# taz.de -- Kürzungen im Berliner Haushalt: Kultur vor dem Aus | |
> Berlin will drei Milliarden Euro einsparen. Eine riesige Kulturszene | |
> bangt gemeinsam mit Jugendclubs und anderen um ihre Existenz. Fünf | |
> Betroffene berichten. | |
Bild: Der Berliner Senat plant scharfe Einschnitte. Am Wochenende gingen Tausen… | |
Rund 40 Milliarden Euro auf der Ausgabenseite, [1][knapp 3 Milliarden] | |
davon nicht durch genug Einnahmen gedeckt. Das ist die missliche Situation | |
der Berliner Landesfinanzen für 2025. Die soll das Abgeordnetenhaus, das | |
Berliner Landesparlament, am Donnerstag durch den Beschluss eines | |
Nachtragshaushalts, einer Art Update des Haushalts, bereinigen – zumindest | |
formal. Denn misslich wird die Lage dann bei jenen, die im nächsten Jahr | |
mit weniger Geld auskommen müssen. | |
3 von 40 Milliarden, das könnte sich oberflächlich betrachtet gar nicht so | |
schlimm lesen: Noch nicht mal jeder dreizehnte Euro, muss das nicht gehen | |
ohne gravierende Schnitte? Nein, denn die 3 Milliarden sind aus weit | |
weniger herauszusparen gewesen: Über ein Drittel des Landeshaushalts ist | |
für Gehälter und Mietzahlungen fest gebunden. Und zum Vergleich: In der | |
gescheiterten Ampelregierung auf Bundesebene drohte dieselbe Summe, nämlich | |
3 Milliarden, die Koalition schon vor einigen Monaten platzen zu lassen – | |
obwohl der Bundeshaushalt rund 480 und nicht 40 Milliarden Euro groß ist. | |
Worüber der schwarz-rote Senat – Berlins Landesregierung – und die | |
Opposition im Abgeordnetenhaus aus Grünen, Linkspartei und AfD seit über | |
einem Jahr streiten: Wie kommt es, dass der Haushalt überhaupt so | |
angewachsen ist und Berlin, wie es Finanzsenator Stefan Evers (CDU) nennt, | |
über seine Verhältnisse lebe? Denn auch wenn man Inflation und | |
Tarifsteigerungen herausrechnet, bleibt ein Anstieg. | |
Alles sei die Schuld der Vorgängerkoalition, also der bis Ende April 2023 | |
amtierenden rot-grün-roten Regierung mit Franziska Giffey (SPD) an der | |
Spitze. Die habe die öffentlichen Ausgaben gerade in den Coronajahren | |
fortwährend gesteigert. Von wegen, kontern Grüne und Linkspartei. CDU und | |
die weiter regierende SPD hätten den Haushalt nochmal kräftig aufgestockt, | |
um eigene Interessen zu bedienen. Tatsächlich präsentierten die | |
Fraktionschefs der Koalitionspartner Ende 2023 nur dreieinhalb Wochen vor | |
dem Beschluss des Landeshaushalts für 2024 und 2025 eine Liste weiterer | |
Ausgaben: Die summierten sich auf zusätzliche 800 Millionen. | |
Wiederum kaum einen Monat später rechnete der besagte Finanzsenator als | |
Gast einer SPD-Fraktionsklausur Ende Januar vor: 3 Milliarden seien akut | |
einzusparen, absehbar noch 2 weitere. Seither liefen die Diskussionen, wo | |
wie zu kürzen sei. Die Opposition wirft Schwarz-Rot dabei vor, zwar lange | |
geredet zu haben, aber nur intern im kleinen Kreis und nicht mit denen, die | |
von den Kürzungen betroffen sein würden. | |
Am 19. November schließlich stellten CDU und SPD Journalisten ihre | |
Kürzungspläne vor, eine Woche später beschloss der Senat ebendas als | |
Entwurf jenes Nachtragshaushalts, über den an diesem Donnerstag das | |
Landesparlament entscheiden soll. Der Senat verweist darauf, bei den | |
Sozialausgaben nur knapp 4 Prozent zu kürzen, während es im Kulturetat 11 | |
Prozent sind. Doch auch „nur“ 4 Prozent sorgen in einem 3,8 | |
Millionen-Einwohner-Land für viele Betroffene. Laut Opposition hätten sich | |
manche Härten durch höhere Kreditaufnahmen, die trotz Schuldenbremse | |
