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# taz.de -- Eurokolumne: Euro-Domina spielt Weihnachtsmann
> Merkel will 6 Milliarden Euro für die arbeitslose Jugend in Europa
> lockermachen. Doch hinter der Wahlkampf-Maske verfolgt sie ihre
> neoliberale Politik weiter.
Bild: Die Fassade stimmt – ist schließlich Wahlkampf.
Haben Sie es auch schon bemerkt? Die Eurokrise fühlt sich nicht mehr so
schlimm an. Lange schmeckte sie nach Blut, Schweiß und Tränen. Da musste
eisern gespart werden, Budgets für Rentner, Arme und Kranke wurden gekappt,
Tausende gefeuert. Unsere Kanzlerin nannte das Eurorettung – und erklärte
es für alternativlos.
Heute, keine 100 Tage vor der Bundestagswahl, ist die Krise irgendwie
humaner geworden. Plötzlich steht der Mensch wieder im Mittelpunkt, vor
allem der junge. Merkel hat ein Herz für joblose griechische und spanische
Jugendliche entdeckt, die leider, leider – natürlich ohne Zusammenhang mit
ihren Spardiktaten – ohne Perspektive dastehen. Da muss was getan werden,
sagte sich die Kanzlerin. Schwupp standen sechs Milliarden Euro aus
EU-Kassen bereit.
Nun gut, so schnell ging das auch wieder nicht. Erst musste Frankreichs
sozialistischer Präsident Hollande ein bisschen nachhelfen, dann SPD-Chef
Gabriel und EU-Parlamentspräsident Schulz (auch ein Genosse) ein bisschen
Opposition machen. Und dann musste man sich auch noch eine hübsche
Inszenierung ausdenken, mit einem EU-Gipfel und einem Jobgipfel im
Kanzleramt. So kam es, dass die Eurokrise plötzlich gar nicht mehr so
schlimm wirkt.
Schade nur, dass das Geld, das Merkel lockermachen will, gar nicht da ist.
Denn Euroretter und EU-Chefs arbeiten mit ungedeckten Schecks – das Budget,
aus dem sie die Milliarden nehmen wollen, ist noch gar nicht verabschiedet
– trotz der [1][Last-Minute-Einigung vom Donnerstag]. Schade auch, dass die
„Jugendgarantie“ nur eine Schimäre ist. Mit sechs Milliarden Euro dürfte …
schwer sein, arbeitslosen Youngstern binnen vier Monaten Job oder Praktikum
zu besorgen: Pro Person und Jahr sind das 142 Euro. 7,5 Millionen
arbeitslose Jugendliche könne man so unmöglich von der Straße holen, sagt
selbst FDP-Mann Werner Hoyer, Chef der Europäischen Investitionsbank.
Womit wir bei des Pudels Kern wären: Merkel legt sich in diesen Tagen zwar
mächtig ins Zeug, um das Image der eiskalten Euro-Domina abzulegen. Doch
was sie tut, ist bloß ein Feigenblatt.
## Im Süden Verschlechterung
Das Problem ist dabei noch nicht einmal die sozialdemokratische Verkleidung
der CDU-Chefin. Nein, das ist ja gerade Merkels Stärke, dass sie auch Sozi
kann. Aber: Hinter der Wahlkampf-Maske der Wohltäterin verfolgt sie ihre
neoliberale Agenda einfach weiter – dabei hat diese doch zur Explosion der
Arbeitslosigkeit geführt.
In Griechenland, Portugal, Spanien, in Irland und Italien – überall, wo
Merkels Rezepte eingesetzt wurden – hat sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt
verschlechtert. Der Internationale Währungsfonds (IWF) und die
Internationale Arbeitsorganisation (ILO) haben deshalb ein Ende der
Sparhämmer gefordert. Wenn die Sozialkürzungen, Lohnsenkungen und die
„Flexibilisierung“ des Arbeitsmarktes weitergingen, warnt die ILO, drohten
soziale Unruhen.
Doch Merkel lässt sich nicht beirren. Schon beim EU-Gipfel im Oktober,
gleich nach der Wahl, will sie weiterreformieren. Mit „Strukturreformen“
zur Förderung der „Wettbewerbsfähigkeit“. Was das bedeutet, davon können
Hartz-IV-Empfänger ein trauriges Lied singen. Was Gerhard Schröder einst in
Deutschland durchexekutierte – die Agenda 2010 –, will Merkel nach ihrer
Wiederwahl in Europa durchboxen.
Europas Sozialdemokraten stellen sich dem nicht etwa entgegen. Sie bremsen
nur ein wenig – und wollen Gegenleistungen. Frankreichs Präsident Hollande
etwa fordert eine Arbeitslosenversicherung für die Eurozone – wohl wissend,
dass die „Strukturreformen“ in den betroffenen Ländern zunächst zu einem
Anstieg der Arbeitslosigkeit führen. Merkel sträubt sich noch. Sie will vor
der Wahl keine neue EU-Baustelle. Ein soziales Feigenblatt wie die
„Jugendgarantie“ hingegen dürften auch CDU-Wähler goutieren. Schließlich
schmeckt es nach christlicher Nächstenliebe. Blut, Schweiß und Tränen
kommen wieder – nach der Wahl.
28 Jun 2013
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[1] /EU-Gipfel/!118922/
## AUTOREN
Eric Bonse
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