| # taz.de -- Sparhaushalt und die Freie Szene: Die große Verunsicherung | |
| > Am Donnerstag beschließt die schwarz-rote Mehrheit im Abgeordnetenhaus | |
| > den Sparhaushalt. Die Kultur lässt Federn. Die Freie Szene ist stark | |
| > betroffen. | |
| Bild: Ein Blick auf das Gelände der Uferhallen | |
| Berlin taz | Betroffene gingen auf die Barrikaden, es gab Proteste aller | |
| Couleur. Aller Widerstand nützte aber wenig, auch wenn es hier und da zum | |
| Umschichtungen bei den einzelnen Kürzungssummen kam. Der | |
| Spar-Doppelhaushalt für 2024/25 wird – das gilt als sicher – am Donnerstag | |
| von der schwarz-roten Mehrheit im Abgeordnetenhaus beschlossen werden. Das | |
| Land Berlin muss 3 Milliarden sparen, im Bereich der Kultur allein 130 | |
| Millionen. Was bedeutet das für die Freie Szene? | |
| [1][Jana Kreisl] arbeitet als Illustratorin und Comicautorin für private | |
| Kunden, auch mit Fördergeldern vom Senat, wie viele in der Szene. Die | |
| Kürzungen gefährden ihre berufliche Zukunft, gibt sie zu Protokoll. Die | |
| Solo-Selbstständige sagt, sie ist „ziemlich wütend“ über den Kultursenat… | |
| Joe Chialo (CDU) und sein Gerede vom „Empörungstsunamie“ – gemeint sind … | |
| Proteste gegen die Kulturkürzungen. „Ich würde ja gern wissen, wie er | |
| reagieren würde, wenn man sein Gehalt kürzt.“ Denn darauf liefen die | |
| geplanten Budgetkürzungen für kleine Projekte und Selbstständige in der | |
| Freien Szene hinaus. | |
| „Es wird für zukünftige Projekte sicher schwerer werden, Fördergelder zu | |
| bekommen“, sagt Kreisl. „Daraus folgt, dass man mehr mit privaten | |
| Kund:innen arbeitet, aber Projekte, die sich um soziale Themen drehen und | |
| eben Fördergelder brauchen, nicht mehr umzusetzen sind.“ | |
| Generell herrsche derzeit eine „ziemliche Unsicherheit“, wie es weitergehen | |
| wird, sagt Kreisl. „Viele meiner Kollegin:innen haben Projekte zu | |
| DraussenStadt gemacht“, nennt sie ein Beispiel, an dem nun gespart wird. | |
| Sie selbst ist direkt betroffen, weil das Comic Stipendium gekürzt wird. | |
| Sich dann hinstellen wie der Kultursenator und davon zu reden, dass die | |
| Freie Szene „mehr Verantwortung übernehmen“ sollte, fühle sich an „wie … | |
| Schlag ins Gesicht“. Sie sagt: „Wenn an Errungenschaften wie dem freien | |
| Museumssonntag gespart wird, ist klar, dass sich die Einsparungen nicht nur | |
| gegen Künstler:innen, sondern generell gegen die ärmeren | |
| Bevölkerungsschichten richten.“ | |
| ## Atelierräume in Gefahr | |
| Kritik an der Sparorgie kommt auch von den [2][Atelierbeauftragten Julia | |
| Brodauf und Lennart Siebert], die eine geharnischte Erklärung | |
| veröffentlichten. „Die Kürzungen gefährden nach wie vor die Zukunft der | |
| Bildenden Künstler:innen in Berlin“ ist diese überschrieben. | |
| Brodauf und Siebert leiten das Atelierbüro im [3][Kulturwerk des bbk | |
| berlin], einer gemeinnützige Tochtergesellschaft des Berufsverbandes | |
| Bildender Künstler:innen Berlins – diese hat zum Ziel, gute | |
| Rahmenbedingungen für die künstlerische Produktion zu schaffen. Genau die | |
| werden mit den Sparvorgaben schlechter. | |
| Das Atelierbüro besteht seit über 30 Jahren und vermittelt geförderten | |
| Atelierraum. Dazu werden Räume in landeseigenen Immobilien betreut, zudem | |
| werden Räume vom freien Markt angemietet und subventioniert untervermietet. | |
| Im Programm befinden sich 1.050 Ateliers für Bildende Kunst und 100 | |
| Atelierwohnungen. | |
| Daneben wurde ein Raumangebot für die anderen künstlerischen Sparten – | |
| Darstellende Kunst, Tanz, Literatur, Musik und Projekträume – entwickelt | |
| und mit der Kulturraum gGmbH eine zentrale Organisationseinheit geschaffen, | |
| mit der auch das Atelierbüro zusammenarbeitet. 600 Räume befinden sich | |
| derzeit noch im Ausbau. „Unstrittig war bisher quer durch alle politischen | |
