# taz.de -- Eurokolumne: Raus aus der Troika! | |
> Die Eurozone hat sich in eine scheinbar ausweglose Lage manövriert. Was | |
> tun? Der IWF scheint es zu wissen: Schluss mit der ökonomischen | |
> Voodoopolitik. | |
Bild: Der IWF scheint unter seiner Chefin Christine Lagarde dazu gelernt zu hab… | |
Wirklich raus aus dem Euro will außerhalb von Deutschland, wo die | |
neugegründete Alternative für Deutschland für eine Auflösung des | |
Währungsgebiets wirbt, eigentlich niemand. Kein Krisenland, keine Partei, | |
abgesehen von einzelnen Gruppierungen. Nicht einmal Syriza, der das immer | |
wieder nachgesagt wird. | |
Tatsächlich hatte die griechische Linkspartei für den Fall eines Wahlsiegs | |
lediglich in Aussicht gestellt, die Austeritätspolitik aufzukündigen. Auch | |
die sich so solide fühlenden Nordeuroländer wissen sehr wohl, was bei einer | |
Auflösung der Eurozone auf dem Spiel steht. | |
Die Frage ist nicht, ob eine Aufwertung der Deutschmark oder eines Nordeuro | |
schädlich wäre, sondern nur, wie stark sie ausfallen würde. 30 Prozent? 50 | |
Prozent? All die schöne Wettbewerbsfähigkeit wäre jedenfalls mit einem | |
Schlag dahin. In den Krisenländern weiß die Bevölkerung ebenfalls sehr | |
genau, dass ein Austritt aus der Eurozone allein die Schuldenberge nicht | |
verschwinden lassen würde. Auch Drachme, Escudo oder Pesete schützen nicht | |
vor Angriffen aus den Finanzmärkten. | |
Die Eurozone hat sich in eine scheinbar ausweglose Situation manövriert. | |
Die Menschen in den Krisenländern ächzen unter den Folgen der | |
Kürzungspolitik, das versprochene Licht am Ende des Tunnels ist nicht in | |
Sicht. Im Gegenteil: Obwohl Haushaltsdefizite sinken, steigen die | |
Schuldenquoten wegen der gleichzeitig schrumpfenden Wirtschaftsleistung | |
weiter. | |
## Einer muss die Nerven verlieren | |
Die Erfolglosigkeit veranlasst VertreterInnen von Politik und Medien, | |
lauthals die angeblich mangelnde Umsetzung zugesagter Maßnahmen | |
anzuprangern und noch schärfere Kürzungen einzufordern. Das wiederum lässt | |
– im besten Fall – Defizite weiter sinken, Ökonomien aber den Bach | |
runtergehen und Arbeitslosigkeit sowie Schuldenquoten in schwindelnde Höhen | |
steigen. Früher oder später muss eine Seite in dieser verfahrenen Situation | |
die Nerven verlieren. | |
Tatsächlich könnte es jetzt Bewegung geben: Der Internationale | |
Währungsfonds, der über die Troika mit im Spiel ist, scheint den selbst mit | |
ausgelösten Teufelskreis erkannt zu haben. IWF-Chefin Christine Lagarde | |
fordert einen weiteren Schuldenschnitt für Griechenland. Die Reaktion fällt | |
bei manchen erwartungsgemäß allergisch aus: | |
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hält überhaupt nichts davon, die | |
Kanzlerin posaunt, ein Schuldenschnitt verschrecke die Investoren. Den IWF | |
am liebsten gleich aus der Troika hinauskomplimentieren will EU-Kommissarin | |
Viviane Reding. Wenn jemand in diesen Tagen von „Exit-Option“ spricht, | |
könnte also nicht „raus aus dem Euro“, sondern „raus aus der Troika“ | |
gemeint sein. | |
## Optimistisch überschätzt | |
Ohne hier nach der Sinnhaftigkeit eines Schuldenschnitts zu fragen, steht | |
hinter dieser Forderung allerdings kein plötzlicher Sinneswandel von | |
Lagarde. Sie ist die konsequente Fortsetzung der IWF-Politik. Seine | |
Warnungen wollte der Rest der Troika bloß nicht hören. Eine IWF-Studie | |
hatte vor einigen Monaten ergeben, dass die negative Auswirkungen von | |
Kürzungspolitik auf die wirtschaftliche Entwicklung bisher regelmäßig | |
unterschätzt wurden. In weiteren Studien räumten die Experten ein, dass man | |
die Wirkung der bisherigen Hilfsprogramme optimistisch überschätzt habe. | |
Und genau das bestätigt sich laut IWF nun in Griechenland. | |
Die Botschaft des IWF ist klar: Die Krisenländer weiter totzusparen, bringt | |
nichts, und alleine können sie es nicht schaffen. Verkehrte Welt für alle, | |
die den IWF in den letzten Jahrzehnten als Totengräber für Länder des | |
globalen Südens in wirtschaftlicher Not kennengelernt haben. Aber eine | |
gewisse Lernfähigkeit sollte niemandem abgesprochen werden, auch keiner | |
Institution. | |
Und wenn es die beim IWF tatsächlich gibt, wäre es am aussichtsreichsten, | |
