# taz.de -- Kritik am Bundeshaushalt 2026: Hilfe kürzen, Waffen kaufen | |
> Klingbeils Haushalt erntet Kritik von Umwelt- und Sozialverbänden: | |
> Klimaschutz und Sozialausgaben würden leiden, während Unternehmen | |
> profitieren. | |
Bild: Mut zur Lücke: Beschwingt eilt Lars Klingbeil die Treppe nach oben, um v… | |
Berlin taz | Rekorde bei Investitionen und Militärausgaben dank massiver | |
Erhöhung der Schulden: Am Mittwoch hat das Bundeskabinett seinen Entwurf | |
für den [1][Bundeshaushalt 2026] und die Finanzplanung bis 2029 | |
beschlossen. „Unser oberstes Ziel ist, Arbeitsplätze zu sichern und für | |
neue wirtschaftliche Stärke zu sorgen“, sagte Bundesfinanzminister Lars | |
Klingbeil (SPD) bei der Vorstellung am Mittwoch in Berlin. Von der | |
Opposition und zahlreichen Verbänden kommt allerdings vielfältige und | |
heftige Kritik. | |
Militärausgaben | |
Von einem „reinen Rüstungshaushalt“ spricht die Linken-Vorsitzende Ines | |
Schwerdtner. „Es ist ein Hohn, dass ein Großteil der Verteidigungsausgaben | |
über Schulden finanziert werden soll, während für sozialen Wohnungsbau, | |
Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Klimaschutz jahrzehntelang die | |
Schuldenbremse als unantastbar galt“, kritisiert sie. | |
Barbara Happe, Expertin für Rüstung und Frieden bei Greenpeace, sieht | |
ebenfalls eine falsche Prioritätensetzung im Haushaltsentwurf. Während bei | |
Diplomatie, Entwicklung und Sozialem gekürzt werde, solle inklusive | |
Sondervermögen eine Summe, die etwa 20 Prozent des gesamten Bundeshaushalts | |
entspräche, ins Militär fließen. „Mit einem seit Jahren ineffizienten | |
Beschaffungswesen führt dies vor allem zu milliardenschweren Aufträgen für | |
die Rüstungsindustrie statt zu einem realen Zugewinn an Sicherheit.“ | |
Auch Marc von Boemcken vom Bonner International Centre for Conflict Studies | |
(BICC) sieht die massiven Mehrausgaben fürs Militär kritisch. „Unser großes | |
Problem sind nicht so sehr fehlende finanzielle Ressourcen, sondern die | |
effiziente Verwendung der vorhandenen Mittel“, sagt Boemcken. Hinzu komme, | |
dass die Bedrohung durch Russland nicht die einzige gesellschaftliche | |
Herausforderung sei, vor der Deutschland und Europa stünden. Militärische | |
Fähigkeiten würden Probleme wie den Klimawandel und humanitäre Katastrophen | |
nicht lösen können. | |
Bürgergeld | |
Bei der Linkspartei stoßen zudem die geplanten Einsparungen beim Bürgergeld | |
auf scharfe Ablehnung. Für die Regelsätze sind 2026 rund 28,1 Milliarden | |
Euro veranschlagt, nach 29,6 Milliarden im laufenden Jahr. 2027 sollen im | |
Vergleich zu heute 2,5 Milliarden Euro eingespart werden, 2028 und 2029 | |
jeweils 3 Milliarden. „Dass die Bundesregierung versucht, Haushaltslöcher | |
zu stopfen, indem sie bei den Schwächsten kürzt, ist beschämend“, sagte die | |
Linken-Vorsitzende Ines Schwerdtner. | |
Klimamaßnahmen | |
Nicht minder erschreckend sei die geplante Kürzung der Mittel für die | |
Wärmewende im Klima- und Transformationsfonds um ein Viertel. „Wer es den | |
Menschen noch mehr erschwert, auf klimafreundliches Heizen umzusteigen, | |
sorgt dafür, dass die Nachfrage, nach Erdgas hoch bleibt“, kritisierte | |
Schwerdtner. Das passe „allzu gut“ zu den Plänen der EU-Kommission, im | |
Rahmen des Handelsdeals mit Trump Erdgas im Wert von 750 Milliarden Euro | |
aus den USA zu importieren. „Die Leidtragenden werden die Verbraucherinnen | |
und Verbraucher sein, die auf dauerhaft teuren Gasheizungen sitzen | |
bleiben“, konstatiert Schwerdtner. | |
Auch Umweltorganisationen fürchten, dass durch den Haushalt Fortschritte | |
bei der klimagerechten Modernisierung von Gebäuden abgewürgt werden. Denn | |
