# taz.de -- Eurokolumne: Das Spiel der Spekulanten beenden | |
> Japan steht wegen der Abwertung seiner Währung in der Kritik – dabei | |
> handelt das Land aus reiner Not. Was der Markt braucht, ist ein | |
> Weltwährungssystem. | |
Bild: Was die Wirtschaft braucht, ist ein Weltwährungssystem. | |
Es herrscht Krieg! Währungskrieg! Das liest sich knackig und war am | |
vergangenen Wochenende das dominierende Thema des gescheiterten | |
G-20-Gipfels der Industrie- und Schwellenländer. Schuld am politisch | |
forcierten Abwertungswettlauf: Japan, wo der neue Premier Shinzo Abe den | |
Markt mit Yen flutet. Doch die Wahrheit ist viel komplexer. | |
Dass Abe aus purer Verzweiflung handelt, davon war auf dem Gipfel kaum die | |
Rede. Die anderen Gipfelstürmer konzentrierten sich einseitig auf den | |
billigen Yen, der allein in den letzten drei Monaten um knapp 20 Prozent | |
gegenüber dem Euro verloren hat. Dies solle allein den japanischen | |
Exporteuren zusätzliche Erlöse einspielen. | |
Dabei dient die Politik Japans derzeit vor allem einem Ziel: Sie soll die | |
seit Jahren durch sinkende Löhne, Preise und Gewinnerwartungen bestimmte | |
Deflation im Inland bändigen. An dieser notwendigen Stärkung der | |
Binnenwirtschaft Japans hatten die anderen 19 Moskauer Gipfelteilnehmer | |
jedoch kein Interesse. Ihnen ging und geht es nur um den Schutz ihrer | |
Exporte. | |
## Neoliberale Fiktion | |
Dabei könnten sie die immer wieder ausbrechenden Abwertungswettläufe durch | |
eine politische Gemeinschaftsinitiative stoppen. Sie entscheiden sich | |
dagegen – und rechtfertigen dies trotz bitterer Erfahrungen mit dem | |
gescheiterten Neoliberalismus mit einer fatalen Markteuphorie. Die | |
G-20-Marktfundamentalisten postulieren: Wechselkurse sollen sich ungestört | |
auf freien Devisenmärkten bilden – eine neoklassische Fiktion. | |
Christine Lagarde, Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), | |
attestiert den führenden Währungen, es gebe derzeit „keine größeren | |
Abweichungen vom marktgerechten Kurs“. Hier gilt wohl das Motto, alles, was | |
der Markt richtet, sei auch gerecht. EZB-Präsident Mario Draghi stellt | |
zudem dem Außenwert des Euro ein prima Zeugnis aus: „Der Euro bewegt sich | |
im normalen Rahmen seiner längerfristigen Spanne“. Über das Ausmaß der | |
Spanne äußert er sich nicht. | |
Angeblich spiegelten sich in den Devisenkursen die gesamtwirtschaftlichen | |
Fundamentaldaten wider. Also: Vergleichsweise hohe Wechselkurse bedeuten | |
eine besonders hohe Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen Ländern. | |
Doch: Im krisenanfälligen Spekulationskapitalismus hat diese Erklärung | |
längst an Bedeutung verloren. Einerseits beeinflussen heute vor allem die | |
von unsicheren Erwartungen getriebenen Kapitalbewegungen auf den | |
internationalen Märkten die Devisenkurse. Vor allem aber irrationalisieren | |
massive Spekulationsgeschäfte mit Devisen und derivaten Währungsprodukten | |
die Preisbildung. | |
## Zockerei mit 5 Billionen Dollar | |
Die Umschreibung für diese Unfähigkeit der Wirtschaftswissenschaft, die | |
Wechselkursbewegungen nicht mehr theoretisch erklären zu können, ist der | |
Hinweis auf ihre vertrackte Volatilität. Nach der letzten Erhebung der Bank | |
für Internationale Zahlungsausgleich belief sich im Herbst 2011 der | |
weltweite Devisenumsatz im Schnitt auf täglich bis zu 5 Billionen (!) | |
Dollar. Um reale Geschäfte – etwa Bezahlungen von Rechnungen für | |
Lieferungen aus dem Dollar-Raum – handelt es sich dabei kaum. Es ist fast | |
alles Zockerei. Trotzdem redeten die Gipfelstürmer von mit den | |
Marktgesetzen konformen Wechselkursen. | |
Die G 20 hat es damit aufgegeben, die spekulativen Einflüsse, die am Ende | |
auch die reale Wirtschaft belasten, zu bändigen. Dabei hat das Spiel der | |
Spekulanten auch bei der jüngsten Yen-Abwertung gezeigt, wo gehandelt | |
werden müsste. Die Hedgefonds, auch mit George Soros im Einsatz, haben mit | |
ihrer Jagd nach Spekulationsgewinnen den Druck auf die Abwertung massiv | |
erhöht. Die doppelte Lehre lautet: Erstens müssen Spekulationsgeschäfte zur | |
Stärkung rationaler Preisbildung eingedämmt werden. | |
Zweitens muss – anstatt in Marktdogmen zu flüchten – endlich wieder die | |
Arbeit am Aufbau eines Weltwährungssystems aufgenommen werden. In einem | |
ersten Schritt sollte dafür eine koordinierte Geldpolitik zur | |
Stabilisierung der Wechselkurse angestrebt werden. Wenn hier nichts getan | |
wird, sind Abwertungswettläufe mit der Gefahr protektionistischer | |
Abschottung vorprogrammiert. | |
Die Gipfelteilnehmer von Moskau hätten sich an 1975 erinnern sollen, an | |
ihre Gründungsgruppe in Rambouillet. Damals setzten sich sechs Staaten für | |
eine koordinierte Geldpolitik und gegen massive Wechselkursinstabilitäten | |
ein. Nach dem Zusammenbruch der innerhalb bestimmter Bandbreiten fixen | |
Wechselkurse von Bretton Woods von 1944 war das der erste Versuch | |
internationaler Zusammenarbeit. Aber: Diese Grundidee sollte zur | |
Stabilisierung der Währungskurse dringend wiederaufgenommen – und | |
weiterentwickelt – werden. | |
22 Feb 2013 | |
## AUTOREN | |
Rudolf Hickel | |
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