# taz.de -- Klimaresilienter Volkspark Hasenheide: Nicht alles, was ginge, geht | |
> Die Hasenheide soll klimaresilient werden. Geld ist da, die Pläne sind | |
> gefasst. Aber bestimmte Ideen lassen sich nicht ohne Weiteres | |
> verwirklichen. | |
Bild: Bisschen rumsitzen schadet jedenfalls nichts: BesucherInnen in der Hasenh… | |
BERLIN taz | Eigentlich könnte es ganz einfach sein: In der Hasenheide, | |
Neuköllns großem Volkspark, fehlt Wasser, vor allem in den immer | |
trockeneren Sommermonaten. Gleich nebenan lässt man jedes Jahr einen | |
Riesenschwall des knappen Gutes in die Kanalisation laufen: viele tausend | |
Kubikmeter aus den Becken des Columbiabads, die zu Beginn der Saison | |
ausgetauscht werden. Könnte man da nicht einfach …? Ja, könnte man, aber | |
ganz so einfach laufen die Dinge eben nicht, auch nicht vor dem Hintergrund | |
der beginnenden Klimakatastrophe. | |
Aber dazu später mehr. Das Setting, in dem diese und viele andere Fragen am | |
Donnerstagabend dikutiert werden, ist idyllisch: Die Infoveranstaltung mit | |
dem Titel „Klimaresiliente Hasenheide“, zu der das Bezirksamt Neukölln | |
eingeladen hatte, findet auf der kleinen Bühne im Freiluftkino statt, ein | |
paar Dutzend Interessierte sind gekommen und freuen sich über das | |
spätsommerlich milde Wetter und an den Sonnenstrahlen, die durch das Laub | |
brechen. Was nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass die Hasenheide – | |
nutzungs- aber eben auch klimawandelbedingt – unter enormem Stress steht. | |
Rund 400 Bäume, ungefähr 10 Prozent des Bestandes, mussten in den | |
vergangenen drei Jahren wegen Schäden vorzeitig gefällt werden. Im | |
Hochsommer werden die Wiesenflächen zu einer gelben Steppe, und an vielen | |
Stellen ist der Boden durch Übernutzung extrem verdichtet und steinhart. | |
„Der Park ist in einem schlechten Zustand“, sagt Neuköllns grüner | |
Umweltstadtrat Jochen Biedermann zum Auftakt, gleichzeitig sei die Fläche | |
ein „riesiges Biotop, in dem es nichts gibt, was nicht wichtig wäre“ – z… | |
Verdeutlichung zählt er gleich ein paar Vogelarten von Gartenbaumläufer bis | |
Waldkauz auf. | |
## Geld nur bis Ende 2024 | |
Auch Biedermann und seine MitarbeiterInnen vom Straßen- und Grünflächenamt | |
stehen in Sachen Hasenheide unter Stress – aber unzufrieden sind sie | |
trotzdem nicht: Schließlich erhält der Bezirk für sein [1][Modellprojekt | |
„Klimaresiliente Hasenheide“] rund 5 Millionen Euro Bundesmittel aus dem | |
Förderprogramm zur Klimaanpassung und Modernisierung in urbanen Räumen. Das | |
einzige Problem, das den Verantwortlichen nach eigener Auskunft schlaflose | |
Nächte bereitet hat: Gemäß den Anforderungen des Bundesprogramms müssen die | |
Mittel schon bis Ende 2024 investiert worden sein. | |
Zwei Jahre sind wahrlich wenig Zeit, vor allem, wenn man das Lebensalter | |
von Bäumen oder die Geschwindigkeit deutscher Bürokratie zum | |
Vergleichsmaßstab heranzieht. Aber die Hausaufgaben sind gemacht, wie | |
Dorothea Hokema vom Straßen- und Grünflächenamt (SGA) erläutert: Der | |
sogenannte Pflege- und Entwicklungsplan ist schon fertig, jetzt prüft ihn | |
das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung bis Dezember, und wenn alles gut | |
geht, könnten vor dem Jahreswechsel schon die ersten neuen Bäume gepflanzt | |