| Bekenntnisse, dass das Arbeitsraumprogramm weiter ausgebaut werden sollte“, | |
| heißt es in der Erklärung. „5.000 Räume bis 2030! Das war die Devise auch | |
| von Kultursenator Chialo.“ Erinnert wird an dieser Stelle an die Rettung | |
| der Uferhallen. „Nun werden die bisher bestehenden und geplanten 2.600 | |
| vorhandenen Räume dezimiert und damit alle dort arbeitenden Künstlerinnen | |
| und Künstler in Gefahr gebracht.“ | |
| ## Unsicherheit in den Uferhallen | |
| Aus dem Haushaltstitel zum Ausbau von Arbeitsräumen in landeseigenen | |
| Immobilien werden 18 Millionen gestrichen. Und das Arbeitsraumprogramm für | |
| den Erhalt bestehender Räume werden doch „nur“ 5 Millionen gekürzt, | |
| trotzdem sind das knapp 20 Prozent und damit ein überproportional hoher | |
| Betrag, dessen Kürzung die Einkommensschwächsten in der Kulturlandschaft | |
| betreffen würde. Überdies, so heißt es in dem Brief: „Mit dem verbindlichen | |
| Kommentar, die Kulturraum gGmbH abzuschaffen, wird eine knappe Anweisung | |
| getroffen, deren Auswirkungen überhaupt nicht abzusehen sind.“ | |
| Hansjörg Schneider ist bildender Künstler, der in den [4][Uferhallen im | |
| Wedding] arbeitet, er ist stellvertretender Vorsitzender im Uferhallen e. | |
| V.. „Wir sind total alarmiert“, sagt Schneider der taz. Mit „Wir“ sind | |
| [5][rund 150 Menschen] gemeint, die in den Uferhallen im Wedding arbeiten. | |
| „Wir sind ein Ort, der durch starke Diversität geprägt ist“, sagt | |
| Schneider. Alle Kunstsparten von der Klassik bis zur Clubkultur arbeiten | |
| hier. | |
| Die Uferhallen, ein ehemaliges Industriegelände, beherbergen neben Ateliers | |
| und Atelierwohnungen auch Tanz- und Proberäume, Tonstudios, eine Konzert- | |
| und eine Ausstellungshalle, Werkstätten und Veranstaltungsräume. „Darüber, | |
| das Kürzungen auf uns zukommen könnten“, sagt Schneider der taz, „wurde ja | |
| schon lange gemunkelt, aber es wurde seitens der Politik nie offen darüber | |
| gesprochen. Und die große Kürzung des Arbeitsraumprogramms ist bestürzend | |
| und hat bei uns große Angst ausgelöst.“ | |
| Vor einem Jahr noch haben die Uferhallen ihre Rettung gefeiert. 2017 war | |
| das Gelände [6][an private Eigentümer verkauft] worden. „Wir dachten | |
| damals, dass das unser Aus bedeuten könnte.“ Doch es kam anders. Im | |
| Dezember 2023 verkündete Kultursenator Chialo, dass die Uferhallen gerettet | |
| sind. Das Konstrukt: Die neuen Eigentümer vermieten nicht direkt an die | |
| Künstler:innen, sondern an das Land Berlin. Und weil das so direkt nicht | |
| geht, hat die Kulturraum Berlin gGmbH den Generalmietvertrag übernommen. | |
| „Dieser wurde noch in den letzten Tages des Jahres 2023 unterzeichnet. Wir | |
| konnten aufatmen“, erinnert sich Schneider. | |
| Ebenjene Kulturraum Berlin gGmbH soll nun abgeschafft werden. „Wer kann | |
| dann diesen Vertrag erfüllen?“ – diese Frage treibt Schneider um. Auch die | |
| Unsicherheit. „Bislang können wir nur spekulieren, wie groß die Kürzung bei | |
| uns am Ende sein wird, darüber haben wir bislang keine konkreten Aussagen | |
| erhalten“, sagt Schneider. „Wir müssen, wie alle anderen auch, den 19. | |
| Dezember abwarten.“ | |
| Ist Schneider sauer auf die Landespolitiker? „Es hätte ja Gelegenheit | |
| gegeben, diese Vorhaben früher öffentlich zu machen, um den betroffenen | |
| Einrichtungen eine Chance zu geben zu widersprechen. Und vielleicht hätte | |
| man konstruktive Vorschläge machen können“, sagt Schneider. „Das ist | |
| versäumt worden. Das ist sehr ärgerlich und bitter.“ | |
| 18 Dec 2024 | |
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| [4] https://uferhallen-ev.de/ | |
| [5] https://uferhallen-ev.de/wir/ | |
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| ## AUTOREN | |
| Andreas Hergeth | |
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