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# taz.de -- Eurokolumne: Ihre Majestät möchte lieber knausern
> Merkel ist Europas Sparmonarchin. In Deutschland wagt niemand der
> Kanzlerin zu widersprechen. Doch in der EU bricht ihre Allianz
> auseinander.
Bild: Wer ist hier die Queen?
Offiziell wurde das Delikt der Majestätsbeleidigung schon im Deutschen
Reich abgeschafft. Doch wenn es um Kanzlerin Merkel und den Euro geht,
leben wir wieder in vordemokratischen Zeiten. Wer es wagt, Ihre Majestät zu
kritisieren und am Merkel’schen Spardogma zu rütteln, wird mit einem
öffentlichen Shitstorm nicht unter fünf Tagen bestraft. Und natürlich mit
der Verbannung vom Hofe.
Genau das ist jetzt Frankreichs Staatschef Hollande passiert. Weil seine
Sozialisten es wagten, Merkel „egoistische Unnachgiebigkeit“ vorzuwerfen
und eine „Konfrontation“ zu fordern, feuern deutsche Medien und Politiker
aus allen Rohren auf Paris. Dabei war die Analyse, dass Merkel in der
Eurokrise vor allem an die deutsche Wirtschaft denkt, völlig richtig.
Richtig ist auch, dass Euroland nicht noch mehr Sparprogramme braucht,
sondern Wachstum. Die Konjunktur kühlt sich gerade empfindlich ab, nach
Volkswagen bekommen auch BMW und Siemens die Krise zu spüren.
Doch in Brüssel gewähren die EU-Granden bereits ein bisschen
Gedankenfreiheit. Kommissionspräsident Barroso sprach aus, was viele
denken: Der Sparkurs hat seine Grenzen erreicht. Italiens neuer Premier
Letta stimmte ein: „Sparprogramme allein töten uns“, sagt er bei seinem
Amtsantritt.
## Sparen? Non, merci
Deutet sich also eine Wende an? Fällt beim nächsten EU-Gipfel das
Merkel’sche Spardogma? Oder müssen die Kritiker so lange warten, bis Ihre
Majestät vom obersten Souverän, dem deutschen Bürger, abgestraft wird, wie
man in Paris offenbar glaubt? Die Sache ist wohl ein wenig komplizierter.
Manches ist schon jetzt in Bewegung gekommen, anderes dürfte noch lange –
zu lange – dauern.
Fangen wir mit den guten Nachrichten an: Der Sparkurs wurde bereits
gelockert. Spanien und Portugal haben mehr Zeit zur Erfüllung ihrer
Defizitziele erhalten, Frankreich dürfte bald folgen. Auch Italien kann mit
Nachsicht rechnen, schließlich gibt es so etwas wie einen Amtsbonus für den
neuen Premier. Und noch hängt Rom nicht am Tropf der Euroretter, es ist
sogar Geberland.
Zu den guten Nachrichten gehört auch, dass sich die Niederlande über
Merkels Dogmen hinwegsetzen. Bei Hofe spricht man nicht gerne darüber, in
den großen Zeitungen wird selten davon berichtet. Doch kaum, dass der
niederländische Finanzminister Dijsselbloem zum neuen Eurogruppenchef
ernannt wurde, genehmigte er sich für sein eigenes Land ein
milliardenschweres Sparmoratorium.
Wachstum zuerst, heißt die neue Parole in Den Haag – und die Kritiker des
Sparkurses in Paris, Rom oder Brüssel können sich darauf berufen. Man denke
nur: Ausgerechnet Jeroen Dijsselbloem, der Statthalter Ihrer Majestät in
der Eurogruppe, wird zum Kronzeugen gegen die deutsche Austeritätspolitik!
Wenn Hollande und Letta es geschickt anstellen, können sie mit Dijsselbloem
ein Bündnis schmieden. Sie müssen gar nicht die offene Konfrontation mit
Merkel suchen, wie dies die französischen Sozialisten zunächst gefordert
hatten. Es genügt, Ihre Majestät mit den Realitäten zu konfrontieren: Die
Sparvorgaben sind nicht zu halten, ein Land nach dem anderen fällt vom
deutschen Dogma ab.
## Tabus bei Hofe
Doch die schlechte Nachricht: All diese Lockerungsübungen werden nicht
reichen, um Wachstum zu schaffen und die Eurokrise zu überwinden. Südeuropa
steckt nicht nur in einer Rezession, sondern in einer überaus gefährlichen
Depression.
Die lässt sich nicht mit dem Aufschieben von Sparzielen überwinden. Was wir
brauchen, ist eine expansive Finanzpolitik. Zumindest in jenen Ländern, die
sich das leisten können – also Deutschland, Österreich, Finnland und
vielleicht auch die Niederlande. Die Export- und Überschussländer müssen
gegensteuern und mehr aus den Krisenländern importieren. Nur so kann die
Konjunktur in Gang kommen.
Doch bis sich diese Einsicht in Berlin durchsetzt, kann es noch lange
dauern. Bei Hofe ist sie tabu. Und selbst die Opposition wagt es nicht, in
die Richtung zu denken. Irgendwie ist Deutschland doch eine Monarchie.
3 May 2013
## AUTOREN
Eric Bonse
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