werden: 650 sollen es bis Ende 2024 sein. | |
Wobei es hier nicht einfach um eine Art Wiederaufforstung geht – weit | |
gefehlt. Oder in den Worten des vom Bezirk mit der Umsetzung beauftragten | |
Landschaftsachitekten Johann Senner, der Büros in Überlingen, Stuttgart, | |
München und Berlin betreibt: „Es reicht nicht, in die Baumschule zu gehen | |
und 650 Bäume zu kaufen.“ Man müsse gleichzeitig das Problem des | |
Wasserhaushalts angehen, denn die sandigen Böden in dem auf einer | |
eiszeitlichen Kuppe gelegenen Parks ließen das Nass viel zu schnell | |
ablaufen, und der Grundwasserspiegel befinde sich an dieser Stelle in 15 | |
bis 20 Meter Tiefe. Von der steigenden Verdunstung der Pflanzen in | |
trockenheißen Sommern ganz zu schweigen. | |
## Schattenoasen und Schluff | |
Senner erläutert die Pläne seines Berliner Büros, bei denen es um die | |
Anlage von „Schattenoasen“ und die Einführung hitzeresistenterer Baumarten | |
ebenso geht wie um Mulden zur Speicherung von Niederschlag und das gezielte | |
Einbringen von wasserundurchlässigeren Bodenbestandteilen wie Schluff. Ihm | |
schwebt ein Naturmanagement vor, bei dem einzelne Flächen immer wieder aus | |
der Nutzung herausgenommen, sprich: abgesperrt werden, um sich regenerieren | |
zu können. Das schließt auch die Chance zur natürlichen Verjüngung des | |
Baumbestands mit ein: Beim anschließenden Rundgang weist Senner darauf hin, | |
dass der Boden an vielen Stellen dick mit Eicheln übersät ist, junge Eichen | |
aber kaum zu finden sind. | |
Was unweigerlich zu Fragen der Anwesenden führt, wie künftig [2][mit | |
bestimmten NutzerInnen-Gruppen umzugehen] sei: den allgegenwärtigen Dealern | |
etwa, die im ohnehin spärlichen Unterholz ihre Ware bunkern, den | |
RaverInnen, die hier in langen Sommernächten Party machen, oder denen, die | |
auf den Wiesen Fußball spielen oder sich mit der Gymnastikgruppe | |
ausbreiten. Dazu hat Senner natürlich auch keine fertigen Antworten parat. | |
Immerhin was den Sport angeht, wollen er und seine PlanerInnen den großen | |
gepflasterten Platz am Fuß des Jahn-Denkmals baulich aufwerten und so eine | |
Ausweichfläche anbieten. | |
Und das Schwimmbadwasser? Ist auch Teil von Senners Strategie: Zusammen mit | |
dem Regen, der sowohl auf den Columbiadamm als auch auf benachbarte | |
Dachflächen wie das „Bauhaus“ fällt, will er es in den Park leiten und | |
reinigen. Genutzt würde es teils zur direkten Anschubbewässerung im | |
Frühling, teils als Vorrat in einer noch zu bauenden Zisterne oder im | |
Rixdorfer Teich in der südwestlichen Parkecke. | |
Aber, wie Andreas Luczynski vom SGA gleich einhakt, so einfach laufen die | |
Dinge eben nicht: „Die Lösung ist auf jeden Fall die richtige, aber in den | |
nächsten zwei Jahren wird das Wasser aus dem Columbiabad definitiv nicht | |
verfügbar sein.“ Das sei nicht so sehr ein technisches als ein | |
verwaltungsrechtliches Problem. Senner stimmt ihm zu: „Das Wasser wechselt | |
den Besitzer, das ist kompliziert. Aber es muss jetzt schon diskutiert | |
werden – sonst passiert am Ende gar nichts.“ | |
7 Oct 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://mein.berlin.de/vorhaben/2022-00501/ | |
[2] /Konflikte-um-Parknutzung/!5867193 | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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