erlaubt sein sollen, vermeiden lassen – was die Regierung bestreitet. | |
Fünf Protokolle mit Betroffenen | |
„Unsere Existenz war akut gefährdet“ | |
Elisa Georgi ist Sprecherin des ZK/U – Zentrum für Kunst und Urbanistik | |
„Das Zentrum für Kunst und Urbanistik (ZK/U), das Kulturquartier silent | |
green und der Projektraum SAVVY Contemporary sind im Berliner Bezirk Mitte | |
angesiedelt. Wir sind drei Häuser mit verschiedenen künstlerischen und | |
kulturellen Angeboten. Die Palette reicht von Konzert- oder Kinoabenden mit | |
Eintritt bis hin zu Ausstellungen oder Workshops, die sich kostenfrei an | |
eine bestimmte Gruppe richten. Unsere Häuser sind nicht nur Orte der Kunst, | |
sondern auch Plattformen für Begegnung, gesellschaftliche Teilhabe und | |
internationalen Austausch – mit über 200.000 Besucher:innen jährlich. | |
Die hier arbeitenden Personen, frei oder angestellt, schöpfen aus | |
jahrelanger Erfahrung durch Vernetzung, Fachwissen, aber auch ganz | |
spezifische Ortskenntnisse, sind sensibilisiert für die Communitys in den | |
Ortsteilen Wedding und Moabit, können gezielte Angebote machen. Beim ZK/U | |
mit seiner Vereinsstruktur arbeiten zwischen 15 und 20 Menschen. Die | |
Festangestellten lassen sich an einer Hand abzählen, alle anderen sind | |
entweder Selbständige mit häufigen Aufträgen im Haus oder | |
Freiberufler:innen. | |
Das ZK/U befindet sich seit vier Jahren in einem [2][öffentlich geförderten | |
Ausbauprozess], es wurde an der Verdopplung unserer Fläche gearbeitet als | |
ein klares Bekenntnis zu mehr Raum für Begegnung und Kultur. Unter anderem | |
dadurch haben sich bei uns die Strukturen und Prozesse in den vergangenen | |
Jahren zum Glück stabilisiert; sonst könnten wir gar nicht arbeiten. | |
Die Veröffentlichung der [3][Sparliste der schwarz-roten Koalition] Ende | |
November hat uns dann ziemlich schockiert. Unsere Existenz war akut | |
gefährdet. Das ZK/U, silent green, SAVVY und der Schinkel Pavillon standen | |
zusammen mit einer Minuszahl in der Liste – minus 560.000 Euro. | |
Das ist ungefähr die Hälfte vom uns zur Verfügung stehenden Budget aus | |
einem Senats-Fördertopf. In den vergangenen Wochen war absolut unklar, was | |
das konkret für uns vier Orte bedeuten sollte, ob wir alle gekürzt werden | |
oder ob ein Haus oder zwei Institutionen komplett aus der Förderung | |
rausfallen und andere gar nicht. Das ist eine sehr unangenehme Situation, | |
die eine Art Konkurrenzdenken aufmacht, was niemand von uns möchte. Es wäre | |
das falsche Zeichen, jetzt gegeneinander zu arbeiten. Wir sind wie ein | |
großes Team. Unsere gemeinsame Presseerklärung, die als Protestnote zu | |
verstehen ist, ist daher ein solidarischer Akt. | |
Nach Wochen des Bangens wurde diese Kürzung laut der aktuellsten Liste | |
zurückgenommen – wir scheinen Glück zu haben und können vorerst aufatmen. | |
Genau wissen wir es aber erst am Donnerstag. Das zeigt, wie prekär die Lage | |
ist und wie schnell unsere Arbeit beendet werden könnte.“ | |
„Das zieht uns den Boden unter den Füßen weg“ | |
Ein Lehrer an einer Integrierten Sekundarschule in Berlin-Kreuzberg | |
„Wir arbeiten seit Jahren mit dem Gefühl, den Mangel zu verwalten. Und | |
jetzt wollen sie uns noch mehr wegnehmen. Die jetzigen Kürzungspläne | |
bedeuten für uns zum Beispiel, dass wir in Zukunft wohl weniger | |
Klassenfahrten machen können, denn die Budgets dafür werden gedeckelt. | |
Neuerdings können wir zwar aus den uns zugeteilten Mitteln auch Reisekosten | |
