| # taz.de -- Kürzungen im Berliner Haushalt: Kultur vor dem Aus | |
| > Berlin will drei Milliarden Euro einsparen. Eine riesige Kulturszene | |
| > bangt gemeinsam mit Jugendclubs und anderen um ihre Existenz. Fünf | |
| > Betroffene berichten. | |
| Bild: Der Berliner Senat plant scharfe Einschnitte. Am Wochenende gingen Tausen… | |
| Rund 40 Milliarden Euro auf der Ausgabenseite, [1][knapp 3 Milliarden] | |
| davon nicht durch genug Einnahmen gedeckt. Das ist die missliche Situation | |
| der Berliner Landesfinanzen für 2025. Die soll das Abgeordnetenhaus, das | |
| Berliner Landesparlament, am Donnerstag durch den Beschluss eines | |
| Nachtragshaushalts, einer Art Update des Haushalts, bereinigen – zumindest | |
| formal. Denn misslich wird die Lage dann bei jenen, die im nächsten Jahr | |
| mit weniger Geld auskommen müssen. | |
| 3 von 40 Milliarden, das könnte sich oberflächlich betrachtet gar nicht so | |
| schlimm lesen: Noch nicht mal jeder dreizehnte Euro, muss das nicht gehen | |
| ohne gravierende Schnitte? Nein, denn die 3 Milliarden sind aus weit | |
| weniger herauszusparen gewesen: Über ein Drittel des Landeshaushalts ist | |
| für Gehälter und Mietzahlungen fest gebunden. Und zum Vergleich: In der | |
| gescheiterten Ampelregierung auf Bundesebene drohte dieselbe Summe, nämlich | |
| 3 Milliarden, die Koalition schon vor einigen Monaten platzen zu lassen – | |
| obwohl der Bundeshaushalt rund 480 und nicht 40 Milliarden Euro groß ist. | |
| Worüber der schwarz-rote Senat – Berlins Landesregierung – und die | |
| Opposition im Abgeordnetenhaus aus Grünen, Linkspartei und AfD seit über | |
| einem Jahr streiten: Wie kommt es, dass der Haushalt überhaupt so | |
| angewachsen ist und Berlin, wie es Finanzsenator Stefan Evers (CDU) nennt, | |
| über seine Verhältnisse lebe? Denn auch wenn man Inflation und | |
| Tarifsteigerungen herausrechnet, bleibt ein Anstieg. | |
| Alles sei die Schuld der Vorgängerkoalition, also der bis Ende April 2023 | |
| amtierenden rot-grün-roten Regierung mit Franziska Giffey (SPD) an der | |
| Spitze. Die habe die öffentlichen Ausgaben gerade in den Coronajahren | |
| fortwährend gesteigert. Von wegen, kontern Grüne und Linkspartei. CDU und | |
| die weiter regierende SPD hätten den Haushalt nochmal kräftig aufgestockt, | |
| um eigene Interessen zu bedienen. Tatsächlich präsentierten die | |
| Fraktionschefs der Koalitionspartner Ende 2023 nur dreieinhalb Wochen vor | |
| dem Beschluss des Landeshaushalts für 2024 und 2025 eine Liste weiterer | |
| Ausgaben: Die summierten sich auf zusätzliche 800 Millionen. | |
| Wiederum kaum einen Monat später rechnete der besagte Finanzsenator als | |
| Gast einer SPD-Fraktionsklausur Ende Januar vor: 3 Milliarden seien akut | |
| einzusparen, absehbar noch 2 weitere. Seither liefen die Diskussionen, wo | |
| wie zu kürzen sei. Die Opposition wirft Schwarz-Rot dabei vor, zwar lange | |
| geredet zu haben, aber nur intern im kleinen Kreis und nicht mit denen, die | |
| von den Kürzungen betroffen sein würden. | |
| Am 19. November schließlich stellten CDU und SPD Journalisten ihre | |
| Kürzungspläne vor, eine Woche später beschloss der Senat ebendas als | |
| Entwurf jenes Nachtragshaushalts, über den an diesem Donnerstag das | |
| Landesparlament entscheiden soll. Der Senat verweist darauf, bei den | |
| Sozialausgaben nur knapp 4 Prozent zu kürzen, während es im Kulturetat 11 | |
| Prozent sind. Doch auch „nur“ 4 Prozent sorgen in einem 3,8 | |
| Millionen-Einwohner-Land für viele Betroffene. Laut Opposition hätten sich | |
