| # taz.de -- Länderübergreifender Krisen-Protest: Europas Linke mit Visionen | |
| > Linke Sozialdemokraten, Grüne, Intellektuelle und andere Linke suchen | |
| > eine europaweite Allianz. Ein gemeinsamer Aufruf soll die Kehrtwende | |
| > einleiten. | |
| Bild: Auf dem Syntagmaplatz in Athen wird die Zerrissenheit Europas besonders d… | |
| BERLIN taz | Hilde Mattheis strahlt. „Uns ist eine einmalige Aktion | |
| gelungen“, sagt die Chefin der SPD-Linken am Mittwochmorgen in einem | |
| Berliner Café. Sie stellt den Aufruf „Europa geht anders“ vor, zeitgleich | |
| mit Sozialdemokraten, Linken, Grünen, Gewerkschaftern und Wissenschaftlern | |
| in Österreich, Italien und Frankreich. | |
| Erstmals regt sich mit dem Aufruf der europäischen Linken ein länder- und | |
| parteiübergreifender Protest gegen die Europapolitik insbesondere von | |
| Kanzlerin Angela Merkel. Die Initiatoren stellen sich gegen den Plan für | |
| den geplanten „Pakt für Wettbewerbsfährigkeit“. | |
| Mattheis befürchtet, dass mit Merkels Spardiktat künftig die Technokraten | |
| über Europa herrschen und die nationalen Parlamente entmachten. „Europa | |
| braucht Innovationen, ein Wachstumspaket und eine europäische | |
| Vermögensabgabe“, sagt Mattheis, Vorsitzende des Forums Demokratische Linke | |
| 21 (DL 21) in der SPD. Den Aufruf sieht sie als „Allianz des Widerstands | |
| gegen die Troika für alle“. Hintergrund des Protests sind Pläne des | |
| Europäischen Rats für einen Wettbewerbspakt, der alle Euroländer zu | |
| Strukturreformen verpflichten will. Der Pakt bedeute nichts anderes als | |
| „Lohndumping, Sozialabbau und Privatisierung“, heißt es in dem Aufruf. | |
| Statt mehr Wettbewerb brauche es eine „Kehrtwende zu einem demokratischen, | |
| sozialen und ökologischen Europa der Vielen“. Diese Kehrtwende von links | |
| müsse „eine europäische Umverteilung des Reichtums durch faire Einkommen | |
| und höhere Gewinn- und Vermögensbesteuerung“ in Angriff nehmen. Statt die | |
| Rechte von Gewerkschaften und Beschäftigten zu schwächen, müssten sie | |
| gestärkt werden. | |
| ## Von Attac bis zu französischen Linken | |
| In Deutschland haben vor allem linke SPDler den Aufruf unterschrieben: | |
| neben Mattheis auch der Berliner SPD-Chef Jan Stöß und Ralf Stegner, | |
| SPD-Vorsitzender in Schleswig-Holstein. Auch Linkspartei-Politiker sind | |
| dabei – die prominenteste ist Parteichefin Katja Kipping. Dazu kommen | |
| Gewerkschafter, Ökonomen und Mitglieder des globalisierungskritischen | |
| Netzwerks Attac. | |
| Da Linke in Österreich die Aktion angestoßen haben, ist das Bündnis der | |
| Unterzeichner dort besonders breit. Grüne, Sozialdemokraten und etliche | |
| prominente Autoren, Wissenschaftler und Menschenrechtler gehören zu den | |
| Initiatoren. Aus Italien sind linke Politiker vertreten, ebenso aus | |
| Frankreich, wo vor allem Mitglieder des linken Flügels von Staatschef | |
| François Hollandes Parti socialiste (PS) mitmachen. | |
| Der französische Sozialist Mathieu Pouydesseau von der PS ist nach Berlin | |
| gereist und stellt den Aufruf der Linken vor. Denn: „Wir brauchen eine | |
| sozialdemokratische Vision von Europa, dazu müssen wir vom linken Flügel | |
| besonders stark mitarbeiten.“ | |
| ## Bisher zu wenig Kritik | |
| „Wir stehen vor den Trümmern der verfehlten Europolitik. Statt einem | |
| Weiter-so muss es darum gehen, die Gegenkräfte zu mobilisieren“, erklärt | |
| Dierk Hirschel, bei der Gewerkschaft Ver.di für Wirtschaftspolitik | |
| zuständig. Bisher hätten auch die Gewerkschaften die Europapolitik von | |
| Merkel und ihren Gefolgsleuten unzureichend kritisiert. „Weil in | |
| Deutschland die direkten Auswirkungen der Eurokrise kaum spürbar sind, war | |
| es bisher schwer zu mobilisieren“, sagt Hierschel. Das müsse sich ändern. | |
| Man will das Thema jetzt in die öffentliche Diskussion bringen und um | |
| Unterstützung werben. | |
| Dem Aufruf auf [1][www.europa-geht-anders.eu] haben sich innerhalb weniger | |
| Stunden bis zum Mittwochnachmittag knapp 500 Unterstützer aus mehreren | |
| europäischen Ländern angeschlossen. In Deutschland zählen vor allem | |
| SPD-Linke zu den Erstunterzeichnern. Eine Umfrage von Ende April bestätigt | |
| sie in ihrem Kurs: 70 Prozent der Befragten sehen den mangelnden | |
| Wählerzuspruch der SPD darin begründet, dass die Partei nicht deutlich | |
| mache, wie sie die Eurokrise lösen will. | |
| ## Kein Unterschied mehr zur Union | |
| „Die SPD ist noch auf der Suche nach dem richtigen Europakurs“, sagt Hilde | |
| Mattheis. Sie will mit der Initiative die gesamte Partei und die | |
| SPD-Bundestagsfraktion dazu aufrufen, sich zu positionieren. Wie sich die | |
| Parteispitze zum Aufruf verhält, ließ sich am Mittwoch nicht in Erfahrung | |
| bringen. Vage hieß es aus der SPD, der Vorschlag sei ein „interessanter und | |
| wichtiger Debattenbeitrag“. | |
| Die SPD hat sich bisher tatsächlich schwergetan in Fragen der Eurokrise. | |
| Zwar kritisiert sie immer wieder den Sparkurs von Kanzlerin Merkel und ihre | |
| oft zögernde Haltung. Eine grundsätzlich andere Europapolitik war bisher | |
| aber nicht zu erkennen. Letztlich stimmte die SPD in allen wichtigen | |
| Euro-Abstimmungen im Bundestag mit der Union. Für die Wähler ist der | |
| Unterschied zur Union daher kaum auszumachen. | |
| Das könnte sich ändern, wenn die Parteispitze sich dem Kurs der SPD-Linken | |
| anschließt und den Aufruf unterstützt. Der hat allerdings noch einen Makel: | |
| Bisher sind vor allem Ziele eher unverbindlicher Art formuliert. Wie | |
| konkret diese aber umgesetzt werden können, lassen die Initiatoren | |
| weitestgehend offen. | |
| 15 May 2013 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.europa-geht-anders.eu | |
| ## AUTOREN | |
| Paul Wrusch | |
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