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# taz.de -- Ignorante Autofahrer:innen: Mehr Poller wagen
> Einbahnstraßen, Spielstraßen oder Fahrradwege? Alles egal.
> Autofahrer:innen rasen einfach durch. Die letzte Lösung: Poller,
> Poller, Poller!
Bild: Schützt Radfahrer vor Autos: ein biegsamer Poller in der Holzmarktstraß…
Wer wissen will, was in Sachen Mobilität in Deutschland das größte Problem
ist, muss nach Berlin-Mitte fahren. Dort wurde Ende letzten Jahres die
Tucholskystraße in [1][eine Fahrradstraße] umgewandelt. Natürlich wird der
wortgewandte Namensgeber dieser Straße im Grab rotieren, weil nun auch er
für diesen Euphemismus herhalten soll. Denn auch hier handelt es sich wie
fast überall nur um eine Anwohnerparkplatzzufahrtsstraße, auf der Radler
laut Straßenschild willkommen werden (wenn auch nicht von den
Autofahrer:innen).
Die eigentliche Attraktion ist ein sogenannter [2][Kiezblock an der
Kreuzung zur Auguststraße]. Auf der stehen nun diagonal gereiht ein paar
rot-weiße Poller. Radfahrende dürfen und können dort geschwind
hindurchrauschen. Autofahrer:innen aber nicht. Sie müssen abbiegen.
Aus einem zuvor beliebten Schleichweg für google-maps-gesteuerte
Automobilisten mitten durch den innerstädtischen Wohnkiez wurde eine
vergleichsweise ruhige Seitenstraße. Herrlich.
Wirklich für alle verkehrspolitisch Interessierten erhellend aber waren die
drei, vier Wochen vor der Aufstellung der Poller. Auch da war die
Durchfahrt für Autos verboten. Laut bereits aufgestellten Verkehrszeichen
war nur abbiegen und nur in eine Richtung erlaubt. Aber was machten die
Autofahrer:innen? Manche stockten kurz, guckten verunsichert, bevor sie
dann geradeaus fuhren. Andere bretterten ganz ohne Halt weiter. Allenfalls
ein Drittel hielt sich an die vorgegebene Richtung. Was mathematisch
gesehen kein Wunder ist, bei drei Möglichkeiten. Kurz gesagt: Den
motorisierten Automaten waren die Verkehrsregeln schlichtweg egal.
Änderungen gab es erst mit Aufstellung der rot-weißen Pfosten. Seither ist
Ruhe.
## Keine Rücksicht
Ein Einzelfall? Keineswegs. Es ist überall in Berlin zu beobachten, wo
Autofahrer:innen per Verkehrszeichen um Rücksicht auf andere
Verkehrsteilnehmer:innen gebeten werden. Sie halten einfach nicht an.
Einbahnstraßenregelungen für Autos auf Fahrradstraßen? Ach was, Augen zu
und durch! Schrittgeschwindigkeit auf Spielstraßen? Gilt nur für die
Kinder, die zur Seite gehupt werden! Für Lieferanten oder Menschen mit
Behinderung reservierte Parkplätze? Reg dich ab, ich steh’ hier nur ein
paar Minuten.
Und damit wären wir endlich beim Thema dieses Textes. Die Berliner
Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU (Was sonst? (na ja, bei der SPD wäre
es auch nicht unbedingt besser))) hat in ihrem ersten Jahr im Amt so sehr
auf die Bremse getreten, dass nicht einmal die Hälfte der für den
Radwegeausbau eingeplanten Finanzmittel abgerufen wurden. Und
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP (also in der gleichen Partei
wie Autoverkehrsminister Wissing)) hat bei seinem Sparhaushalt en passant
mal [3][alle Mittel für den Bau von Fahrradparkhäusern bei Bahnhöfen
gestrichen].
Man ist von diesen Parteien ja auch nichts anderes gewohnt. Im Gegenteil.
Sie werden exakt für diesen Mist gewählt. Autofahrer:innen nerven
nicht nur auf den Straßen, sondern erst recht in der Politik.
## Die FDP unter den Verkehrsmitteln
Von der FDP könnte man anderes erwarten – zumindest wenn sie sich als
liberale Partei mal selbst ernst nähme.
Radler sind wendig, stets im Fluss, wie Fische im Schwarm. Dynamisch und
selbstverantwortlich nutzen sie jede Gelegenheit für den Fortschritt und
schaffen so gleichzeitig Platz für den Hintermann. Ihr individueller Drang
nach vorn beschleunigt das gesamte System. In einer utopischen Stadt ohne
motorisierten Verkehr würde „rechts vor links“ reichen, also ein Minimum an
staatlichen Vorgaben. Anders gesagt: Das Fahrrad ist die FDP unter den
Verkehrsmitteln. Nur dass die FDP das nicht weiß – die sitzt im BMW und
glaubt, dass es Freiheit erst ab 150 Kilometern pro Stunde geben kann.
Man kann und muss sich also weiter über Autos, ihre Fahrer:innen und die
Parteien echauffieren (was übrigens nichts mit dem Chauffieren von E-Autos
zu tun hat, die in übervollen Innenstädten auch nur ein Problem sind). Wer
sie bremsen will, muss Poller setzen. Auf den Straßen. Und noch besser bei
der nächsten Wahl.
29 Jan 2024
## LINKS
[1] /Fahrradpolitik-im-neuen-Jahr/!5986539
[2] /Mobilitaetswende-in-Berlin/!5984844
[3] /Nanja-Boenisch/!a110994/
## AUTOREN
Gereon Asmuth
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