| # taz.de -- Clubkultur in Berlin: „Euphorie, Müdigkeit, Melancholie“ | |
| > Ronja Falkenbach fotografiert Raver:innen in Berlin. Das ist auch eine | |
| > Liebeserklärung an die Clubkultur, erklärt sie im Interview. | |
| taz: Frau Falkenbach, Sie fotografieren Menschen, die eine durchfeierte | |
| Nacht hinter sich haben und aus Clubs kommen. Welchen Augenblick fangen Sie | |
| da ein? | |
| Ronja Falkenbach: Die Fotos zeigen diese Menschen während des Übergangs von | |
| einem extremen Zustand in einen weniger extremen Zustand, vom Rausch in die | |
| Realität. Die Porträts zeigen die Emotionen, die in diesem Übergangsmoment | |
| mitschwingen: Euphorie, Müdigkeit, Melancholie. Als Betrachter:in ahnt | |
| man aufgrund der Kleidung oder der Mimik, dass die Menschen feiern waren | |
| und müde sind, aber wegen des neutralen weißen Bildhintergrunds ist es | |
| vielleicht schwer, dies einzuordnen. | |
| taz: Wo und wann haben Sie die Raver:innen fotografiert? | |
| Falkenbach: Ich war fast immer sonntags morgens zwischen 9 und 11 Uhr vor | |
| Berliner Clubs und habe dort fotografiert. Zum Beispiel am Mensch Meier, | |
| dem Sisyphos, dem Kater Blau, dem Berghain und dem Revier Südost. Oft | |
| finden die Partys dort durchgängig von Freitagabend bis Montagmorgen statt. | |
| Es waren sehr spontane Begegnungen. Ich habe die Porträtierten nur nach | |
| ihrem Namen gefragt, und wir haben den Instagram-Kontakt ausgetauscht. | |
| taz: Wie genau war das Setting? | |
| Falkenbach: Ich hatte quasi mein mobiles Fotostudio dabei, also einen | |
| weißen Hintergrund, den man gut transportieren und schnell aufbauen kann. | |
| Dazu eine kleine Dreiecksleiter als Stuhl für die Porträtierten. | |
| Fotografiert habe ich mit einer analogen Mittelformatkamera. Das hat mir | |
| geholfen, in dem Moment zur Ruhe zu kommen und mich besser zu fokussieren. | |
| taz: Sie arbeiten komplett analog? | |
| Falkenbach: Für diese Serie ja. Ich erstelle Abzüge der Fotos; | |
| digitalisiert werden sie nur durch das Scannen. „Raver“ soll ein | |
| Langzeitprojekt werden. 2023 habe ich mit dem Projekt begonnen, nun geht es | |
| ins dritte Jahr. 85 Leute habe ich schon fotografiert, es sollen auf jeden | |
| Fall noch einige dazukommen. Am Ende möchte ich ein Buch veröffentlichen | |
| und die Bilder in Ausstellungen zeigen. | |
| taz: Gerade die Berliner Clubszene lebt ja vom Dunklen, vom | |
| Geheimnisvollen. Wollen Sie das Clubleben in anderer Form ans Licht holen? | |
| Falkenbach: Nein. Ich will nicht unbedingt entschlüsseln, was sonst im | |
| Verborgenen bliebe. Es geht mir eher darum, das Club-Gefühl abzubilden. Die | |
| Frage war: Wie kann ich Clubkultur visuell vermitteln? Wie kann etwas so | |
| Lebendiges wie die Clubkultur in ein anderes Format übersetzt werden, das | |
| von direkter Erfahrung losgelöst ist? | |
| taz: Ihre Arbeit war auch für den August-Sander-Preis nominiert. Das Werk | |
| August Sanders passt gut zu dieser Serie. | |
| Falkenbach: Tatsächlich war dessen monumentale Arbeit „Menschen des 20. | |
| Jahrhunderts“ eine Inspiration, in meiner Reihe sehen wir Menschen des 21. | |
| Jahrhunderts in ihrer Freizeit. Daneben war unter anderem auch die Arbeit | |
| des US-amerikanischen Fotografen Richard Avedon ein wichtiger Bezugspunkt | |
| für mich. Avedon ist im amerikanischen Westen herumgefahren und hat dort | |
| auch mit einer Großformatkamera Leute vor weißem Hintergrund fotografiert. | |
| Diese Arbeit war ausschlaggebend für mein Setting. Auch ich möchte ich den | |
| Fokus komplett auf den Menschen und sein Gesicht lenken. | |
| taz: Was verbindet Sie persönlich mit dem Clubleben? | |
| Falkenbach: Ich habe eine große Liebe zu elektronischer Musik. Zwischen | |
| meinem 18. und 20. Lebensjahr war ich sehr viel auf Partys in Köln | |
| unterwegs. Von 2018 an habe ich in Südkorea studiert und habe dort die | |
| Clubszene in den Innenräumen fotografiert, weibliche DJs wie mushxxx | |
| starteten da gerade durch. Seit 2020 lebe ich in Berlin, und obwohl ich | |
| selbst nicht mehr so viel ausgehe, ist die Faszination für die Clubkultur | |
| geblieben. Menschen aus aller Welt kommen wegen der Clubkultur hierher. | |
| taz: …noch, könnte man sagen, wegen der Subventionskürzungen fürchten viele | |
| einen Kulturabbau in Berlin. | |
| Falkenbach: Ich glaube und hoffe, Clubkultur bahnt sich immer einen Weg. | |
| Menschen finden immer eine Möglichkeit zu feiern. Aber natürlich muss sich | |
| von Seiten des Berliner Senats etwas ändern, um das wieder attraktiver zu | |
| machen, wofür viele Leute nach Berlin gekommen sind. Sonst wird es bald nur | |
| noch teure Clubs und teure Partys geben und das demokratische Element der | |
| Clubszene wird verschwinden. | |
| 4 Jan 2025 | |
| ## AUTOREN | |
| Jens Uthoff | |
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