| manche Härten durch höhere Kreditaufnahmen, die trotz Schuldenbremse | |
| erlaubt sein sollen, vermeiden lassen – was die Regierung bestreitet. | |
| Fünf Protokolle mit Betroffenen | |
| „Unsere Existenz war akut gefährdet“ | |
| Elisa Georgi ist Sprecherin des ZK/U – Zentrum für Kunst und Urbanistik | |
| „Das Zentrum für Kunst und Urbanistik (ZK/U), das Kulturquartier silent | |
| green und der Projektraum SAVVY Contemporary sind im Berliner Bezirk Mitte | |
| angesiedelt. Wir sind drei Häuser mit verschiedenen künstlerischen und | |
| kulturellen Angeboten. Die Palette reicht von Konzert- oder Kinoabenden mit | |
| Eintritt bis hin zu Ausstellungen oder Workshops, die sich kostenfrei an | |
| eine bestimmte Gruppe richten. Unsere Häuser sind nicht nur Orte der Kunst, | |
| sondern auch Plattformen für Begegnung, gesellschaftliche Teilhabe und | |
| internationalen Austausch – mit über 200.000 Besucher:innen jährlich. | |
| Die hier arbeitenden Personen, frei oder angestellt, schöpfen aus | |
| jahrelanger Erfahrung durch Vernetzung, Fachwissen, aber auch ganz | |
| spezifische Ortskenntnisse, sind sensibilisiert für die Communitys in den | |
| Ortsteilen Wedding und Moabit, können gezielte Angebote machen. Beim ZK/U | |
| mit seiner Vereinsstruktur arbeiten zwischen 15 und 20 Menschen. Die | |
| Festangestellten lassen sich an einer Hand abzählen, alle anderen sind | |
| entweder Selbständige mit häufigen Aufträgen im Haus oder | |
| Freiberufler:innen. | |
| Das ZK/U befindet sich seit vier Jahren in einem [2][öffentlich geförderten | |
| Ausbauprozess], es wurde an der Verdopplung unserer Fläche gearbeitet als | |
| ein klares Bekenntnis zu mehr Raum für Begegnung und Kultur. Unter anderem | |
| dadurch haben sich bei uns die Strukturen und Prozesse in den vergangenen | |
| Jahren zum Glück stabilisiert; sonst könnten wir gar nicht arbeiten. | |
| Die Veröffentlichung der [3][Sparliste der schwarz-roten Koalition] Ende | |
| November hat uns dann ziemlich schockiert. Unsere Existenz war akut | |
| gefährdet. Das ZK/U, silent green, SAVVY und der Schinkel Pavillon standen | |
| zusammen mit einer Minuszahl in der Liste – minus 560.000 Euro. | |
| Das ist ungefähr die Hälfte vom uns zur Verfügung stehenden Budget aus | |
| einem Senats-Fördertopf. In den vergangenen Wochen war absolut unklar, was | |
| das konkret für uns vier Orte bedeuten sollte, ob wir alle gekürzt werden | |
| oder ob ein Haus oder zwei Institutionen komplett aus der Förderung | |
| rausfallen und andere gar nicht. Das ist eine sehr unangenehme Situation, | |
| die eine Art Konkurrenzdenken aufmacht, was niemand von uns möchte. Es wäre | |
| das falsche Zeichen, jetzt gegeneinander zu arbeiten. Wir sind wie ein | |
| großes Team. Unsere gemeinsame Presseerklärung, die als Protestnote zu | |
| verstehen ist, ist daher ein solidarischer Akt. | |
| Nach Wochen des Bangens wurde diese Kürzung laut der aktuellsten Liste | |
| zurückgenommen – wir scheinen Glück zu haben und können vorerst aufatmen. | |
| Genau wissen wir es aber erst am Donnerstag. Das zeigt, wie prekär die Lage | |
| ist und wie schnell unsere Arbeit beendet werden könnte.“ | |
| „Das zieht uns den Boden unter den Füßen weg“ | |
| Ein Lehrer an einer Integrierten Sekundarschule in Berlin-Kreuzberg | |
| „Wir arbeiten seit Jahren mit dem Gefühl, den Mangel zu verwalten. Und | |
| jetzt wollen sie uns noch mehr wegnehmen. Die jetzigen Kürzungspläne | |
| bedeuten für uns zum Beispiel, dass wir in Zukunft wohl weniger | |
| Klassenfahrten machen können, denn die Budgets dafür werden gedeckelt. | |