bezahlen. Aber wenn wir das machen, wird das Geld dann wieder an anderer | |
Stelle fehlen, etwa bei der Ausstattung. Das kann sich dann negativ auf das | |
Budget für Schulmaterialien auswirken. In meinem Fachbereich, der | |
Sonderpädagogik, stehen mir in der Regel rund 1.000 Euro jährlich zur | |
Verfügung. Die brauche ich auch: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass | |
gerade anregendes und qualitativ hochwertiges Material eine wichtige | |
Grundlage für die Förderung von Schüler*innen mit unterschiedlichen | |
Beeinträchtigungen bildet. | |
Die Alternative ist, dass wir Materialien privat anschaffen. Das habe ich | |
auch schon gemacht. Aber das ist ja keine wirkliche Lösung. Wenn wir keine | |
guten Räume, keine gute Ausstattung haben – das zieht uns den Boden unter | |
den Füßen weg. Da fehlt die Grundlage. Das frustriert uns alle. | |
Übrigens werde ich selbst, Stand heute, in Zukunft weniger Geld verdienen. | |
Der Nachteilsausgleich fällt weg – das war zusätzliches Geld für | |
diejenigen, die sich gegen eine Verbeamtung entschieden haben. Regulär | |
bekommen wir den erst seit einem halben Jahr, seit Juni. Es war für mich | |
mit einer 85-Prozent-Stelle rund 250 Euro brutto pro Monat. | |
Für die Kolleg*innen [4][an sogenannten Brennpunktschulen] fällt auch | |
die Brennpunktzulage weg. Das waren auch etwa 300 Euro bei einer vollen | |
Stelle. | |
Es bräuchte meiner Meinung nach ein komplettes Umdenken in der Politik – | |
weg von der Dämonisierung der Schuldenlast hin zu deutlich mehr Mut für | |
Investitionen in die Zukunft. | |
Es gibt ja die Idee, wenn schon nicht die große Bildungsreform zu stemmen | |
ist, dann wenigstens viel mehr Freizeitangebote in die Schulen zu holen. | |
Also bis zum Mittag Unterricht zu machen und danach Sportangebote oder | |
Kurse. Das wäre vor allem auch für die Mädchen wichtig, für die gibt es | |
außerhalb der Schule viel weniger Angebote als für Jungen. | |
Aber auch das würde ja Geld kosten. Und immer neue Sparvorgaben rücken | |
diese Idee in weite Ferne. Das ist auch aus Sicht der Bildungsgerechtigkeit | |
falsch. Denn für Kinder aus wohlhabenden, bildungsnahen Familien werden | |
diese Möglichkeiten dann eben privat organisiert. Wir bräuchten sie aber | |
auch für viele der weniger privilegierten Kinder an unserer Schule.“ | |
Protokoll: Uta Schleiermacher | |
„Wir stoßen an unsere Kapazitätsgrenzen“ | |
Andreas Ritter arbeitet bei der Beratungsstelle Pro Familia | |
„Wir machen Schwangerenberatung und Schwangerschaftskonfliktberatung, also | |
die Pflichtberatung vor einem [5][Schwangerschaftsabbruch]. Aktuell sind im | |
Team 16 Menschen beschäftigt, alle in Teilzeit. Die Einsparungen haben sich | |
in den vergangenen Monaten schon angedeutet. Wir haben eine | |
Stellenerweiterung für 2 Personen à 30 Stunden bekommen im Fachbereich | |
sexuelle Bildung. Eine Person haben wir eingestellt, aber bevor die zweite | |
eingestellt werden konnte, hat der Senat einen Einstellungsstopp verhängt. | |
Die weitere Stelle, die nicht bewilligt worden ist, war für den Fachbereich | |
Soziale Arbeit vorgesehen, einen Bereich, der ohnehin völlig überlaufen | |
ist. Wir haben immer mehr Nachfrage als Termine. In dem Fachbereich beraten | |
wir über soziale und finanzielle Unterstützung während der Schwangerschaft | |
und Elternzeit. Wenn die Stelle nicht besetzt wird, heißt das, dass wir | |
noch mehr Leute an andere Stellen weiterverweisen müssen, die auch alle | |
überlastet sind. | |
Montags und donnerstags bieten wir auch eine offene Sprechstunde an. Da | |
