| # taz.de -- Verkehrspolitik in Berlin: Das macht radlos | |
| > Seit elf Jahren versucht ein Bezirk, an einer dreispurigen Straße einen | |
| > Radweg anzulegen. Dies zeigt exemplarisch die Probleme Berlins, für mehr | |
| > Sicherheit zu sorgen. | |
| Bild: Radwegplanung im Jahr 2018: Rückwärts ausparkende Autos, die einen Radw… | |
| Berlin taz | Manchmal kommt es sogar bei Verkehrsschildern auf die Details | |
| an. In diesem Fall geht es darum, ob die Hinterräder eines parkenden Autos | |
| auf dem Bürgersteig stehen oder davor auf der Straße. An der Danziger | |
| Straße in Prenzlauer Berg ist ein Schild aufgestellt, auf dem eine Achse | |
| des Autos auf dem Gehweg parkt. Bis vor ein paar Tagen hing dort noch ein | |
| anderes Verkehrszeichen: Das erlaubte das Parken mit den Hinterrädern auf | |
| der Straße – wodurch ein Radweg blockiert wurde. | |
| Es geht hier nicht um einen Schildbürgerstreich, sondern um das Versprechen | |
| von Rot-Rot-Grün, in Berlin sicherere Wege für RadfahrerInnen zu bauen. Die | |
| Danziger Straße in Prenzlauer Berg steht dabei exemplarisch für die | |
| massiven Schwierigkeiten, die auch jetzt, nach [1][Verabschiedung des | |
| Berliner Rad-, sprich Mobilitätsgesetzes] Ende Juni kaum weniger werden | |
| dürften. Das Gesetz sieht den starken Ausbau von Radwegen vor; | |
| Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für die Grünen) hat [2][im | |
| taz-Interview versprochen], dass bis 2021 „deutliche Veränderungen“ auf den | |
| Straßen zu bemerken sein werden. | |
| Das Beispiel Danziger Straße zeigt, wie schwierig das werden dürfte und | |
| dass nicht allein der politische Wille einer Senatorin ausreicht. Seit elf | |
| Jahren versucht der Bezirk Pankow, in der Danziger Straße Radwege oder | |
| -streifen anzulegen. Das mutet absurd an, denn Platz ist genug: Die Straße | |
| ist immer mindestens dreispurig; dazu gibt es so viele Parkmöglichkeiten | |
| für Autos am Rand, dass diese sogar quer zur Fahrbahnrichtung stehen | |
| dürfen. Die Straße ist als gefährlich bekannt: Vor einem Jahr starb dort | |
| eine Radlerin beim Abbiegen in die Greifswalder Straße, und die Kreuzung | |
| mit der Prenzlauer Allee gilt offiziell als Unfallschwerpunkt. | |
| „Das ist doch ein Unding“, hat sich auch Tino Schopf, SPD-Abgeordneter im | |
| dortigen Wahlkreis, gedacht und sich gewundert: „Was kann daran so | |
| schwierig sein, ein paar Striche auf die Fahrbahn zu pinseln?“ | |
| Fragt man den Bezirk, fällt die Antwort länger aus als gedacht. Sie zeigt | |
| die vielen möglichen Hürden vor der Anlage eines Radwegs. „Der | |
| Abstimmungsaufwand seit 2008 war erheblich“, teilt der zuständige grüne | |
| Stadtrat Vollrad Kuhn mit. Hauptgrund dafür sei, dass für den Radweg eine | |
| Autospur wegfällt. Dazu kommt, dass mit der Verkehrslenkung Berlin eine als | |
| besonders schwerfällig bekannte Behörde an den Planungen beteiligt ist, die | |
| derzeit mal wieder führungslos ist und von Verkehrsstaatssekretär | |
| Jens-Holger Kirchner kommissarisch geleitet wird. | |
| Der Bezirk musste der Behörde durch Verkehrszählungen, Prognosen und | |
| Simulationen zeitaufwendig nachweisen, dass die Anlage von Radstreifen die | |
| Straße nicht lahmlegt, berichtet Kuhn. Diese Anforderung lässt für den von | |
| Rot-Rot-Grün angekündigten Ausbau von Radwegen Böses erahnen: Denn die | |