| Neuerdings können wir zwar aus den uns zugeteilten Mitteln auch Reisekosten | |
| bezahlen. Aber wenn wir das machen, wird das Geld dann wieder an anderer | |
| Stelle fehlen, etwa bei der Ausstattung. Das kann sich dann negativ auf das | |
| Budget für Schulmaterialien auswirken. In meinem Fachbereich, der | |
| Sonderpädagogik, stehen mir in der Regel rund 1.000 Euro jährlich zur | |
| Verfügung. Die brauche ich auch: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass | |
| gerade anregendes und qualitativ hochwertiges Material eine wichtige | |
| Grundlage für die Förderung von Schüler*innen mit unterschiedlichen | |
| Beeinträchtigungen bildet. | |
| Die Alternative ist, dass wir Materialien privat anschaffen. Das habe ich | |
| auch schon gemacht. Aber das ist ja keine wirkliche Lösung. Wenn wir keine | |
| guten Räume, keine gute Ausstattung haben – das zieht uns den Boden unter | |
| den Füßen weg. Da fehlt die Grundlage. Das frustriert uns alle. | |
| Übrigens werde ich selbst, Stand heute, in Zukunft weniger Geld verdienen. | |
| Der Nachteilsausgleich fällt weg – das war zusätzliches Geld für | |
| diejenigen, die sich gegen eine Verbeamtung entschieden haben. Regulär | |
| bekommen wir den erst seit einem halben Jahr, seit Juni. Es war für mich | |
| mit einer 85-Prozent-Stelle rund 250 Euro brutto pro Monat. | |
| Für die Kolleg*innen [4][an sogenannten Brennpunktschulen] fällt auch | |
| die Brennpunktzulage weg. Das waren auch etwa 300 Euro bei einer vollen | |
| Stelle. | |
| Es bräuchte meiner Meinung nach ein komplettes Umdenken in der Politik – | |
| weg von der Dämonisierung der Schuldenlast hin zu deutlich mehr Mut für | |
| Investitionen in die Zukunft. | |
| Es gibt ja die Idee, wenn schon nicht die große Bildungsreform zu stemmen | |
| ist, dann wenigstens viel mehr Freizeitangebote in die Schulen zu holen. | |
| Also bis zum Mittag Unterricht zu machen und danach Sportangebote oder | |
| Kurse. Das wäre vor allem auch für die Mädchen wichtig, für die gibt es | |
| außerhalb der Schule viel weniger Angebote als für Jungen. | |
| Aber auch das würde ja Geld kosten. Und immer neue Sparvorgaben rücken | |
| diese Idee in weite Ferne. Das ist auch aus Sicht der Bildungsgerechtigkeit | |
| falsch. Denn für Kinder aus wohlhabenden, bildungsnahen Familien werden | |
| diese Möglichkeiten dann eben privat organisiert. Wir bräuchten sie aber | |
| auch für viele der weniger privilegierten Kinder an unserer Schule.“ | |
| Protokoll: Uta Schleiermacher | |
| „Wir stoßen an unsere Kapazitätsgrenzen“ | |
| Andreas Ritter arbeitet bei der Beratungsstelle Pro Familia | |
| „Wir machen Schwangerenberatung und Schwangerschaftskonfliktberatung, also | |
| die Pflichtberatung vor einem [5][Schwangerschaftsabbruch]. Aktuell sind im | |
| Team 16 Menschen beschäftigt, alle in Teilzeit. Die Einsparungen haben sich | |
| in den vergangenen Monaten schon angedeutet. Wir haben eine | |
| Stellenerweiterung für 2 Personen à 30 Stunden bekommen im Fachbereich | |
| sexuelle Bildung. Eine Person haben wir eingestellt, aber bevor die zweite | |
| eingestellt werden konnte, hat der Senat einen Einstellungsstopp verhängt. | |
| Die weitere Stelle, die nicht bewilligt worden ist, war für den Fachbereich | |
| Soziale Arbeit vorgesehen, einen Bereich, der ohnehin völlig überlaufen | |
| ist. Wir haben immer mehr Nachfrage als Termine. In dem Fachbereich beraten | |
| wir über soziale und finanzielle Unterstützung während der Schwangerschaft | |
| und Elternzeit. Wenn die Stelle nicht besetzt wird, heißt das, dass wir | |
| noch mehr Leute an andere Stellen weiterverweisen müssen, die auch alle | |