kommen hauptsächlich Frauen, die eine Beratungsbescheinigung brauchen, um | |
dann, nach einer dreitägigen Wartefrist, den Abbruch durchzuführen, sofern | |
ein*e Ärzt*in gefunden wurde. In diese offene Sprechstunde kommen in | |
letzter Zeit so viele Menschen, und weil wir versuchen niemanden | |
abzuweisen, arbeitet das Team weit über unsere eigentlichen Öffnungszeiten | |
hinaus. | |
Außerdem werden durch den großen Andrang die Zeitfenster immer knapper, | |
sodass wir Klient*innen häufig nicht gerecht werden können. Wenn eine | |
Frau kommt, die klar für einen Abbruch entschieden ist, dann haut es hin. | |
Aber kommt eine psychisch belastete Person, eine, die in prekären | |
Verhältnissen lebt oder ein zerstrittenes Paar, dann ist es nicht möglich, | |
ihnen die notwendige Unterstützung zu bieten, wenn es ständig an der Tür | |
klingelt. Wir versuchen Folgeberatungen anzubieten, stoßen dabei aber an | |
Kapazitätsgrenzen. | |
Wir versuchen einen Teil an andere Beratungsstellen weiterzuverweisen, | |
aber die sind auch völlig überlastet. Frauen berichten uns, dass sie häufig | |
Wochen auf einen Termin warten müssen. Dabei ist das eine Pflichtberatung, | |
die vom Gesetzgeber vorgeschrieben ist und bei der die Frauen unter einem | |
immensen Zeitdruck stehen. Dann müssen die Beratungsstellen auch so | |
ausgestattet werden, dass sie die leisten und die Frauen sie bekommen | |
können. | |
Die Frauen haben häufig schon eine lange, schreckliche Odyssee hinter sich, | |
wenn sie vor mir sitzen. Sie werden von Frauenärzt*innen mit | |
verurteilenden Kommentaren abgestraft, erhalten keine Telefonnummer für | |
eine Beratungsstelle, sie sind angespannt, im Entscheidungsdruck und wissen | |
nicht, was sie machen sollen. Schließlich rufen sie bei uns an und werden | |
abgewiesen. Wenn es so weitergeht, ist das eine extrem belastende Situation | |
für uns alle.“ | |
„Das löst Ängste im Kollegium aus“ | |
Çığır Özyurt-Güneş leitet den Jugendtreff Laiv in Reinickendorf | |
„Ich leite einen offenen Kinder und Jugendtreff in Reinickendorf. Wir sind | |
eine Kinder- und Jugendeinrichtung für Kinder ab 8 bis 18 Jahren und | |
darüber hinaus. Wir machen offene Arbeit. Die Kinder können nach der Schule | |
kommen und sich selber beschäftigen oder mit uns zusammen in Projekten ihre | |
Zeit verbringen. Wir haben viele Angebote wie Theater, Boxen, Fußball, | |
Tanzen oder im Studio Musik aufnehmen. | |
Die Stimmung in unserem Team ist gerade nicht gut. Vieles ist unsicher, wir | |
wissen nicht, wer nächstes Jahr noch weiter arbeiten kann und darf. Das | |
löst Existenzängste im Kollegium aus. Wir haben viele Strukturen aufgebaut | |
und haben Angst, dass sie wieder einbrechen. | |
Die Kinder werden vielleicht einen Zufluchtsort verlieren oder Projekte | |
verlieren, in denen sie bereits Beziehungen aufgebaut haben. Wir haben auch | |
Jugendliche, die sich engagieren und die Jugendleitercard gemacht haben. | |
Die sind gerade 15, 16 Jahre alt und sehen eine Perspektive für sich in der | |
sozialen Arbeit, haben den Traum, Sozialarbeiterin oder Sozialarbeiter zu | |
werden. Die Nachricht von den Kürzungen hat sie desillusioniert und | |
verunsichert. Sie sagen: Wenn es da keine Zukunft für mich gibt, dann weiß | |
ich nicht, ob ich in diesem Bereich arbeiten will. | |
Die Kürzungen in unserem, also dem Jugendbereich, sollten nicht so | |
leichtfertig getroffen werden. Eigentlich gar nicht, denn es ist ein | |
existenzieller Bereich für viele Menschen in der Stadt. Das betrifft nicht | |
