# taz.de -- Eurokolumne: Desaster? Nicht bei uns! | |
> Die EU siecht vor sich hin. Aber die Großkoalitionäre in Deutschland tun | |
> so, als ob die Krise auf einem anderen Planeten stattfindet. | |
Bild: Sie sind sich einig, dass die Krise mit Deutschland nichts zu tun hat: Ko… | |
Die Eurokrise muss auf einem anderen Planeten stattgefunden haben. | |
Deutschland kann und will damit nichts zu tun haben. Dieser Eindruck drängt | |
sich auf, wenn man den Koalitionsvertrag von Union und SPD liest. Die | |
Bundesrepublik wird hier als Insel der Seligen präsentiert, als eines der | |
erfolgreichsten EU-Länder aller Zeiten, das in den nächsten Jahren sogar | |
„Nummer 1“ werden will – jedenfalls im „Internet“. | |
Das Wort „Eurokrise“ taucht in dem 185 Seiten starken Konvolut nicht einmal | |
auf – ebenso wenig wie die Bankenkrise, die Südeuropa immer noch fest im | |
Griff hat. Finanz- und Schuldenkrise bringen es auf je zwei Erwähnungen. | |
Umso mehr werden deutsche Erfolge, Prinzipien und Regeln betont. In Europa | |
wird wieder deutsch gesprochen – aus dem Chauvi-Spruch ist nun das | |
Regierungsprogramm geworden. | |
Wenn die Große Koalition wenigstens Antworten hätte! Aber: Längst ist die | |
Eurokrise zum kontinentalen Wirtschafts-, Sozial- und Demokratiedesaster | |
mutiert, Populismus und Nationalismus sind wieder hoffähig. | |
Doch die Koalitionäre haben keine Fragen. Sie gehen davon aus, dass | |
Deutschland alles richtig gemacht hat. Alles kann weitergehen wie bisher. | |
Klar, sie setzen soziale Akzente. Die SPD hat also Wortgeklingel zur | |
„sozialen Dimension“ Europas in den Vertrag geschrieben. Man müsse mehr f�… | |
das Wachstum tun, die neue Jugendgarantie solle jetzt schnell umgesetzt | |
werden. Viele schöne Worte, aber: Es gibt keinen Cent mehr. | |
## Merkel kooperiert mit Märkten, Ratingagenturen und Hedgefonds | |
Auch das Bekenntnis zur Regulierung der Finanzmärkte ist geschenkt. Die | |
Kanzlerin hat es schon x-mal abgegeben, geändert hat sich: nichts. Wieso | |
auch? In der Eurokrise hat Angela Merkel ganz bewusst mit den Märkten, mit | |
Ratingagenturen und Hedgefonds kooperiert. Von den Märkten gehe ein | |
heilsamer Spar- und Reformdruck auf die Krisenländer aus, hieß das Mantra | |
aus Berlin. Da traf es sich gut, dass dieselben Märkte, die Griechenland | |
auf den Status eines Entwicklungslandes herabstuften, Deutschland zum | |
„sicheren Hafen“ erklärten. Die Zinsen sanken. | |
Dem Bund wird das Geld nun zum Nulltarif hinterhergeworfen, deutsche | |
Konzerne können sich konkurrenzlos billig am Kapitalmarkt finanzieren. | |
Kurz: Deutschland, angeblich gebeutelter EU-„Zahlmeister“, profitiert von | |
der Misere der anderen. Gleichzeitig hat es sich von Europa abgekoppelt: | |
Die deutsche Wirtschaft hängt mehr von China ab als von siechen Griechen. | |
Merkel und die SPD-Koalitionäre feiern dies als Erfolg, dabei ist es ein | |
Riesenproblem für Europa und den Euro. | |
Eine neue Studie der französischen Bank Natixis bringt es auf den Punkt: | |
Eigentlich müsste Deutschland die Währungsunion verlassen. Wir haben einen | |
anderen Konjunkturzyklus als der Rest der Eurozone, die Wirtschaftsstruktur | |
ist zu unterschiedlich, der Wechselkurs ist viel zu niedrig, schreiben die | |
Analysten. Um den Euro zu erhalten, wären radikale Entscheidungen nötig. | |
Also, so die Studie, müssten Frankreich und die anderen Euroländer | |
akzeptieren, dass sich die Industrie zunehmend nach Deutschland verlagert. | |
Europa müsste sich auf enorme Wanderungsbewegungen der Arbeitskräfte von | |
Süd nach Nord einstellen. Und Deutschland müsste einwilligen, eine | |
Transferunion zu schaffen, um das Wohlstandsgefälle auszugleichen. | |
Doch die Große Koalition in Berlin proklamiert genau das Gegenteil: keine | |
Transferunion, keine gemeinsamen Anleihen („Eurobonds“), keine gemeinsame | |
Schuldentilgung. Merkel hat sich hier knallhart gegen die SPD durchgesetzt. | |
Die neue Regierung ist nicht bereit, die wirtschaftliche Arbeitsteilung in | |
Euroland zu überdenken. Also wird das deutsche Exportmodell trotz aller | |
Kritik fortgeschrieben, Investitionen fließen spärlich. Die Eurokrise muss | |
nicht nur woanders stattgefunden haben. Sie wird auch – wenn überhaupt – | |
anderswo gelöst. Nur nicht von der GroKo in Berlin. | |
29 Nov 2013 | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
## TAGS | |
Eurokrise | |
Europa | |
Koalition | |
SPD | |
CDU | |
CSU | |
Brüssel | |
EU | |
Staatsschulden | |
Irland | |
Eurokolumne | |
EZB | |