| meisten neuen Radwege oder -streifen gehen zulasten des Platzes für Autos. | |
| Es gab weitere Probleme: Laut Kuhn stellte sich die Verkehrslenkung | |
| mehrfach quer. Aus dem geplanten Baubeginn im Herbst 2015 wurde deswegen | |
| nichts. Später wurden „aus Gründen der Finanzierung“ die Planungen | |
| aufgeteilt. Mehrfach mussten sie zudem grundlegend überarbeitet werden, | |
| weil sich die Vorgaben der Politik änderten. Zuletzt, so Kuhn, im Februar | |
| „in Vorgriff auf das Mobilitätsgesetz“: Deswegen beträgt die Breite der | |
| Radstreifen künftig zumeist 2 Meter. | |
| Seit einigen Wochen werden nun tatsächlich Markierungen für Radstreifen auf | |
| die Straße gepinselt, vorerst im Bereich zwischen Landsberger Allee und | |
| Greifswalder Straße. Der Abgeordnete Schopf, der für die SPD am | |
| Mobilitätsgesetz mitgearbeitet hat, geht davon aus, dass die Radstreifen | |
| „im nächsten Jahr komplett fertig sind“. | |
| Stadtrat Kuhn allerdings ist nicht so optimistisch: Leider sei damit zu | |
| rechnen, dass die Arbeiten wieder unterbrochen werden müssten, da | |
| Anordnungen der Verkehrslenkung Berlin weiterhin fehlten. „Einen Termin für | |
| die Ausführung der Bauleistungen anzugeben ist daher gegenwärtig nicht | |
| möglich.“ | |
| Auch was derzeit gebaut wird, wirft Fragen auf. Womit wir wieder beim | |
| anfangs erwähnten Parkschild wären. Weil laut dem Abgeordneten Schopf zu | |
| Beginn der Arbeiten offenbar vergessen worden war, das Verkehrszeichen | |
| auszuwechseln, durften Autos auf dem neuen Radstreifen parken, was diesen | |
| de facto unbrauchbar machte. Hier zeigt sich, dass die aktuellen Planungen | |
| für Radwege oft nicht bis zum Ende durchdacht sind. | |
| ## Gilt das neue Radgesetz noch nicht? | |
| Offen bleibt zudem, warum statt aufgepinselten Radstreifen keine | |
| geschützten, sprich baulich vom Autoverkehr abgetrennten Radstreifen | |
| angelegt werden, wie dies das Mobilitätsgesetz eigentlich verlangt. Darin | |
| heißt es: „Die Radverkehrsanlagen sollen so gestaltet werden, dass | |
| unzulässiges Befahren und Halten durch Kraftfahrzeuge unterbleibt.“ Auf | |
| Radstreifen ohne Begrenzung etwa durch Poller ist das aber kaum zu | |
| verhindern. | |
| Der Bezirk hat sich trotzdem anders entschieden. Laut Kuhn hätte dafür die | |
| Planung erneut „komplett“ geändert werden müssen, was das Projekt noch | |
| einmal stark verzögert hätte. Zudem hätte die bestehende Parkordnung nicht | |
| beibehalten werden können, es wäre zu „erheblichen Verlusten an | |
| Pkw-Stellplätzen“ gekommen. Diesen Konflikt – der grundlegende bei der | |
| nötigen neuen Verteilung des Straßenraums – wollte der Bezirk aber offenbar | |
| nicht aufnehmen. | |
| Nun wird es lediglich auf einem kleinen Teilstück zwischen Greifswalder | |
| Straße und Prenzlauer Allee geschützte Radstreifen geben – auf nur einer | |
| Straßenseite. Auf der anderen Seite würden sonst die „erforderlichen | |
| Aufstellflächen für den Einsatz der Feuerwehr-Drehleiter verloren gehen“. | |
| Es ist eines der Probleme, die es auch beim Bau anderer geschützter Radwege | |
| noch häufiger geben wird. | |
| 19 Jul 2018 | |
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| ## AUTOREN | |
| Bert Schulz | |
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