# taz.de -- Eurokolumne: Schmierentheater statt Therapie | |
> Merkel lud zum EU-Gipfel gegen Jugendarbeitslosigkeit. Anstatt echte | |
> Lösungen zu präsentieren, nutzte sie das Treffen für ihren Wahlkampf. | |
Bild: „Act now!“, fordern junge Menschen bei einer Demo in Berlin gegen Jug… | |
Mittwoch, die Kanzlerin empfängt zum großen europäischen Gipfel gegen die | |
Jugendarbeitslosigkeit in Berlin. Was für eine wunderbare Gelegenheit, das | |
Image von „Mutti“ zu pflegen, der das Wohl von Europas Jugendlichen am Herz | |
liegt. So ein Schmierentheater! Erst sorgt sie dafür, dass Millionen | |
Menschen ihren Job verlieren, dann will sich die Kanzlerin öffentlich dafür | |
feiern lassen, dass sie den Opfern Medizin in homöopathischen Dosen | |
verabreicht. | |
Weshalb finden sechs Millionen Jugendliche in der EU keinen Job? Liegt das | |
etwa an den Staatsschuldenquoten? Spanien hat eine von inzwischen 97 | |
Prozent des Bruttoinlandsprodukts, außerdem eine Arbeitslosenquote von 27 | |
Prozent. Japan hat eine von derzeit 245 Prozent, aber nur 4 Prozent der | |
Erwerbsfähigen sind arbeitslos. Einen kausalen Zusammenhang zwischen den | |
beiden Größen scheint es demnach nicht zu geben. | |
Liegt es etwa an der geringen Flexibilität des Arbeitsmarktes in den | |
besonders betroffenen Ländern? Noch eins von Merkels Lieblingsargumenten. | |
Der japanische Arbeitsmarkt wird in Vergleichsstudien als der am | |
striktesten regulierte innerhalb der OECD bezeichnet. Daran kann es also | |
auch nicht liegen. Es leuchtet ja auch niemandem ein, warum die | |
Arbeitslosigkeit in Spanien sinken sollte, wenn man den Kündigungsschutz | |
für ältere Arbeitnehmer abschafft. | |
Um sich dem Mysterium zu nähern, lohnt es sich, einmal in die Rolle eines | |
spanischen Arbeitgebers zu schlüpfen. In der realen Welt stellen | |
Unternehmen Personal ein, wenn sie an eine Steigerung ihres Umsatzes | |
glauben. Genau hier liegt doch der Kern des Problems: In den | |
südeuropäischen Krisenstaaten ist keine Umsatzsteigerung in Sicht, | |
sämtliche Konjunkturindikatoren zeigen seit Beginn der „Sparpolitik“ gen | |
Süden. Und wenn die Wirtschaft schrumpft, die Investitionen zurückgefahren | |
werden, werden die Unternehmen auch nicht aufhören, ihre Personalstärke zu | |
reduzieren, geschweige denn neue Arbeitsplätze schaffen. | |
## 8 Milliarden Euro Brosamen | |
Die von Angela Merkel angestoßene „Sparpolitik“ in Europa hat zu einer | |
Situation geführt, die der Ökonom Richard Koo als Bilanzrezession | |
bezeichnet. Da Haushalte und Unternehmen ihre Ausgaben reduzieren, müsste – | |
so Koo – der Staat einspringen und die Konjunktur durch neue, | |
kreditfinanzierte Investitionen auffangen, um die Krise zu beenden. Wie wir | |
wissen, sieht die Realität jedoch genau andersherum aus. | |
Wenn aber alle drei Sektoren auf Teufel komm raus „sparen“ wollen und sich | |
niemand neu verschuldet, kommt es zu einer Rezession, die nicht nur durch | |
sinkende Zinsen, sondern auch durch steigende Arbeitslosenzahlen | |
gekennzeichnet ist. Logische Antwort darauf wäre, staatlich finanzierte | |
Konjunkturprogramme im großen Stil aufzulegen. Der „Marshall-Plan“, mit dem | |
der DGB die Jugendarbeitslosigkeit bekämpfen will, wäre wenigstens der | |
Anfang einer Lösung. Merkels Masterplan, die lächerlich geringe Summe von 8 | |
Milliarden Euro für arbeitsmarktpolitische Programme zur Verfügung zu | |
stellen, ist makroökonomisch kaum mehr als Brosamen. | |
Es ist zudem nicht sonderlich nachhaltig, Unternehmen Zuschüsse für | |
Ausbildungsplätze zu zahlen – und ansonsten weiter die Ausgaben zu | |
reduzieren. Was passiert denn mit den Arbeitsplätzen, wenn die Zuschüsse | |
auslaufen, ohne dass die Konjunktur sich gefangen hat? Die beste Hilfe für | |
Europas Jugend wäre es, die Konjunktur durch Investitionsprogramme | |
anzukurbeln, die ihren Namen auch verdient haben. Dann werden die | |
Unternehmen ganz automatisch neue Jobs schaffen – und Jugendlichen einen | |
Ausbildungsplatz geben. | |
Mit Sparhaushalten ist dies jedoch nicht zu machen. Solange Angela Merkel | |
diesen simplen Zusammenhang ignoriert, muss sie sich den Vorwurf gefallen | |
lassen, mit dem Leid der verlorenen Generation Wahlkampf zu machen. Billige | |
Inszenierungen sind das Letzte, was Europa in der Krise braucht. | |
5 Jul 2013 | |
## AUTOREN | |
Jens Berger | |
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