die Mittel für die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) sollen um | |
rund 4 Milliarden Euro gesenkt werden. „Diese Kürzungen drohen den | |
Fortschritt bei der Wärmewende zu stoppen“, warnt Till Irmisch vom | |
Umweltinstitut München. Der hohe CO2-Ausstoß von Gebäuden – vor allem | |
durchs Heizen – ist ein großes Problem für das Erreichen der Klimaziele. | |
Energetische Sanierungen und der Austausch fossiler Heizungen sind wichtige | |
Schritte, um Verbesserungen zu erreichen. | |
Tina Löffelsend vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) | |
sieht in den Kürzungen einen „herben Rückschlag“ für die Wärmewende. | |
Klingbeil nutze gleichzeitig Gelder aus dem Klima- und | |
Transformationsfonds, um teure Wahlversprechen zu finanzieren, kritisiert | |
sie. „Mehr als ein Viertel der ohnehin knappen Gelder fließt jetzt in | |
Strompreissubventionen – so will der Finanzminister die Netzentgelte senken | |
und die Industrie unterstützen“, sagt sie. Das habe nichts mit Klimaschutz | |
zu tun. „Zwar sind niedrigere Strompreise wichtig, doch von diesen | |
Maßnahmen profitieren die Bürger:innen kaum“, sagt sie. | |
Unternehmen wenden sich ebenfalls gegen die Kürzung der Mittel für die | |
Gebäudesanierung. „Was wir jetzt brauchen, ist ein starkes | |
Investitionssignal – statt rückläufiger Fördermittel und Unsicherheit“, … | |
Christian Noll von der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz | |
(DENEFF). „Die Haushaltsmittel müssen dort wirksam eingesetzt werden, wo | |
sie heimische Investitionen anreizen, die Versorgungskosten und | |
Abhängigkeiten dauerhaft senken.“ | |
Gleichstellung | |
Eine andere Kritik kommt vom Deutschen Frauenrat. „Frauen kommen trotz der | |
hohen Neuverschuldungen deutlich zu kurz“, sagt Judith Rahner, | |
Geschäftsführerin des Deutschen Frauenrats (DF). So hätte sie „erwartet, | |
dass auch gleichstellungspolitische Vereinbarungen aus dem | |
Koalitionsvertrag Eingang in den Haushalt gefunden hätten“, sagte Rahner. | |
Das sei jedoch nicht der Fall. | |
Kritisch sieht Rahner zum Beispiel, dass die Anpassung von Mindest- und | |
Höchstbetrag beim Elterngeld vorerst nicht kommen wird, obwohl das | |
Elterngeld seit 2008 nicht mehr erhöht worden ist. Verabredet hätten CDU, | |
CSU und SPD zudem, die finanzielle Situation von Alleinerziehenden zu | |
verbessern, indem das Kindergeld nur noch hälftig und nicht wie bisher voll | |
auf den Unterhaltsvorschuss angerechnet wird. Da aber die Ausgaben für den | |
Unterhaltsvorschuss nicht steigen sollen, müsse man davon ausgehen, dass | |
diese wichtige Verbesserung ebenfalls in absehbarer Zeit nicht komme. Der | |
Frauenrat werde sich mit dem Haushalt nicht zufrieden geben und darauf | |
drängen, dass die vereinbarten Vorhaben „umgesetzt und entsprechend | |
finanziert werden“, kündigte Rahner an. | |
Die DF-Geschäftsführerin betonte zudem, dass eine moderne und gerechte | |
Haushaltssteuerung gemeinsam mit einer systematischen Fairnessprüfung der | |
Ausgaben nach Zielgruppen – ein Gender Budgeting – fehle. Wer viel | |
Steuergeld verteilt, müsse auch fragen: Wer profitiert – und wer nicht? | |
„Dieses Instrument gehört endlich zur Standardpraxis verantwortungsvoller | |
Finanzpolitik.“ | |
Als „katastrophal“ bezeichnete Rahner zudem die Kürzungen im | |
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). | |
Der Etat soll von 11,2 Milliarden im vergangenen Jahr erst auf 10,3 und | |
dann auf bis nur noch 9,3 Milliarden im Jahr 2028 sinken. „Das ist aus | |
frauenpolitischer Sicht furchtbar und betrifft so wichtige Bereiche wie | |
Bildung von Mädchen, Gleichstellung und Gewaltschutz.“ In einer Zeit, in | |
