zur Verfügung stellen würde, wäre das ein soziales
Projekt. Aber die meisten nutzen diese Gefährte nur im Urlaub. Dabei
erfrieren in Hamburg jeden Winter rund 30 Menschen.
Seit letztem Winter habe ich in Berlin eine mobile Notunterkunft stehen,
für die ich jeden Abend einen neuen Parkplatz suche. Es ist ein Tiny House,
das mit seiner Fläche von gerade mal zweieinhalb Quadratmetern so klein
ist, dass es auf einen Kleintransporter passt. Die Hütte ist aus Holz,
drinnen befinden sich eine Küche, eine Toilette, zwei Schlafplätze und ein
Büro mit Stuhl und einem ausklappbaren Tisch. Im Moment schlafen dort jede
Nacht obdachlose Menschen.
Natürlich löst das das Problem der Obdachlosigkeit nicht. Auch nicht, wenn
man 30.000 solcher Unterkünfte aufstellen würde. Aber im Notfall können sie
Menschenleben retten. Und wenn Parkraum als Wohnraum genutzt wird, könnte
das die Wohnungskrise generell entschärfen.
Für den städtischen Raum eignen sich am besten mobile Lösungen. Stadtplaner
müssen, wenn sie Häuser bauen, immer alle möglichen Szenarien durchdenken
und reden mit sämtlichen Interessengruppen. Dann müssen sie einen
Kompromiss finden, aber die sind nie radikal oder mutig. Das ist anders,
wenn man Häuser auf Rädern baut. Klar muss man sich seiner Umgebung
trotzdem bewusst sein. Aber wenn etwas nicht oder nicht mehr passt, dann
fahre ich halt weg.
Solange Tiny Häuser auf einen Kleintransporter passen, kann sie theoretisch
jeder bauen. Dann kann man sie einfach auf einem Parkplatz parken und darin
leben. Rechtlich gesehen ist das verboten, weil man in Deutschland einen
gemeldeten Wohnsitz braucht. Und wohnen kann man nur auf Flächen, die als
Wohnraum gemeldet sind. Im öffentlichen Raum geht das also nicht.
Aber wo am Ende tatsächlich gelebt wird, kann keiner überprüfen. Alles, was
man in Großstädten braucht, ist eine Parkvignette und einen Parkplatz. Der
kostet in Hamburg 65 Euro im Jahr. Da kann man dann sein soziales Projekt
draufstellen. Menschen sollten kreativ und aktiv werden und eigene Ideen
umsetzen, die den öffentlichen Raum sozialer und schöner für alle machen.“
## Tankstellen zu Beeten
Dida Zende betreibt in Berlin das [18][Kunstprojekt „FIT freie
internationale tankstelle“] und belebt leerstehende Tankstellen wieder.
„Die Tankstelle ist ein Symbol unserer verschwenderischen Gesellschaft.
Hier kommt man mit seiner dicken Karre hin, tankt Benzin und beschleunigt
wieder. Der Schaden, der dabei für die Umwelt entsteht, ist riesig. Was für
ein Schwachsinn, was für ein Luxus. Wie wäre es stattdessen, wenn die
Tankstelle ein Ort der Entschleunigung sein könnte? Ein Ort, den alle
gemeinsam gestalten können. Dieses gemeinsame Schaffen nenne ich „Human
Fuel“ – also menschlichen Treibstoff.
Ich betreibe meine „FIT freie internationale tankstelle“ im Berliner
Stadtteil Prenzlauer Berg nun schon seit über zwanzig Jahren, tanken kann
man hier nicht mehr. Für mich wird die Tankstelle selbst zum Kunstwerk. Zu
einer Sozialen Skulptur, also zu einem Ort für Workshops,
nachbarschaftliches Feiern und Zusammenkünfte. Ehemalige Tankstellen haben
es mir angetan, auch in anderen Städten wie zum Beispiel in Kopenhagen und
Miami habe ich zeitweise leerstehende Tankstellen genutzt und viele
Mitstreiter gefunden, die selbst nun Projekte an Tankstellen durchführen.