| überlastet sind. | |
| Montags und donnerstags bieten wir auch eine offene Sprechstunde an. Da | |
| kommen hauptsächlich Frauen, die eine Beratungsbescheinigung brauchen, um | |
| dann, nach einer dreitägigen Wartefrist, den Abbruch durchzuführen, sofern | |
| ein*e Ärzt*in gefunden wurde. In diese offene Sprechstunde kommen in | |
| letzter Zeit so viele Menschen, und weil wir versuchen niemanden | |
| abzuweisen, arbeitet das Team weit über unsere eigentlichen Öffnungszeiten | |
| hinaus. | |
| Außerdem werden durch den großen Andrang die Zeitfenster immer knapper, | |
| sodass wir Klient*innen häufig nicht gerecht werden können. Wenn eine | |
| Frau kommt, die klar für einen Abbruch entschieden ist, dann haut es hin. | |
| Aber kommt eine psychisch belastete Person, eine, die in prekären | |
| Verhältnissen lebt oder ein zerstrittenes Paar, dann ist es nicht möglich, | |
| ihnen die notwendige Unterstützung zu bieten, wenn es ständig an der Tür | |
| klingelt. Wir versuchen Folgeberatungen anzubieten, stoßen dabei aber an | |
| Kapazitätsgrenzen. | |
| Wir versuchen einen Teil an andere Beratungsstellen weiterzuverweisen, | |
| aber die sind auch völlig überlastet. Frauen berichten uns, dass sie häufig | |
| Wochen auf einen Termin warten müssen. Dabei ist das eine Pflichtberatung, | |
| die vom Gesetzgeber vorgeschrieben ist und bei der die Frauen unter einem | |
| immensen Zeitdruck stehen. Dann müssen die Beratungsstellen auch so | |
| ausgestattet werden, dass sie die leisten und die Frauen sie bekommen | |
| können. | |
| Die Frauen haben häufig schon eine lange, schreckliche Odyssee hinter sich, | |
| wenn sie vor mir sitzen. Sie werden von Frauenärzt*innen mit | |
| verurteilenden Kommentaren abgestraft, erhalten keine Telefonnummer für | |
| eine Beratungsstelle, sie sind angespannt, im Entscheidungsdruck und wissen | |
| nicht, was sie machen sollen. Schließlich rufen sie bei uns an und werden | |
| abgewiesen. Wenn es so weitergeht, ist das eine extrem belastende Situation | |
| für uns alle.“ | |
| „Das löst Ängste im Kollegium aus“ | |
| Çığır Özyurt-Güneş leitet den Jugendtreff Laiv in Reinickendorf | |
| „Ich leite einen offenen Kinder und Jugendtreff in Reinickendorf. Wir sind | |
| eine Kinder- und Jugendeinrichtung für Kinder ab 8 bis 18 Jahren und | |
| darüber hinaus. Wir machen offene Arbeit. Die Kinder können nach der Schule | |
| kommen und sich selber beschäftigen oder mit uns zusammen in Projekten ihre | |
| Zeit verbringen. Wir haben viele Angebote wie Theater, Boxen, Fußball, | |
| Tanzen oder im Studio Musik aufnehmen. | |
| Die Stimmung in unserem Team ist gerade nicht gut. Vieles ist unsicher, wir | |
| wissen nicht, wer nächstes Jahr noch weiter arbeiten kann und darf. Das | |
| löst Existenzängste im Kollegium aus. Wir haben viele Strukturen aufgebaut | |
| und haben Angst, dass sie wieder einbrechen. | |
| Die Kinder werden vielleicht einen Zufluchtsort verlieren oder Projekte | |
| verlieren, in denen sie bereits Beziehungen aufgebaut haben. Wir haben auch | |
| Jugendliche, die sich engagieren und die Jugendleitercard gemacht haben. | |
| Die sind gerade 15, 16 Jahre alt und sehen eine Perspektive für sich in der | |
| sozialen Arbeit, haben den Traum, Sozialarbeiterin oder Sozialarbeiter zu | |
| werden. Die Nachricht von den Kürzungen hat sie desillusioniert und | |
| verunsichert. Sie sagen: Wenn es da keine Zukunft für mich gibt, dann weiß | |
| ich nicht, ob ich in diesem Bereich arbeiten will. | |
| Die Kürzungen in unserem, also dem Jugendbereich, sollten nicht so | |
