# taz.de -- Eurokolumne: Schäuble baut deutsches Europa | |
> Schäuble hat in der Eurogruppe das Sagen. Doch sein kaltschnäuziges | |
> Vorgehen schürt die Angst vor einem deutschen Europa. | |
Bild: Schäuble spielt den starken Mann. | |
Unser Bundesfinanzminister lässt sich gern als letzter überzeugter Europäer | |
im Kreise einer überzeugungsfreien Bundesregierung feiern. Vor einem Jahr | |
hat Wolfgang Schäuble dafür sogar den Karlspreis erhalten. Die Laudatio | |
hielt Jean-Claude Juncker, der damals noch Eurogruppenchef war. Heute | |
dürfte sich Juncker dreimal überlegen, ob Schäuble wirklich preiswürdig | |
ist. | |
Denn mit seinem rücksichtslosen Agieren in der Zypernkrise hat Schäuble so | |
viel Porzellan zerschlagen, dass selbst Junckers Heimat Luxemburg angst und | |
bange wird. „Verletzende Töne“ habe Schäuble angeschlagen, beschwerte sich | |
Außenminister Jean Asselborn. Andere waren weniger diplomatisch und warfen | |
ihm Erpressung vor. | |
Schäuble habe Zypern „die Pistole an den Kopf“ gesetzt, berichtete der | |
Finanzminister Maltas. Mitglieder der wichtigen Euro-Arbeitsgruppe | |
kritisierten zudem, dass Schäuble alle Macht an sich gezogen habe. Jeroen | |
Dijsselbloem, der Nachfolger Junckers in der Eurogruppe, sei nicht viel | |
mehr als eine Marionette des Ministers. | |
Was ist von diesen Vorwürfen zu halten? Ziemlich viel. Schäuble hat seine | |
Macht in Europa systematisch ausgebaut. Er stützt sich dabei auf die | |
Niederlande und Finnland – neben Deutschland die letzten beiden Eurostaaten | |
mit dem Spitzenrating AAA. Mit ihrer Hilfe hält Schäuble die Zügel in der | |
Eurogruppe in der Hand – viel wichtigere Länder wie Frankreich oder Italien | |
werden auf Distanz gehalten. | |
## Schäuble der Überzeugungstäter | |
Schäuble geht dabei so kaltschnäuzig vor, dass er mittlerweile selbst von | |
befreundeten Staaten mehr gefürchtet als respektiert wird. Aus dem | |
überzeugten Europäer der Ära Kohl ist unter Kanzlerin Merkel ein | |
Überzeugungstäter geworden, der mit harten Spardiktaten und rhetorischen | |
Attacken zur Spaltung Europas beiträgt. | |
Vor allem die verbalen Angriffe haben es in sich. Vor einem Jahr hätten sie | |
fast zur Explosion der Eurozone geführt. Schäuble ging die Griechen derart | |
aggressiv an, dass es sogar der US-Regierung zu bunt wurde: Sie schickte | |
Finanzminister Geithner zu einem Blitzbesuch nach Sylt, um den Urlauber | |
Schäuble zur Räson zu bringen. | |
Diesmal, im Streit über Zypern, konnte Schäuble ungehindert agieren. Wieder | |
nahm er keine Rücksicht. Erst wurde Zypern als russisches | |
Schwarzgeld-Paradies gebrandmarkt. Als der angebliche Beweis, ein dubioser | |
BND-Bericht, sich als nicht stichhaltig erwies, erfand Schäuble die | |
Geschichte vom geplatzten Geschäftsmodell. Die ist zwar genauso dünn: | |
Zypern war nicht wegen des aufgeblähten Finanzsektors, sondern wegen des | |
Schuldenschnitts in Athen in die Krise gerutscht. | |
## Wettern gegen das „Finanzcasino“ | |
Doch das Gerede vom Geschäftsmodell hat den Vorteil, dass es auch die SPD | |
überzeugt, die schon seit langem gegen das „Finanzcasino“ Zypern wettert. | |
Zudem hat es den Charme, weniger martialisch zu klingen. Und wenn es | |
gelänge, das „Geschäftsmodell“ Zyperns zu zerschlagen, so könnte man nach | |
demselben Muster auch andere missliebige Wirtschaftszentren angreifen. | |
Genau dies sei die Absicht Schäubles, heißt es nun von Malta bis Luxemburg, | |
von Liechtenstein bis in die Schweiz. All diese Länder sind, ähnlich wie | |
Zypern, überdimensionierte Finanzzentren. Man könnte also über die Kritik | |
hinweggehen und so tun, als träfe es die Richtigen. Doch Schäuble hat | |
größeren Schaden angerichtet, als ein paar Banker aufzuschrecken. Er hat | |
die Angst vor der deutschen Dominanz, die im Süden schon Gemeingut ist, ins | |
Herz Europas verpflanzt. Das ist brandgefährlich. | |
Denn die überdimensionierte deutsche Autoindustrie oder die ausufernden | |
deutschen Waffenexporte stehen ja nicht zur Disposition. Es geht immer nur | |
um die anderen, die im Zuge der Eurokrise zurechtgestutzt werden. Kein | |
Wunder, dass die Angst vor einem deutschen Europa wächst. Den Karlspreis | |
hat Schäuble für diese Leistung gewiss nicht verdient. | |
5 Apr 2013 | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
Eric Bonse | |
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