Warum dieser Ort? Weil er als sichtbares Symbol des untergehenden fossilen
Zeitalters mitten in der Gesellschaft steht. Für zugängliche Kunstprojekte
haben Tankstellen auch Standortvorteile. Sie sind gut sichtbar an der
Straße positioniert, meine zum Beispiel genau an der Ecke von einer
Kreuzung in einem Wohngebiet.
Zum anderen stehen viele Tankstellen weltweit leer und es werden mehr
dazukommen, durch die Verkehrswende und den Boom von Elektroautos. Außerdem
macht die symbolträchtige Architektur die Tankstelle zu etwas Besonderem,
was ich auch bei meinen Projekten berücksichtigen kann. Ich finde es
spannend, bei der Transformation den ursprünglichen Charme des Ortes zu
behalten: die typischen Farben, das Verkaufshäuschen und das Dach. So
kommen Leute vorbei, die erst dachten, es wäre eine normale Tankstelle.
Leute, die sonst in keine Kunstausstellung gehen würden.
Bei der Bespielung der Orte ist mir wichtig, dass alles gemeinschaftlich
passiert. So kamen die meisten Ideen für Projekte für meine Tankstelle in
Berlin von Freund*innen und Nachbar*innen. Der Ort wird dabei vielseitig
genutzt, auf dem [19][Tankstellendach haben sie zum Beispiel Gemüse
angebaut]. Tomaten, Chilis und verschiedene Kräuter, die das Licht auf dem
Dach optimal ausnutzen können. Unter dem Dach wurden im Sommer und Frühjahr
auch öfter Chorproben abgehalten. Super zum Schutz vor Regen und als
Schattenspender.
Ein Projekt, das ich mit einem befreundeten Regisseur durchgeführt habe,
passt besonders gut zu diesem speziellen Ort. Und zwar haben wir ein
kleines Filmfestival veranstaltet, bei dem unterschiedliche Leute Remakes
von berühmten Tankstellen-Szenen machten. Wir schauten die Filme am Ende
zusammen, der schlechteste Beitrag gewann. Das fand ich auch wegen der
Zugänglichkeit richtig gut, weil Menschen mitgemacht haben, die vorher noch
nie eine Kamera in den Händen hielten und nicht dachten, dass sie kreativ
sein können.
Auch für Einrichtungen, die über die Energiewende aufklären, ist so ein
Kunstprojekt interessant. Die Heinrich-Böll-Stiftung etwa nutzt FIT seit
vielen Jahren für Veranstaltungen. Die Tankstelle der Zukunft kann also
auch einen aufklärerischen Charakter haben und sich vom Energieträger für
Autos zum Energieträger des Menschlichen wandeln.“
26 Jan 2024
## LINKS
[1] https://www.hamburg.de/eimsbuettel/parnassplatz/
[2] https://kursfahrradstadt.de/2023/10/31/parnass-platz-eimsbuettel-hamburg-su…
[3] /Parkende-Autos/!5968714
[4] https://www.hamburg.de/bvm/mobiham/
[5] https://www.hamburg.de/contentblob/4259668/982bab381ad198c9b5d00e073cc6dcea…
[6] /Stadtbaeume-im-Klimawandel/!5950569
[7] /Autofreie-Innenstadt/!5961685
[8] /Flaniermeile-Friedrichstrasse/!5974743
[9] https://www.instagram.com/jankamensky/
[10] https://www.inakindergarten.de/berlin/kita-dresdener-strasse
[11] /Bedrohte-Kita-in-Prenzlauer-Berg/!5964871
[12] /Nachhaltigkeit-beim-Bauen/!5882374
[13] /Klimaresilienter-Volkspark-Hasenheide/!5886522
[14] /Wassermanagement-in-der-Stadt/!5905389
[15] /Montagsinterview-Prime-Lee-alias-Le-Van-Bo-Kommunikator/!5141559
[16] /Parkende-Autos/!5968714
[17] /Wohnungslosigkeit-in-Deutschland/!5971851
[18] /Besondere-Sauna-in-Berlin/!5890094
[19] /Lebensmittelanbau-in-Berlin/!5911732
## AUTOREN
Sophie Fichtner
Alexandra Hilpert
Ann-Kathrin Leclere
Yannik Achternbosch
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