der Trump die Gelder der USA stoppe, nehme die Bundesregierung hier ihre | |
internationale Verantwortung nicht an. „Deutsche Beiträge könnten den | |
Ausstieg der USA nicht kompensieren – aber wir hätten uns ganz klar eine | |
Auf- und keine Abstockung gewünscht“, so Rahner. | |
Humanitäre Hilfe | |
Bereits am Dienstag hatten 17 Hilfsorganisationen in einem gemeinsamen | |
Appell die Bundesregierung gewarnt, dass die vorgesehenen Kürzungen „nicht | |
nur lebensrettende Maßnahmen, sondern auch Deutschlands strategische | |
Interessen und internationale Glaubwürdigkeit“ gefährden würden. | |
„Solidarität und Mitmenschlichkeit sind prägende Elemente der deutschen | |
Außenpolitik – es wäre fatal, diese kurzerhand aufzugeben“, heißt es in … | |
Schreiben, das unter anderem von Brot für die Welt, Terre des Hommes, Oxfam | |
und der Welthungerhilfe unterzeichnet worden ist. | |
Dass in einer Zeit weltweiter komplexer Krisen ausgerechnet bei humanitärer | |
Hilfe, Krisenprävention und internationaler und europäischer Zusammenarbeit | |
gespart werden soll, stößt auch bei den Grünen auf deutliche Kritik. Das | |
sei „verantwortungslos“, sagt Sebastian Schäfer, der haushaltspolitische | |
Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion. Wer gerade jetzt bei | |
internationaler Solidarität kürzt, richtet enormen Schaden an und | |
untergräbt dabei Deutschlands Glaubwürdigkeit als internationaler Partner“, | |
so Schäfer. | |
Generell kritisieren die Grünen, dass es die Koalition trotz Rekordschulden | |
von 851 Milliarden Euro bis 2029 nicht schaffen würde, eine solide | |
Finanzplanung aufzustellen. Der vorgelegte Haushaltsentwurf schaffe | |
Unsicherheit, vertage Entscheidungen und untergrabe Vertrauen. „Statt | |
dringend in Klimaschutz, Digitalisierung und soziale Infrastruktur zu | |
investieren, setzt die Koalition auf Symbolpolitik und Konjunkturwetten“, | |
bemängelt der grüne Haushälter Schäfer. „Das ist keine Strategie, das ist | |
Verantwortungslosigkeit mit Ansage.“ | |
Verkehr | |
Im Verkehrsetat wurde ebenfalls gekürzt, aber für den Neubau von Schienen | |
werden im Bundeshaushalt jetzt 1,8 Milliarden Euro veranschlagt – und damit | |
deutlich mehr als im Haushalt für 2025, der knapp 0,5 Milliarden Euro für | |
den Ausbau des Schienennetzes bereithält. „Damit schafft man die | |
Voraussetzung für die Verkehrsverlagerung von der Straße auf die | |
klimafreundlichere Schiene“, findet Gabriel Kapfinger, Mitarbeiter im Team | |
Verkehrspolitik beim BUND. Trotzdem sei noch mehr Geld nötig, um so viel | |
Verkehr aufs Gleis zu bringen, dass die deutschen Klimaziele erreicht | |
werden können. | |
Nach Rechnungen des BUND kommen durch den Verkehrshaushalt, das | |
Sondervermögen und den Verteidigungsetat insgesamt knapp 22 Milliarden Euro | |
für den Schienenverkehr zusammen. Laut der Deutschen Bahn und | |
Branchenverbänden wie der Allianz pro Schiene wären jedoch 26 bis 29 | |
Milliarden Euro jährlich nötig, um das Gleisnetz wirklich fit zu machen. | |
Beim Geld für den Straßenverkehr hätte die Koalition den Fokus auf die | |
Sanierung maroder Brücken und Straßen legen sollen, sagt BUND-Mitarbeiter | |
Kapfinger. „Stattdessen setzt die Bundesregierung weiterhin auf den | |
umweltschädlichen Neu- und Ausbau von Autobahnen und Bundesstraßen.“ Mittel | |
für neue und ausgebaute Fernstraßen stecken sowohl im Verkehrsetat als | |
auch im Verteidigungshaushalt. „Solange sanierungsbedürftige Brücken nicht | |
instandgesetzt und saniert sind, müssen Neubauprojekte gestoppt und die | |
frei werdenden Mittel in die Sanierung bestehender Verkehrswege investiert | |
werden“, fordert Kapfinger. | |
30 Jul 2025 | |
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