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# taz.de -- Bürgerbegehren In Göttingen: Radentscheid auf der Zielgeraden
> In Göttingen kommt es immer wieder zu Unfällen zwischen Autos und
> Radfahrer:innen. Eine Initiative will das ändern. Die Zustimmung ist
> groß.
Bild: Fahrradfahrer:innen sollen sich in Zukunft in Göttingen sicherer fühlen
Göttingen taz | Sie standen vor Bioläden, Fahrradgeschäften und auf dem
Wochenmarkt, sie sammelten bei Schnee und Regenwetter: Mehr als 8.500
Unterschriften für das Bürgerbegehren „Göttinger Radentscheid“ haben
Aktivist:innen und Sympathisant:innen der Initiative Göttingen
Zero in den vergangenen fünf Monaten zusammengetragen.
Deutlich mehr als nötig – 6.813 Einwohner:innen hätten unterschreiben
müssen, damit sich die Stadt mit dem Begehren und den darin enthaltenen
Forderungen nach Verbesserungen für den Radverkehr befasst. Unterschreiben
durften alle Menschen mit EU-Staatsbürgerschaft ab 16 Jahren mit
Erstwohnsitz in Göttingen.
„Wir erwarten, dass trotz eines Anteils doppelter und ungültiger
Unterschriften die erforderliche Zahl deutlich überschritten wird“,
erklärten die Initiatoren am Dienstag. Am 12. Februar wollen sie die
Unterschriftenlisten an Oberbürgermeisterin Petra Broistedt (SPD)
übergeben.
Ergibt auch die Zählung der Verwaltung, dass das notwendige Quorum erreicht
wird, muss die Stadt entweder den Forderungen des Begehrens nachkommen.
Oder sie ablehnen – dann käme es, vermutlich parallel zur Europawahl am 9.
Juni, zu einem Bürgerentscheid.
Genau genommen sind es [1][sogar zwei Bürgerbegehren], die den
Göttinger:innen zur Unterschrift vorgelegt wurden. Das erste Begehren
umfasst allgemeine Maßnahmen, das zweite benennt konkrete Schritte für
bestimmte Straßen.
## Immer wieder Unfälle
Menschen müssten sich auf dem Fahrrad sicher fühlen, so Göttingen Zero. Das
gehe heute nur, wenn Fahrräder und Kraftfahrzeuge auf den Hauptstrecken
räumlich getrennt würden. Das Fahren im Mischverkehr sei so unangenehm und
gefährlich, dass ältere Menschen nicht das Fahrrad nähmen und Eltern ihren
Kindern das Radfahren dort verböten.
Tatsächlich kommt es in Göttingen häufig zu [2][folgenschweren Kollisionen
zwischen Autos und Radler:innen], immer wieder auch mit tödlichem
Ausgang für Letztgenannte. An mehreren Stellen der Stadt erinnern weiß
angemalte Fahrräder an die bei Unfällen ums Leben gekommenen Radler:innen.
Zentrale Forderung im zweiten Begehren sind sogenannte Protected Bike
Lanes, also mechanische Barrieren zwischen Fahrrädern und Kfz an
Hauptstraßen mit hoher Bedeutung für den Radverkehr.
Solche Barrieren, die es in Göttingen bislang nicht gibt, verhindern, dass
Radfahrende von Autos bedrängt werden: „Wenn der Platz dafür nicht
ausreicht, [3][müssen diese Straßen für den Autoverkehr als Einbahnstraßen
ausgewiesen] werden,“ schreibt Göttingen Zero. Zudem soll die Stadt mehr
Fahrradstraßen ausweisen und diese attraktiv gestalten.
„Wir plädieren für eine Trennung von Auto, Fahrrad und zu Fuß gehenden auf
den Durchgangsstraßen und möchten damit die absolute und die gefühlte
Sicherheit erhöhen“, sagt Jonas Luckhardt von der AG Radentscheid. Es sei
die gefühlte Sicherheit, die Menschen dazu bewege, sich für Auto [4][oder
Fahrrad zu entscheiden].
Die Verwaltung interessiere sich nur für die erfassten Unfallzahlen. Dies
blende aus, dass besonders Kinder und ältere Menschen als unsicher
empfundene Strecken mieden. Auch die letzten Entscheidungen zu den
Fahrbahnsanierungen zeigten, dass wie in den 1970er Jahren nur einseitig
der Autoverkehr gefördert werde, „nach wie vor wird kein einziger Radweg
saniert“.
## Radentscheide in anderen Großstädten
Radentscheide gab es bereits in rund 30 Großstädten. Diese wurden nach
Sammlung der Unterschriften entweder für unzulässig erklärt. Oder die
Initiatoren bliesen die Bürgerentscheide von sich aus ab und schlossen
Vereinbarungen mit den verantwortlichen Stellen. Dabei, so Göttingen Zero,
seien oft weniger als zehn Prozent der zunächst geforderten Maßnahmen
umgesetzt worden. Deshalb habe man sich bereits im Frühjahr 2023 dafür
entschieden, einen für die Stadtverwaltung bindenden Bürgerentscheid
anzustreben.
Einen solchen Bürgerentscheid gab es in Göttingen noch nie. Und in einer
niedersächsischen Großstadt bislang nur ein einziges Mal. 2019 votierten
die Einwohner Osnabrücks für die Bildung einer kommunalen
Wohnungsbaugesellschaft.
„Egal wie die beiden Bürgerentscheide am Ende ausgehen – neben unserem
Einsatz für den Klimaschutz tragen wir mit dieser Initiative dazu bei, mit
fundierter Sachpolitik [5][die Demokratie dort zu stärken, wo die
Auswirkungen direkt erfahrbar sind], in unserer eigenen Stadt“, urteilt der
Göttinger Physikprofessor Fred Wolf, der Teil von Göttingen Zero ist.
7 Feb 2024
## LINKS
[1] https://radentscheid-goe.de/
[2] /Fahrradaktivist-Natenom-tot/!5989820
[3] /Was-Staedte-durch-weniger-Autos-gewinnen/!5986938
[4] /Fahrradpolitik-im-neuen-Jahr/!5986539
[5] /Buergerbeteiligung-beim-Tempelhofer-Feld/!5985728
## AUTOREN
Reimar Paul
## TAGS
Fahrrad
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Bürgerbegehren
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