# taz.de -- Wie entsteht unser Essen?: Ernten bis zum Umdenken | |
> Fotograf Kadir van Lohuizen ist an viele Orte gereist, um zu erfahren, | |
> wie Lebensmittel produziert werden. Einblicke in eine hochtechnisierte | |
> Welt. | |
Bild: Das riesige Gewächshaus in Monster in den Niederlanden züchtet Kresse, … | |
taz: Herr van Lohuizen, wie sind Sie darauf gekommen, die | |
Lebensmittelindustrie zu fotografieren? | |
Kadir van Lohuizen: Ich habe mich schon in früheren Projekten damit | |
beschäftigt, wie Großstädte ihre Abfälle managen beziehungsweise | |
missmanagen. Es ist bekannt, dass wir weltweit ein Drittel unseres Essens | |
wegschmeißen. Als mir die Ausmaße in New York so richtig bewusst wurden, | |
dachte ich, dass ich ein Projekt über die Ernährungsindustrie machen | |
sollte. | |
taz: Kommen Sie von dort? | |
van Lohuizen: Nein, ich komme aus den Niederlanden und bin wie viele andere | |
mit der Sicherheit aufgewachsen, dass alle Lebensmittel jederzeit zur | |
Verfügung stehen. Aber mit der Zeit ist mir klargeworden, dass die | |
Lebensmittelproduktion auch in diesem Teil der Welt nicht so sicher ist, | |
wie wir immer denken. | |
taz: Was meinen Sie genau? | |
van Lohuizen: Die Niederlande liegen in einem Delta. An den Küsten haben | |
die Bauern mit versalzenen Feldern zu kämpfen. Auch in anderen Ländern | |
Europas gibt es durch Starkregen oder langanhaltende Dürren Schwierigkeiten | |
bei der Ernte. Corona und der Krieg in der Ukraine haben zudem gezeigt, wie | |
fragil das Ernährungssystem ist. Unsere Abhängigkeit von Importen hat zu | |
Lieferschwierigkeiten geführt. Plötzlich waren bestimmte Lebensmittel im | |
Supermarkt nicht verfügbar. | |
taz: Für das Projekt sind Sie in mehrere Länder gereist. Wie kam es zu der | |
Auswahl? | |
van Lohuizen: In allen Ländern gab es Aspekte, die mich besonders | |
interessiert haben. Die Niederlande sind ein kleines Land und trotzdem der | |
zweitgrößte Lebensmittelexporteur, direkt nach den USA. Aus Kenia gelangen | |
ebenfalls extrem viele Früchte und Gemüse nach Europa. Saudi-Arabien | |
wiederum hat vor der Pandemie 90 Prozent seiner Lebensmittel importiert und | |
möchte das nun ändern. Die Emirate und Saudi-Arabien versuchen durch | |
Geothermie, also durch künstlichen Regen, zu landwirtschaften. Und China | |
hat das Ernährungssystem verändert: Dort werden die Lebensmittel in der | |
Nähe der Großstädte produziert. | |
taz: Gab es etwas, das Sie überrascht hat? | |
van Lohuizen: Dass die Lebensmittelindustrie in China besser als in den | |
meisten anderen Ländern funktioniert. Das Land importiert und exportiert | |
sehr wenig. Für mich war es außerdem am einfachsten, dort zu arbeiten, das | |
hätte ich nie gedacht. | |
taz: Wieso war es in den anderen Ländern so schwierig? | |
van Lohuizen: Dort herrschte großes Misstrauen, was passieren würde, | |
wenn ich in die Betriebe komme und fotografiere. Da war es einfacher, in | |
die Diamantenindustrie zu kommen. | |
taz: In Ihrem 2024 erschienenen Bildband „Food for Thought“ schreiben Sie, | |
dass wir keine Vorstellung davon haben, woher unser Essen kommt. | |
van Lohuizen: Wir sehen die großen Farmen und Distributionszentren, aber | |
wir haben keine Idee davon, wie viel wir wirklich produzieren. Wir haben | |
die Verbindung zum Ursprung der Lebensmittel verloren. Wir sind komplett | |
entkoppelt. | |
taz: Wie sieht die Landwirtschaft der Zukunft aus? | |
van Lohuizen: Die liegt meiner Ansicht nach im saisonalen und regionalen | |
Anbau. Außerdem sollten wir dringend weniger Fleisch konsumieren. Die | |
Lösungen sind da, aber wir müssen unsere Komfortzone verlassen. Den | |
Klimawandel können wir nicht mehr aufhalten, dafür sind wir zu spät, aber | |
wie wir unsere Ernährungsweise und die Lebensmittelproduktion gestalten, | |
das können wir verändern. | |
10 Feb 2025 | |
## AUTOREN | |
Johanna Weinz | |
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