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# taz.de -- Fahrradfahren im Winter: Zersplitte(r)te Glückshormone
> Durch den Streusplitt im Winter leiden die Fahrradschläuche besonders:
> Vier Platten in zehn Tagen sind schon mal drin. Es braucht andere
> Lösungen.
Bild: Rollsplit im Winter kann zu Schäden am Rad führen
Letztes Wochenende wurde ich auf einer Party gefragt: „Bist du wirklich mit
dem Fahrrad da?“ „Ja“, antwortete ich und dachte, jetzt kämen Kommentare
über Kälte, Dunkelheit und Streckenlänge. „Hast du denn gar keinen
Platten?“, hieß es stattdessen. Und schon waren wir im Gespräch über den
deutschen Splittwinter.
Schließlich ist Schnee der am wenigsten nachhaltige Stoff im deutschen
Verkehr: [1][Kaum fällt er, schon sind die Räumfahrzeuge da] und schieben
ihn auf Radspur oder -weg. Dort schmilzt er meist zügig weg. Anschließend
ist Fahrradfahren wieder auch auf den dafür vorgesehenen Flächen möglich.
Theoretisch. Praktisch ist da der Rollsplitt.
Meinen individuellen Rekord habe ich im Jahr 2021/22 aufgestellt: vier
Platten in zehn Tagen trotz täglichem Reifen-nach-Steine-Absuchens. Seither
hat mein Fahrrad im Winter immer eine Monatskarte für den ÖPNV.
Im Gegensatz zum kurzen Schneewinter dauert der Splittwinter sehr lang. Er
beginnt oft schon im November und endet Anfang April. In dieser Zeit
sammeln die Glücklichen platte Reifen. Die weniger Glücklichen treffen in
Kurven auf den Rollsplitt. In meinem Bekanntenkreis gibt es eine Menge
Menschen, die Splitt nicht nur aus dem Fahrradschlauch, sondern auch aus
der eigenen Haut gepult haben. Angepasstes Fahrverhalten heißt für
Radfahrende zwischen November und April: sehr langsam und am besten nur
geradeaus.
## Splittwinter das Gegenteil von Fahrradsaison
So legt die deutsche Erfindung „Splittwinter“ die Basis für etwas, das
hierzulande als „Fahrradsaison“ bekannt ist und erst im Frühjahr losgeht.
In den Niederlanden hingegen kennt man keine Fahrrad- oder
Nichtfahrradsaison, dort fahren im Winter fast ebenso viele Menschen mit
dem Rad wie im Sommer. Warum auch nicht? Es wird ja nicht heller oder
wärmer, nur weil ich zu Fuß gehe, S-Bahn oder Auto fahre. Im Gegenteil: Ich
liebe Winter-Radfahren auch wegen der nach wenigen Minuten eintretenden
Eigenwärme und der selbst ertretenen Glückshormone.
Ich kann mich noch gut an eine winterliche Radtour durch Amsterdam
erinnern. Es war eine revolutionäre Erfahrung: Die Radwege waren geräumt.
Solche aufwendigen Infrastrukturmaßnahmen sind hierzulande ausgeschlossen.
Genauso wie es offensichtlich zu anstrengend ist, den Splitt bei Tauwetter
wieder einzusammeln und bei unter Umständen erneut auftretendem Schnee
wieder auszubringen.
Dass nutzbare Radinfrastruktur Arbeit macht, haben wir Radfahrenden
verstanden. Aber könnten wir dann nicht alle Verkehrsteilnehmer splittmäßig
gleich behandeln? Auch Absperrgitter für den Kfz-Verkehr werden schließlich
häufig an den immer gleichen Stellen auf- und wieder abgebaut! Wenn klar
ist, dass hier in einigen Wochen ohnehin wieder ein Straßenfest oder ein
Weihnachtsmarkt aufgebaut wird, ein Staatsbesuch oder eine Demonstration
vorbeikommt – sollten dann nicht auch die entsprechenden Gitter einfach
stehen bleiben?
Wie viel Aufwand könnte etwa an veranstaltungsbeliebten Straßen wie der zum
17. Juni gespart werden, wenn sie nicht wegen jedem Event immer erneut
befreit werden müssten? Ich sehe zwei Fliegen unter einer Klappe:
Verkehrsberuhigung und Vermeidung unnötigen Aufwands – oder?
22 Dec 2023
## LINKS
[1] /Der-Winterdienst-geht-los/!5737989
## AUTOREN
Kerstin Finkelstein
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