| leichtfertig getroffen werden. Eigentlich gar nicht, denn es ist ein | |
| existenzieller Bereich für viele Menschen in der Stadt. Das betrifft nicht | |
| nur uns, das betrifft auch den Kulturbereich, wo unter anderem auch die | |
| kulturelle Bildung mit drinsteckt, die Theaterprojekte in Randbezirken | |
| machen mit Geflüchteten und vielen Menschen, die an den Rand gedrängt | |
| werden. Ich kann nicht nachvollziehen, dass die erste Kürzungswelle genau | |
| in diesem Bereich stattfinden soll. | |
| Wir haben eine Pandemie hinter uns, die noch gar nicht so lange her ist. Da | |
| wurden viele Lücken in diesem System sichtbar. Die Chancenungleichheit | |
| zwischen Arm und Reich ist in der Pandemie schon deutlich aufgegangen. Das | |
| verschärft sich noch mehr, wenn wir genau in diesem Bereich kürzen. Weil | |
| die Pandemie auch noch in den nächsten Jahren Auswirkungen auf Kinder und | |
| Jugendliche haben wid, die im Bildungssystem total zurückgeworfen wurden. | |
| Projekte, die außerhalb der Schule stattfinden, fangen diesen Unterschied | |
| auf gerade. Und falls wir nicht noch ärmer werden wollen, wenn wir nicht | |
| noch mehr unsere Zukunft in der Stadt verlieren wollen, dann dürfen wir | |
| nicht in solch wichtigen Bereichen kürzen.“ | |
| „Die Kürzungen befeuern die Schere zwischen den Studis“ | |
| Sasan Hosseinpour studiert Jura an der Humboldt-Universität zu Berlin | |
| „Das Monatsende war für mich als Student schon vor den Kürzungen oft hart. | |
| Wenn gar kein Geld mehr da ist, muss ich für ein paar Tage Haferflocken | |
| essen. Mit den Kürzungen des Senats wird es jetzt finanziell noch enger für | |
| mich. Dass das Studierendenwerk ein Drittel weniger Geld vom Senat erhalten | |
| soll, bekommen wir Studis direkt zu spüren. Da wäre zum Beispiel der | |
| Semesterbeitrag, der mir Sorgen bereitet: Derzeit ist im Gespräch, dass der | |
| darin enthaltene Sozialbeitrag um mehr als 40 Prozent auf 90 Euro steigen | |
| wird. Ich muss mir den Semesterbeitrag ohnehin schon immer mühsam | |
| beiseitelegen und einen Antrag auf Bezuschussung stellen – jetzt wird der | |
| Batzen Geld, der pro Semester fällig wird, noch größer. | |
| In letzter Zeit frage ich mich öfter, was ich tun soll, wenn ich mir das | |
| Studieren irgendwann gar nicht mehr leisten kann. Mein Vater ist | |
| Taxifahrer, meine Mutter bekommt eine kleine Rente. Wen soll ich nach Geld | |
| fragen? Vor meinem Jurastudium habe ich eine Ausbildung zum | |
| Anlagemechaniker gemacht und eine Weile als Klempner gearbeitet. Weil ich | |
| mein erstes Studium abgebrochen habe, bekomme ich kein Bafög und halte mich | |
| mit etwas Wohngeld, einem Minijob und einem Studienkredit über Wasser. | |
| Das Mensa-Essen ist für mich und viele andere Studis ohne reiche Eltern die | |
| einzige Chance, einmal am Tag ein paar günstige Vitamine zu bekommen. Nun | |
| wurden die Preise beinahe um ein Viertel angehoben, und an der Salatbar | |
| fehlen vom einen auf den anderen Tag einfach das Olivenöl und der | |
| Balsamico. Für viele mag das vielleicht wie ein Witz klingen, aber mal im | |
| Ernst: Ich bin mir sicher, dass Kai Wegner beim Mittag im Roten Rathaus | |
| seinen Salat nicht trocken essen muss. | |
| Die Kürzungen befeuern die Schere zwischen den Studis nur noch stärker: Die | |
| einen bekommen von ihren Chefarzt-Vätern ein WG-Zimmer für 1.000 Euro im | |
| Berliner Prenzlauer Berg bezahlt und müssen sich keinerlei Gedanken um | |
| Preiserhöhungen in der Mensa machen. Die anderen krebsen in einer | |
| Mini-Wohnung in Kaulsdorf-Nord oder in einem auseinanderfallenden | |
