# taz.de -- Verantwortung im Straßenverkehr: Weihnachtsbäume auf dem Radweg | |
> Neongelb und fluoreszierend sind die Farben, die Radfahrende im Herbst | |
> tragen. Für mehr Sicherheit würde allerdings etwas anderes sorgen. | |
Bild: Straßenverkehr in der Dämmerung, Köln, Januar 2018 | |
Ich freue mich immer über die zuverlässig zu Beginn der „dunklen | |
Jahreszeit“ erscheinenden Modetipps für Radfahrende und Fußgänger: Sie | |
sollen sich bitte hell kleiden und am besten von Kopf bis Rucksack | |
reflektieren. Ich bin selbst Besitzerin von mindestens zehn Warnwesten. Sie | |
sind gelb, orange oder grün, haben Reiß- oder Klettverschlüsse und tragen | |
den Aufdruck irgendeines Vereins, der Polizei oder eines | |
Verkehrsunternehmens. Gekauft habe ich keine davon – sie wurden mir als | |
Geschenke auf Festen, Infoständen oder Tagen der offenen Tür in die Hand | |
gedrückt. | |
Die Geber eint ein wohlmeinender Gedanke: Als Radfahrerin soll ich zu | |
meiner Sicherheit nachts und im Winterhalbjahr gerne ganztags dank | |
Warnweste gut sichtbar sein. Meistens bekomme ich zur Übergabe des | |
Geschenks noch ein Bild gezeigt: Darauf sieht man durch eine | |
Autofrontscheibe einen Fußgänger oder eine Radfahrerin mit dunkler und | |
einen mit reflektierender Kleidung. Der Warnwestenträger leuchtet. Klasse. | |
Noch toller als Warnwesten-Geschenke wäre nur noch Verkehrspolitik. Also | |
zum Beispiel [1][eine den Umständen entsprechende | |
Geschwindigkeitsbegrenzung für den Kfz-Verkehr.] Wer sonst nicht | |
rechtzeitig bremsen kann, muss langsamer fahren, oder? Wer generell zu | |
wenig sieht, braucht vielleicht wieder Fenster anstelle der derzeit | |
modernen Schießscharten? Und wer auf getrennter Infrastruktur unterwegs | |
wäre, könnte ohnehin nicht gefährdet werden: Wo ein geschützter Rad- oder | |
Fußweg ist, muss keine Weihnachtsbaumbeleuchtung getragen werden, um | |
sichtbar zu sein. Ich jedenfalls bin noch nie in einen Fußgänger gelaufen, | |
weil ich den im Dunkeln nicht rechtzeitig gesehen habe. | |
Doch die Verkehrswende hängt leider im Parkhaus fest. In Berlin zum | |
Beispiel haben wir eine Senatorin, die Verkehrspolitik ganz neu denkt – | |
[2][jeder bereits durch Planung und Genehmigung gelaufene Radweg muss noch | |
mal geplant und genehmigt werden]. Das kostet Zeit, in der man | |
Velo-Planungs-Personal abbauen kann und zugesagte Fördergelder | |
verstreichen. Kürzlich freute sich die Senatsverwaltung [3][in einem Post | |
auf Instagram über ein Vorher-nachher-Bild der Friedrichstraße]. Auf 500 | |
Metern der Berliner Meile hatten unter der Vorgängerregierung Bänke | |
gestanden, jetzt stehen und parken da wieder Autos. | |
Auch symbolisch sind die Wertigkeiten also wieder geradegerückt. Die einen | |
bekommen Warnwesten, die anderen Infrastruktur. Oder Geld: In der | |
Bundespolitik wird der Radverkehrshaushalt im kommenden Jahr auf 400 | |
Millionen gekürzt. Klar, wir müssen sparen. Also wir Radfahrer. Das | |
[4][Dienstwagenprivileg verfeuert weiterhin gut 5 Milliarden pro Jahr]. Und | |
der Posten Autobahnen und Bundesstraßen steigt – auf 12,8 Milliarden. | |
Während wir auf den Beginn der Verkehrswende warten, fände ich zumindest | |
gleiches Moderecht für alle passend. Also: Liebe Autofahrende, die dunkle | |
Jahreszeit hat begonnen. Mit einem gelb oder weiß fluoreszierenden Auto | |
werdet ihr von anderen Verkehrsteilnehmenden einfach besser wahrgenommen. | |
Deshalb lackiert bitte Eure Autos um! Vielen Dank. | |
21 Nov 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Weniger-Laerm-weniger-Unfaelle/!5967417 | |
[2] /Radwegeausbau-in-Berlin/!5967135 | |
[3] https://www.instagram.com/p/Cy2txPWsPPS/ | |
[4] /Umweltverbaende-gegen-grosse-E-Autos/!5968355 | |
## AUTOREN | |
Kerstin Finkelstein | |
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