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# taz.de -- Eurokolumne: Zweifeln ja, aber doch nicht so
> Wie lange halten die Opfer der Krise noch still? Die Euroländer brauchen
> eine neue Strategie, wenn der Euro bleiben soll.
Bild: Dämme fordern heißt nicht Hochwasser wünschen
Auch gelernte Optimisten sind mittlerweile echt besorgt. Nicht trotz,
sondern wegen der europaweit umgesetzten „Sparpolitik“ verschärft sich die
Krise von Tag zu Tag. Immer mehr Menschen verlieren ihren Job. Immer mehr
Menschen müssen Lohnkürzungen hinnehmen.
Längst hat die Krise auch die Realwirtschaft fest im Griff. Da die
Steuereinnahmen sinken, stellen viele Staaten abermals neue Sparziele auf –
die wiederum verpasst werden. Ohne eine politische Kehrtwende droht
Euroland an seiner Krise zu ersticken. Ob und wie lange der Euro noch
Bestand haben wird, ist also eine offene Frage.
Da ist es nur verantwortlich, sich Gedanken über Szenarien zu machen, wie
man das drohende Ende der Gemeinschaftswährung gestalten kann. Das heißt
allerdings nicht, Dampfplauderern wie der Alternative für Deutschland (AfD)
auf den Leim gehen – so wie ihr jüngstes Mitglied, der Tübinger Ökonom
Joachim Starbatty.
Laut Frühjahrsprognose der EU-Kommission wird Deutschland neben Luxemburg
2013 das einzige Gründungsmitglied der EU sein, das ein – wenn auch mageres
– Wirtschaftswachstum erzielen kann. Die Eurokrise ist also längst von der
Peripherie ins Zentrum des Kontinents vorgerückt. Doch anstatt dem Siechtum
entgegenzuwirken, hält die Bundesregierung an ihrem Kurs fest. Es würde
derzeit kaum jemanden überraschen, wenn Wolfgang Schäuble im Bundestag den
Satz „Den Monetarismus in seinem Lauf halten weder Ochs noch Esel auf“,
nuscheln würde.
## Die Opfer sind nicht zu schwach
Die Frage, wie lange die Duldungsstarre der Opfer noch anhält, ist
folgerichtig. Ab wann handeln die Regierungen der unter dem Sparhammer
leidenden Länder – und wählen als Ausweg aus dem Teufelskreis den Austritt
aus der Eurozone? Ob dies bei einer Arbeitslosenquote von 30 oder 50
Prozent geschieht, kann niemand seriös beantworten. Es ist jedoch vermessen
wie geschichtsvergessen zu glauben, dass die Opfer der Eurokrise zu schwach
sind, um sich zu erheben, falls sie keine anderen Alternativen mehr sehen.
Also: Will die Eurozone langfristig an der Gemeinschaftswährung festhalten,
müsste ein grundlegender Strategiewechsel stattfinden. Vor allem in Berlin:
Weigert man sich hier weiter, seine Leistungsbilanzüberschüsse abzubauen,
wird ein Schuldenschnitt zulasten Deutschlands nicht zu vermeiden sein.
Selbst dann kann es ohne dauerhaften innereuropäischen Finanzausgleich kein
Zurück zum Vorkrisensystem geben.
Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass ein solcher Finanzausgleich, bei dem
mit deutschen Steuergeldern die Leistungsbilanzüberschüsse der deutschen
Exporteure ausgeglichen werden, überhaupt politisch umsetzbar ist. Wenn
sich Deutschland nicht bewegt, hat der Euro keine Zukunft.
Wenn nach Abwägung aller Optionen ein Ende des Euros nicht unwahrscheinlich
ist, muss man sich auch Gedanken darüber machen, wie man das Ende der
Gemeinschaftswährung konstruktiv gestalten kann. Wenn der Euro scheitert,
scheitert zwar nicht Europa – ein Ende der Gemeinschaftswährung wäre jedoch
ein volkswirtschaftlicher und politischer Tsunami höchster Kategorie. Und
es wäre nicht nur fahrlässig, sondern unverantwortlich, die Zukunft Europas
fatalistisch dieser Urgewalt auszuliefern.
Die Diskussion über ein Ende des Euros ist jedoch nicht damit zu
verwechseln, dass man sich einen Zusammenbruch wünschen würde. Im
Gegenteil. Man muss auch über Dämme diskutieren können, ohne damit in den
Verdacht zu kommen, man wünsche sich Hochwasser. Davor die Augen zu
verschließen hieße auch, sich aus einer notwendigen konstruktiven Debatte
zurückzuziehen – und Populisten wie der AfD das Spielfeld kampflos zu
überlassen. Das kann aber keiner ernsthaft wollen.
26 May 2013
## AUTOREN
Jens Berger
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