# taz.de -- Riskante Baustellen: Das Schweigen der Ämter | |
> Die Verkehrslenkung ruft auf, Baustellen zu melden, wo Gefahren für | |
> Radfahrende herrschen. Aktivisten sagen nun: Die meisten Meldungen | |
> verhallen ungehört. | |
Bild: Immer mitten druff: Baustelle auf einem Schöneberger Radweg | |
Wer meint, Straßenverkehr in Deutschland sei eine komplett durch-, ja | |
überregulierte Angelegenheit, fährt wohl nicht Fahrrad oder hat noch nie | |
eine Baustelle passiert. Denn wo gebaut wird – ob nun ein Gebäude neben der | |
Straße hochgezogen wird oder die Rohre darunter erneuert werden –, wird es | |
oft fantasievoll: In wilden Schlenkern mäandern gelbe Schutzstreifen um die | |
Hindernisse, machen einen Satz über die Bordsteinkante oder quetschen sich | |
zwischen den Bauzaun und die ebenso enge Fahrbahn für alles Motorisierte. | |
Mitunter kann das richtig gefährlich werden, wie unlängst ein Video aus der | |
Greifswalder Straße in Prenzlauer Berg der Öffentlichkeit verdeutlichte. | |
Die Alternative: Baustellen werden mitten auf den Radweg gepflanzt, | |
Umleitung Fehlanzeige. | |
Zuständig für die Sicherheit rund um Baustellen ist auf | |
Hauptverkehrsstraßen die Verkehrslenkung Berlin (VLB) – eine Unterbehörde | |
der Senatsverkehrsverwaltung –, auf den restlichen Straßen sind es die | |
Bezirke. Dass es „leider immer wieder zu fehlerhaften oder | |
missverständlichen Ausschilderungen oder Verkehrsführungen“ kommt, ist auch | |
der Verkehrsverwaltung nicht entgangen: „Häufig ist das auf Fehler der | |
ausführenden Firmen zurückzuführen“, hieß es vor zwei Jahren in einer | |
Mitteilung. Damals wurde ein Meldesystem eingerichtet, mit dem Betroffene | |
„unkompliziert Meldung erstatten“ können. | |
Bei Anruf Sicherheit? Fast zu schön, um wahr zu sein. Jens Steckel, | |
Radaktivist vom Netzwerk Fahrradfreundliches Tempelhof-Schöneberg, machte | |
in den vergangenen zwölf Monaten die Probe aufs Exempel: Er meldete 100 | |
problematische oder gefährliche Situationen in der ganzen Stadt per Mail an | |
die VLB und [1][dokumentierte die Antworten] – beziehungsweise deren | |
Ausbleiben. | |
Denn 29-mal gab es laut Steckel gar keine Reaktion und sechsmal wurde zwar | |
die Prüfung des Sachverhalts angekündigt, dann aber folgte Schweigen. In 49 | |
Fällen hieß es, die Angelegenheit sei an den zuständigen Bezirk | |
weitergeleitet worden – der dann wiederum 35-mal eine Antwort schuldig | |
blieb. Auf der Habenseite stehen 12 Mails von der VLB und 9 von den | |
Bezirken, in denen es hieß, man habe den Missstand erkannt und behoben. | |
## „Nicht mal das funktioniert“ | |
Dass Baustellen „kaum überwacht“ und die BürgerInnen dafür eingespannt | |
würden, sei „ein Armutszeugnis der Verwaltung“, sagt Steckel und kommt nun | |
zum Fazit: „Nicht mal das funktioniert, weil die Verkehrslenkung oder die | |
zuständigen Straßenverkehrsbehörden diese Anzeigen kaum bearbeiten.“ Die | |
VLB erfülle ihren Anspruch nicht, lautet also jetzt der Vorwurf von | |
Changing Cities: „Baustellen, bei denen die Belange von Radfahrenden | |
berücksichtigt wurden, sind die Ausnahme“. In den vergangenen 12 Monate sei | |
dies sogar noch schlimmer geworden. | |
Aus der Senatsverkehrsverwaltung hieß es auf taz-Anfrage, der Vorwurf | |
mangelhafter Überwachung sei „nicht zutreffend“. Das „Gegenteil ist der | |
Fall“, so Sprecherin Dorothee Winden. Seit einer Personalaufstockung 2017 | |
überwache die VLB Baustellen verstärkt. Andererseits gebe es bei insgesamt | |
rund 100.000 „verkehrsrechtlichen Anordnungen“ pro Jahr vergleichsweise | |
wenige Beschwerden. Deren Prüfung nehme manchmal längere Zeit in Anspruch, | |
weil Abstimmungen mit mehreren Beteiligten – „Bauherren, ausführende | |
Baufirmen, Sicherungsfirmen, Straßenbaulastträgern, BVG usw.“ – | |
erforderlich seien. | |
Allerdings versprach Winden: „In den Fällen, in denen die VLB zuständig ist | |
und zum Teil angeblich keine Antwort gegeben haben soll, ist die VLB gerne | |
bereit, dies zu überprüfen.“ | |
30 Jul 2018 | |
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## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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