wenn er sich mit den Krisenländern zusammentäte und sie gemeinsam eine | |
klare Ansage gegenüber den Nordeuroländern machten: Schluss jetzt mit der | |
ökonomischen Voodoopolitik, sonst lassen wir die Eurozone platzen. Davor | |
haben Letztere nämlich mindestens so viel Furcht wie Erstere. Wenn dieser | |
Schachzug erfolgreich wäre, hätte die Eurozone noch eine gute Chance. | |
26 Jul 2013 | |
## AUTOREN | |
Sabine Reiner | |
## TAGS | |
Alternative für Deutschland (AfD) | |
Eurokrise | |
Troika | |
Viviane Reding | |
Eurokolumne | |
EZB | |
Eurokrise | |
Eurokolumne | |
Sparpolitik | |
Euro | |
Euro | |
Austerität | |
EZB | |
Griechenland | |
Krise | |
Griechenland | |
Eurokolumne | |
Europäische Zentralbank | |
Eurokrise | |
Jugendarbeitslosigkeit | |
Wirtschaft | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Eurokolumne: Undank ist des Schäubles Lohn | |
Es sieht nur so aus, als ob sich Finanzminister und Deutsche Bank streiten. | |
Tatsächlich ist der Kassenwart oberster Lobbyist des Geldhauses. | |
Eurokolumne: EZB-Miese? Kein Problem! | |
Verlust ist nicht immer Verlust: Warum soll Präsident Mario Draghi mit der | |
Europäischen Zentralbank nicht mal kräftig Miese machen dürfen? | |
Eurokolumne: Desaster? Nicht bei uns! | |
Die EU siecht vor sich hin. Aber die Großkoalitionäre in Deutschland tun | |
so, als ob die Krise auf einem anderen Planeten stattfindet. | |
Eurokolumne: Der Patient aus Paris | |
Frankreich fehlt eine Strategie, um dem Dilemma der Deindustrialisierung zu | |
entkommen. Standard & Poor’s stuft die Bonität erneut herab. | |
Merkel harmonisiert die EU-Politik: Eine Agenda 2010 für alle | |
Beim EU-Gipfel macht die Bundeskanzlerin klar, dass sie nach dem Sparkurs | |
nun Reformen diktieren will. Die Bürger werden nicht beteiligt. | |
Eurokolumne: Viel Asche, aber kein Phönix | |
Gute Nachrichten aus Griechenland? Das hätten die Gesundbeter der Krise | |
gerne – aber die Abwärtsspirale ist noch lange nicht durchbrochen. | |
Eurokolumne: Kröten für Berlin | |
Im Wahlkampf haben die deutschen Euroretter Däumchen gedreht. Die nächste | |
Regierung muss mit den Lebenslügen von Schwarz-Gelb aufräumen. | |
Die deutsche Linke und Europa: Die Hegemonie der Regeln | |
Bleibt Europa der Verlierer, wenn die Linke in Deutschland gewinnt? | |
Womöglich, denn sie verfolgt keine Alternativen zur Austeritätspolitik. | |
Europäische Bankenaufsicht: Rettungsplan hängt | |
Das Europaparlament und die Europäische Zentralbank streiten über die | |
geplante Bankenunion: Wer muss wem wieviel Auskunft geben? | |
Finanzkrise in Griechenland: Warum Athen mehr Geld braucht | |
Die Griechen kommen nicht auf die Füße. Ein drittes Hilfspaket ist | |
notwenig. Warum wird das Athener Finanzloch immer tiefer? Die wichtigsten | |
Antworten. | |
Eurokolumne: Die Lösung für Griechenland | |
Niemand sagt es im Wahlkampf gerne, aber den Griechen müssen Milliarden | |
Euro Schulden erlassen werden. Das ist aber gar nicht so schlimm. | |
Griechenland mit Haushaltsüberschuss: Heureka, es kommt was rein! | |
Der griechische Finanzministerium verkündet für die erste Jahreshälfte 2013 | |
einen Überschuss von 2,6 Milliarden Euro. Ein ausgeglichener Haushalt ist | |
jedoch nicht in Sicht. | |
Eurokolumne: Softpower aus der Bundesrepublik | |
Deutschland erfüllt in der Krise eine Vorbildfunktion. Trotz der Proteste | |
sind viele EU-Bürger mit Merkels Krisenmanagement zufrieden. | |
Eurokolumne: Der Geldpolitik fehlen die Mitstreiter | |
Die Doktrin der Europäischen Zentralbank lautet: Es kann nur eine | |
einheitliche Zinspolitik geben. Doch die Mitgliedsländer sind zu | |
unterschiedlich dafür. | |
Eurokolumne: Schmierentheater statt Therapie | |
Merkel lud zum EU-Gipfel gegen Jugendarbeitslosigkeit. Anstatt echte | |
Lösungen zu präsentieren, nutzte sie das Treffen für ihren Wahlkampf. | |
Eurokolumne: Euro-Domina spielt Weihnachtsmann | |
Merkel will 6 Milliarden Euro für die arbeitslose Jugend in Europa | |
lockermachen. Doch hinter der Wahlkampf-Maske verfolgt sie ihre neoliberale | |
Politik weiter. | |
Eurokolumne: Vom Segen niedriger Zinsen | |
Die Illusion, mit mutigem Geldanlegen hohe Renditen zu erzielen, ist | |
geplatzt. Für Sparer kann das eine neue Chance sein. |