nur uns, das betrifft auch den Kulturbereich, wo unter anderem auch die | |
kulturelle Bildung mit drinsteckt, die Theaterprojekte in Randbezirken | |
machen mit Geflüchteten und vielen Menschen, die an den Rand gedrängt | |
werden. Ich kann nicht nachvollziehen, dass die erste Kürzungswelle genau | |
in diesem Bereich stattfinden soll. | |
Wir haben eine Pandemie hinter uns, die noch gar nicht so lange her ist. Da | |
wurden viele Lücken in diesem System sichtbar. Die Chancenungleichheit | |
zwischen Arm und Reich ist in der Pandemie schon deutlich aufgegangen. Das | |
verschärft sich noch mehr, wenn wir genau in diesem Bereich kürzen. Weil | |
die Pandemie auch noch in den nächsten Jahren Auswirkungen auf Kinder und | |
Jugendliche haben wid, die im Bildungssystem total zurückgeworfen wurden. | |
Projekte, die außerhalb der Schule stattfinden, fangen diesen Unterschied | |
auf gerade. Und falls wir nicht noch ärmer werden wollen, wenn wir nicht | |
noch mehr unsere Zukunft in der Stadt verlieren wollen, dann dürfen wir | |
nicht in solch wichtigen Bereichen kürzen.“ | |
„Die Kürzungen befeuern die Schere zwischen den Studis“ | |
Sasan Hosseinpour studiert Jura an der Humboldt-Universität zu Berlin | |
„Das Monatsende war für mich als Student schon vor den Kürzungen oft hart. | |
Wenn gar kein Geld mehr da ist, muss ich für ein paar Tage Haferflocken | |
essen. Mit den Kürzungen des Senats wird es jetzt finanziell noch enger für | |
mich. Dass das Studierendenwerk ein Drittel weniger Geld vom Senat erhalten | |
soll, bekommen wir Studis direkt zu spüren. Da wäre zum Beispiel der | |
Semesterbeitrag, der mir Sorgen bereitet: Derzeit ist im Gespräch, dass der | |
darin enthaltene Sozialbeitrag um mehr als 40 Prozent auf 90 Euro steigen | |
wird. Ich muss mir den Semesterbeitrag ohnehin schon immer mühsam | |
beiseitelegen und einen Antrag auf Bezuschussung stellen – jetzt wird der | |
Batzen Geld, der pro Semester fällig wird, noch größer. | |
In letzter Zeit frage ich mich öfter, was ich tun soll, wenn ich mir das | |
Studieren irgendwann gar nicht mehr leisten kann. Mein Vater ist | |
Taxifahrer, meine Mutter bekommt eine kleine Rente. Wen soll ich nach Geld | |
fragen? Vor meinem Jurastudium habe ich eine Ausbildung zum | |
Anlagemechaniker gemacht und eine Weile als Klempner gearbeitet. Weil ich | |
mein erstes Studium abgebrochen habe, bekomme ich kein Bafög und halte mich | |
mit etwas Wohngeld, einem Minijob und einem Studienkredit über Wasser. | |
Das Mensa-Essen ist für mich und viele andere Studis ohne reiche Eltern die | |
einzige Chance, einmal am Tag ein paar günstige Vitamine zu bekommen. Nun | |
wurden die Preise beinahe um ein Viertel angehoben, und an der Salatbar | |
fehlen vom einen auf den anderen Tag einfach das Olivenöl und der | |
Balsamico. Für viele mag das vielleicht wie ein Witz klingen, aber mal im | |
Ernst: Ich bin mir sicher, dass Kai Wegner beim Mittag im Roten Rathaus | |
seinen Salat nicht trocken essen muss. | |
Die Kürzungen befeuern die Schere zwischen den Studis nur noch stärker: Die | |
einen bekommen von ihren Chefarzt-Vätern ein WG-Zimmer für 1.000 Euro im | |
Berliner Prenzlauer Berg bezahlt und müssen sich keinerlei Gedanken um | |
Preiserhöhungen in der Mensa machen. Die anderen krebsen in einer | |
Mini-Wohnung in Kaulsdorf-Nord oder in einem auseinanderfallenden | |
Studiwohnheim herum und kommen durch die Kürzungen ganz schön in | |
Bedrängnis.“ | |
19 Dec 2024 | |
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