Deutsche Bank | |
Ratingagentur | |
SPD | |
Griechenland | |
Frontex | |
Ukraine | |
Israel | |
Eurokolumne | |
Europa | |
Euro | |
Euro | |
Krise | |
IWF | |
Schwerpunkt AfD | |
Eurokolumne | |
Europäische Zentralbank | |
Eurokrise | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Schulden in Deutschland: Staatsdefizit steigt weiter | |
Ausfälle in der Sozialversicherung sind ein Grund für die Neuverschuldung | |
in Deutschland. Der Fehlbetrag im Bund sank aber leicht. | |
Eurokolumne: Ein irisches Märchen | |
Was ist gut daran, wenn die Regierung in Dublin verkündet, den | |
Euro-Rettungsschirm zu verlassen? Wenig. Irland ist kein Erfolgsmodell. | |
Eurokolumne: Undank ist des Schäubles Lohn | |
Es sieht nur so aus, als ob sich Finanzminister und Deutsche Bank streiten. | |
Tatsächlich ist der Kassenwart oberster Lobbyist des Geldhauses. | |
Eurokolumne: EZB-Miese? Kein Problem! | |
Verlust ist nicht immer Verlust: Warum soll Präsident Mario Draghi mit der | |
Europäischen Zentralbank nicht mal kräftig Miese machen dürfen? | |
Wegen Zinsmanipulationen: EU straft Deutsche Bank ab | |
Notorische Sünder: Die EU-Kommission brummt acht Geldhäusern Rekordbußen | |
auf. Sie hatten Zinsabsprachen manipuliert. | |
Ratingagenturen in der Kritik: Aufsicht sieht zahlreiche Mängel | |
Europas Wertpapieraufsicht hat die Ratingagenturen aufs Korn genommen. | |
Unabhängigkeit und Vertraulichkeit stehen infrage. Standard & Poor's hat | |
reagiert. | |
Debatte Kreativität der Linken: Keine Idee, nirgends | |
SPD und außerparlamentarische Opposition leiden unter denselben Symptomen: | |
fehlende Kreativität und „Wurstegal-Haltung“. | |
Konservative in Athen verzögern Gesetz: Bischof spricht von „Anomalie“ | |
In Griechenland streiten die Parteien wegen der Diskriminierung | |
homosexueller Paare. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat das | |
Land gerügt. | |
EU-Pläne für Frontex: Militarisierung der Außengrenzen | |
Frontex soll mehr Kompetenzen bei der Abschiebung von Flüchtlingen | |
erhalten. Die Grenzschützer sollen zudem auf Armeeausrüstung zugreifen | |
können. | |
Vertrag zwischen EU und Ukraine: Janukowitsch vermisst die Reife | |
Der ukrainische Präsident Janukowitsch zementiert den Stopp einer | |
Partnerschaft mit der EU. Der Westen habe das Land erniedrigt. In Kiew | |
gehen die Proteste weiter. | |
EU-Forschungskooperation mit Israel: Kein Geld für besetzte Gebiete | |
Die Netanjahu-Regierung steckt in der Zwickmühle. Soll Israel weiter mit | |
der EU zusammen forschen, muss es die EU-Position zur Siedlungspolitik | |
anerkennen. | |
Eurokolumne: Der Patient aus Paris | |
Frankreich fehlt eine Strategie, um dem Dilemma der Deindustrialisierung zu | |
entkommen. Standard & Poor’s stuft die Bonität erneut herab. | |
Eurokolumne: It’s Europe, stupid | |
Erst wenn die Arbeitslosigkeit überwunden ist, werden die Menschen Europa | |
als legitimes Zuhause erfahren. Das hat Deutschland noch nicht verstanden. | |
Eurokolumne: Viel Asche, aber kein Phönix | |
Gute Nachrichten aus Griechenland? Das hätten die Gesundbeter der Krise | |
gerne – aber die Abwärtsspirale ist noch lange nicht durchbrochen. | |
Eurokolumne: Kröten für Berlin | |
Im Wahlkampf haben die deutschen Euroretter Däumchen gedreht. Die nächste | |
Regierung muss mit den Lebenslügen von Schwarz-Gelb aufräumen. | |
Eurokolumne: Die Lösung für Griechenland | |
Niemand sagt es im Wahlkampf gerne, aber den Griechen müssen Milliarden | |
Euro Schulden erlassen werden. Das ist aber gar nicht so schlimm. | |
Eurokolumne: Guter Bulle, böser Bulle | |
Der IWF wirkt wie ein Chirurg, der einem Patienten mit Knöchelprellung das | |
Bein amputiert hat. Seine Selbstgeißelung ist unglaubwürdig. | |
Eurokolumne: Raus aus der Troika! | |
Die Eurozone hat sich in eine scheinbar ausweglose Lage manövriert. Was | |
tun? Der IWF scheint es zu wissen: Schluss mit der ökonomischen | |
Voodoopolitik. | |
Eurokolumne: Softpower aus der Bundesrepublik | |
Deutschland erfüllt in der Krise eine Vorbildfunktion. Trotz der Proteste | |
sind viele EU-Bürger mit Merkels Krisenmanagement zufrieden. | |
Eurokolumne: Der Geldpolitik fehlen die Mitstreiter | |
Die Doktrin der Europäischen Zentralbank lautet: Es kann nur eine | |
einheitliche Zinspolitik geben. Doch die Mitgliedsländer sind zu | |
unterschiedlich dafür. | |
Eurokolumne: Schmierentheater statt Therapie | |
Merkel lud zum EU-Gipfel gegen Jugendarbeitslosigkeit. Anstatt echte | |
Lösungen zu präsentieren, nutzte sie das Treffen für ihren Wahlkampf. |