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# taz.de -- Eurokolumne: Softpower aus der Bundesrepublik
> Deutschland erfüllt in der Krise eine Vorbildfunktion. Trotz der Proteste
> sind viele EU-Bürger mit Merkels Krisenmanagement zufrieden.
Bild: Ziemlich sauer: Demonstranten in Athen.
Europa spricht deutsch, das war gestern. Jetzt wird der Kontinent deutsch:
ökonomisch, strukturell, sozial. Es ist nicht mehr nur der VW oder Adidas,
jetzt sind auch Schuldenbremse oder duales Ausbildungswesen Exportschlager
geworden. Man darf raten, was folgt. Deutsche Softpower nennt das der
italienische Philosoph Angelo Bolaffi, der nichts dagegen hat – wie
inzwischen viele andere auch: das System Deutschland funktioniert, die
Wirtschaft schnurrt. Deutschland, so Bolaffi, kann und sollte Vorbild sein
für ganz Europa.
Am deutschen Wesen soll die ...? Und nach der politischen Hegemonie nun
auch noch die kulturelle Vorbildfunktion? Immer langsam. Vor zwei Jahren
erst bat Polens Außenminister Radek Sikorski, Deutschland möge Europa durch
die Krise führen. Nun fordert ein italienischer Philosoph dazu auf, Europa
wie Deutschland zu modellieren: Ordoliberalismus, Mitbestimmung,
Rheinischer Kapitalismus, postnationales Lebensgefühl, Radwege und eine
hippe Hauptstadt, um nur ein paar Assests zu nennen.
Was ist passiert? Eben noch geisterten Bilder von Angela Merkel mit
Hitler-Bärtchen durch Südeuropa, Bismarck-Pickelhauben durch Frankreich und
der Witz vom IV. Reich durch Großbritannien. Heute ist Deutschland laut
einer BBC-Umfrage das beliebteste Land der Welt, fährt Sympathiewerte von
über 50 Prozent weltweit und 49 Prozent im EU-Durchschnitt ein.
In den meisten EU-Ländern außer Griechenland (10 Prozent) und Spanien (36
Prozent) findet eine Mehrheit der Bürger, dass Angela Merkel die Eurokrise
gut meistert (73 Prozent in Frankreich, 72 Prozent in Polen). Dagegen
wirken die Demonstrationen in Athen anlässlich des Besuches von
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble fast gestrig: Viele in Europa, so
scheint es, haben immer weniger gegen deutsche Schwergewichtigkeit.
Hegemonie ist gar nicht das Thema. Diese Debatte wird doch eher über
Deutschland, nicht in Deutschland geführt, eher in Elitenzirkeln, weniger
am Stammtisch. Der französische und auch der belgische Taxifahrer finden
die allemands ja ganz o. k. – wie Bolaffi beschreibt. Die Befürchtung
soziokultureller Übergriffigkeit ist ein politisches Salonthema, und auch
das vor allem in Frankreich und in Großbritannien.
## Deutsches Europa? Warum nicht?
Die Geschichte, natürlich. Und dann sind es nicht die kleinen europäischen
Staaten, es sind die beiden anderen großen Nationen in Europa, die
irgendwie die Verlierer dieser Diskussion sind, zumal beide eben einst
Großmachtsambitionen hatten, die sie seit Jahrzenten mühsam zu begraben
versuchen.
Wohl deswegen diskutiert Großbritannien heftiger denn je seine
EU-Austritts-Frage. Ein britisches Wirtschaftsinstitut hat jetzt sogar
einen Preis ausgeschrieben für die beste Blaupause für einen EU-Austritt
des Ex-Empire. Treffen tut es aber auch das derzeit politisch wie sozial
destabilisierte Frankreich, das dem Sog der deutschen Attraktivität derzeit
gerade mal einen bravourösen Einsatz in Mali entgegenstellen kann.
Für Deutschland gilt doch: Wir tun doch gar nichts. Wir machen nur einfach
weiter so. Auf einmal ist dieses Deutschland, das zumindest seit 1949 klein
war und sein wollte, ganz groß, fast gegen seinen Willen. Es füllt
ökonomische und soziale Vorbildfunktionen aus (deren größer werdende
Schattenseiten Bolaffi allerdings ziemlich ausblendet). Und das alles ohne
missionarischen Geist, ohne universalistische Zielsetzungen, ohne nationale
Überhöhung. Sondern – eben deutsch – ganz profan.
War der politische Frontverlauf der Diskussion zu Beginn der Eurokrise die
Frage nach einem deutschen Europa versus einem europäischen Deutschland, so
scheint derzeit der Ruf immer lauter zu werden: Deutsches Europa, wieso
nicht? Oder sogar: Ja bitte!
Damit nähert sich Deutschland dem geschichtsträchtigen Jahr 2014 – und
damit wohl seinem dritten Rendezvous mit der Geschichte – an. Es unternimmt
dabei diesmal den Versuch, als größtes Land auf dem Kontinent Europa zu
einen, ohne es zu zerstören. Und vielleicht klappt das sogar diesmal – weil
Deutschland es wirklich nicht wollte.
19 Jul 2013
## AUTOREN
Ulrike Guérot
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