# taz.de -- Fahrradpolitik im neuen Jahr: Mehr Radfahren! | |
> Knapp die Hälfte der Deutschen will 2024 häufiger Rad fahren – aber die | |
> Politik hat zumindest im vergangenen Jahr alles dafür getan, das zu | |
> verhindern. | |
Bild: Radfahrer in Berlin: Mehr Radfahren, das wollen laut Fahrradmonitor knapp… | |
Dieses Jahr dürfte super werden: Ich habe mir die guten Vorsätze der | |
Deutschen für 2024 angeschaut. Ganz oben steht „Mehr Geld sparen“, dicht | |
gefolgt von „Mehr Sport treiben“, „Abnehmen“ und „Mehr für die Umwel… | |
In meinen Ohren klingt das alles nach „Ich will mehr Radfahren“. Das wollen | |
laut Fahrradmonitor knapp die Hälfte aller Menschen hierzulande. Wenn auf | |
der Fahrbahn ein Trecker steht und die S-Bahn streikend im Depot bleibt, | |
ist Radfahren derzeit sogar Empowerment pur: Einfach selbstbestimmt | |
losfahren und ankommen! | |
Nur: Ein Fahrradweg oder irgendetwas, das sich wie passende Infrastruktur | |
lesen lässt, ist gar nicht so leicht zu finden. Deshalb hatte die | |
Bundesregierung 2023 den guten Vorsatz, Straßenverkehrsgesetz und -ordnung | |
zu ändern. Schließlich gibt es inzwischen [1][mehr als 1.000 Kommunen in | |
Deutschland], die in Bewegung kommen wollen, aber nicht können. [2][Leider | |
beschloss der Bundesrat, die StVG-Novelle zu stoppen]. | |
Beeindruckt war ich von der Begründung: Die Sicherheit des Verkehrs sei | |
sonst gefährdet. Ich stelle mir Bäume und Poller vor, die sich arglosen | |
Kraftfahrzeugen aus dem Nichts entgegenwerfen. Denke an durch Tempo 30 | |
innerorts in psychische Ausnahmezustände genötigte Autofahrer. An durch | |
mangelnden Verkehrslärm in Pandemieschrecken getriggerte Stadtbewohner. | |
Diese Gefahren hat der Bundesrat gebannt. Nichts getan hat er gegen | |
Verkehrstote. Dabei nehmen Anzahl und Schwere von Verkehrsunfällen ab, wo | |
die Geschwindigkeit gemindert ist. Und wo es geschützte Infrastruktur für | |
Rad- und Fußverkehr gibt – da bewegen sich mehr Menschen per Fuß und Rad, | |
sicher dazu. | |
Ich kann mir vorstellen, dass Politiker, die sich mit ihren Entscheidungen | |
derart dezidiert gegen die Sicherheit von Rad- und Fußverkehr einsetzen, | |
selbst nie Rad fahren und sich nur bis zu ihrem Auto zu Fuß bewegen. Für | |
sie muss die körperliche Unversehrtheit anderer halt gegenüber der eigenen | |
Bequemlichkeit zurückstehen. | |
## Graus und Tod durch falsche Verkehrspolitik | |
Aber kennen sie tatsächlich niemanden, der bei anderer Infrastruktur noch | |
bei guter Gesundheit oder am Leben wäre? In meiner Familie verlor vor | |
vierzig Jahren ein Mensch durch einen Autofahrer sein Leben. Seine Mutter | |
weint heute noch, wenn das Gespräch auf ihren Sohn kommt. Seither sind etwa | |
260.000 Menschen auf deutschen Straßen getötet worden. | |
Volkswirtschaftlich ist das auch ein Graus: Ein Leichtverletzter kostet gut | |
5.000 Euro, ein Schwerverletzter 100.000 Euro, ein Getöteter entspricht | |
laut Statistik einem volkswirtschaftlichen Schaden von 1.219.396 Euro. | |
Insgesamt kosten Personenschäden jährlich zwölf Milliarden Euro. Viel davon | |
könnte die Politik vermeiden. | |
Einer meiner Pläne für 2024 war übrigens, nicht mehr so leidenschaftlich | |
auf Pro-Auto-Politik zu reagieren. Mehr Bequemlichkeit zu wagen. Aber in | |
der dritten Woche des Jahres werfen ja die meisten ihre Vorsätze über Bord. | |
23 Jan 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Weniger-Geschwindigkeit-auf-den-Strassen/!5839947 | |
[2] /Verkehrsreformen-vorerst-gescheitert/!5972781 | |
## AUTOREN | |
Kerstin Finkelstein | |
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