# taz.de -- Eurokolumne: Sparers Leid mit der Dicken Bertha | |
> Ja, es ist schlimm, wenn durch die Niedrigzinspolitik der EZB Sparer kaum | |
> noch Zinsen bekommen. Aber die Alternative ist noch viel schlimmer. | |
Bild: Eine Möglichkeit, um trotz niedriger Zinsen Geld aus der Sparkasse rausz… | |
Euro-Krise, die nächste Horrormeldung: Der historisch niedrige Leitzins | |
treibt die Kleinsparer des Kontinents in den Ruin, auch kapitalgedeckte | |
Lebensversicherungen werfen nichts mehr ab. Die Dekabank hat es jetzt | |
errechnet: Allein in Deutschland erleiden Sparer reale Vermögensverluste in | |
Höhe von 14,3 Milliarden Euro – Ergebnis von Zins minus Inflation. | |
Das geht an die psychologische Verfassung der Vermögensbildner, die EZB | |
gerät unter den Verdacht, deutsche Sparer enteignen zu wollen. Vorsicht: | |
Man muss über Gründe und Wirkungen der von der Europäischen Zentralbank | |
verursachten Liquiditätsschwemme aufklären. | |
Die Euro-Notenbank hat bereits zu Zeiten von Jean-Claude Trichet im Oktober | |
2010 begonnen, die Geldmärkte zu fluten. Mario Draghi schob | |
milliardenschwere Programme zum unbegrenzten Aufkauf von Staatsanleihen aus | |
Krisenländern nach – Ende 2012 befanden sich davon 524 Milliarden Euro in | |
der EZB-Bilanz. Anleihen werden nur gekauft, wenn die Krisenstaaten sich | |
der Sparpolitik des Euro-Rettungsfonds unterziehen. | |
Der Streit um die Politik von „Dicker Bertha“ oder „Bazooka“ ist | |
fundamental. Am 11. und 12. Juni wird vor dem Bundesverfassungsgericht über | |
die Zulässigkeit der Geldschwemme aus Sicht des Grundgesetzes verhandelt. | |
Die Deutsche Bundesbank stellt sich dabei provokant gegen die EZB. Es drohe | |
Inflation, zudem der Verlust der Unabhängigkeit der Zentralbank. | |
Dabei ist der Streit um die monetäre Wahrheit einfach zu entschlüsseln. Die | |
EZB-Kritiker haben die Herausforderung an eine Geldpolitik unter den | |
Bedingungen einer von Zusammenbruch bedrohten Währungszone bis heute nicht | |
begriffen. Ausgegangen wird dabei nämlich immer von einer nationalstaatlich | |
abgegrenzten stabilen Währungsordnung, mittendrin ein ultrastabiles | |
Bankensystem, das sich brav an die Umsetzung geldpolitischer Ziele hält. In | |
dieser modellierten Welt gelingt die Transformation monetärer Impulse in | |
die Produktionswirtschaft einigermaßen. | |
## Defekte Geldversorgung | |
In Euroland tritt zum Ziel der Geldwertstabilität eine der Deutschen | |
Bundesbank unbekannte Aufgabe: Die EZB muss die Finanzmärkte innerhalb von | |
Euroland überhaupt erst sichern. Denn: Stabile Preise sind nur in einem | |
stabilen Währungsraum zu garantieren. Aber die Geldmärkte für Banken | |
funktionieren im Euro-Raum immer noch nicht. In diese Lücke der defekten | |
Geldversorgung muss die EZB springen. Gegen das gespaltene Euro-Zinsgebiet | |
sowie gegen die spekulativ übertriebenen Renditen für Staatsanleihen in | |
Krisenländern ist sie sogar recht erfolgreich. | |
Dabei dienen die Notprogramme auch der Stärkung der Kreditvergabe der | |
Banken an die Unternehmen, also der Produktionswirtschaft. Allerdings kauft | |
die Euro-Zentrale trotz aller Erfolge nur Zeit. Eigentlich ist die Politik | |
gefordert, die realwirtschaftliche Spaltung abzubauen – durch Verzicht auf | |
die elende Austeritätspolitik als Gegenleistung für Finanzhilfen. | |
## Gesundere Wirtschaft ist nötig | |
Je eher eine die Eurozone gestaltende Politik eingeleitet wird, um so eher | |
kann die EZB den Anleihenkauf stoppen. Mit einer gesunderen Wirtschaft wäre | |
auch der Abschied von der Niedrigzinspolitik möglich. | |
Der Kampf gegen Krise und Massenarbeitslosigkeit sowie die Stabilisierung | |
des Währungssystems rückt die aktuellen Sparermalaisen in ein anderes | |
Licht. Gegenüber den aktuellen Vermögensverlusten durch die | |
Liquiditätsoffensive steht der Preis, der bezahlt werden müsste, wenn die | |
EZB die Notoperation stoppen würde. Am Ende wären nämlich die Ersparnisse | |
insgesamt nicht mehr sicher. Denn: Der Euro-Zusammenbruch führte mit | |
Gewissheit zu massiven Vermögensverlusten durch einen Währungsschnitt. | |
Auch beim derzeitigen Leitzins von 0,5 Prozent ist die Alternativrechnung | |
wichtig. Würde die EZB das Bankensystem nicht mehr mit Liquidität quasi zum | |
Nulltarif versorgen, müsste man mit einem ökonomischen Absturz der gesamten | |
Eurozone rechnen. Die Folgen: massive Einkommensverlusten sowie steigende | |
Arbeitslosigkeit. | |
30 May 2013 | |
## AUTOREN | |
Rudolf Hickel | |
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