| Studiwohnheim herum und kommen durch die Kürzungen ganz schön in | |
| Bedrängnis.“ | |
| 19 Dec 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Streichliste-geht-ins-Abgeordnetenhaus/!6048481 | |
| [2] /Gentrifizierung-in-Berlin/!5893707 | |
| [3] /Sparliste-der-Berliner-Kulturverwaltung/!6055910 | |
| [4] /Forscher-ueber-Bildungsbericht-2024/!6014705 | |
| [5] /Abtreibungen-legalisieren/!6051200 | |
| ## AUTOREN | |
| Stefan Alberti | |
| Jonas Wahmkow | |
| Katharina Wulff | |
| Andreas Hergeth | |
| Uta Schleiermacher | |
| Lilly Schröder | |
| ## TAGS | |
| Lesestück Recherche und Reportage | |
| Haushaltsdefizit | |
| Haushaltsdebatte | |
| Berlin | |
| Kürzungen | |
| Soziales | |
| Jugendzentrum | |
| Beratungsstelle | |
| GNS | |
| Hochkultur | |
| Kürzungen | |
| Demonstration | |
| wochentaz | |
| Theater Berlin | |
| Karneval der Kulturen | |
| Kolumne Starke Gefühle | |
| Freie Szene | |
| Sparmaßnahmen | |
| Resozialisierung | |
| Kulturförderung | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Kulturelle Teilhabe in der Diskussion: „Wie wenig Kultur können wir uns leis… | |
| Die Kulturbranche hat bei vielen einen exklusiven Ruf. Gemeinsam mit | |
| Expert:innen will die Berliner Linken-Fraktion das ändern. | |
| Demonstration gegen die Kürzungspolitik: „Eine Bedrohung für das soziale Mi… | |
| Unter dem Motto Berlin ist #unkürzbar findet am Samstag eine Demo gegen die | |
| Kürzungen des Senats statt. Sprecherin Verena Bieler über die Forderungen. | |
| Protest gegen Kürzungen: Ohne Kunst ist alles nichts | |
| Aus Protest gegen die Kürzungen an der Universität der Künste haben | |
| Studierende die Fassade schwarz verhüllt. Sie sehen mehr als ihre Lehre in | |
| Gefahr. | |
| Queere Clubkultur: „Alle sind willkommen, die süß sind“ | |
| LCavaliero Mann war 10 Jahre künstlerischer Direktor des SchwuZ. Ein | |
| Gespräch über Selbstbestimmung und wie der Rechtsruck queere Kämpfe | |
| beeinflusst. | |
| Auktion des Berliner Ensembles: Ein Theater wird zum Hotel | |
| Um gegen die Kürzungen im Kulturbereich zu protestieren, bietet das Theater | |
| eine Nacht auf der Bühne. Den Zuschlag bekommt ein Gebot von 1.500 Euro. | |
| Jahresvorausschau Berlin: Stadt der Überflüssigen | |
| Die Deutsche Oper wird zum Autohaus, der Görli bekommt eine Kuppel und die | |
| Berliner sollen für den Senat saufen. 2025 bringt viele Überraschungen. | |
| Über Wohltätigkeit: Das Ding mit der Charity | |
| Ob ein Weihnachtsmenü für Obdachlose oder Supermarktwaren für mehr als eine | |
| halbe Million Euro: Spenden sind wichtig, es bräuchte aber etwas anderes. | |
| Sparhaushalt und die Freie Szene: Die große Verunsicherung | |
| Am Donnerstag beschließt die schwarz-rote Mehrheit im Abgeordnetenhaus den | |
| Sparhaushalt. Die Kultur lässt Federn. Die Freie Szene ist stark betroffen. | |
| Sparpläne in Berlin: Solidarisch gegen das Spardiktat | |
| Tausende Menschen demonstrieren am Sonntag gegen die geplanten Einsparungen | |
| des Senats. Aufgerufen hat ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis. | |
| Kürzungen beim Strafvollzug in Berlin: „Es ist absolut irre, was da gerade k… | |
| Olaf Heischel, langjähriger Vorsitzender des Berliner Vollzugsbeirats, zu | |
| den Einsparplänen in der Straffälligen- und Resozialisierungshilfe. | |
| Kürzungen im Kulturetat von Berlin: Gehen Kassiererinnen in die Oper? | |
| Berlins Bürgermeister meint, Kassiererinnen würden eh nicht Opern besuchen. | |
| So begründet Kai Wegner Einsparungen im Kulturbereich. Fragen wir mal eine | |
| Kassiererin! |