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# taz.de -- KünstlerInnen bangen um Atelierräume: Wenig gespart, viel verloren
> KünstlerInnen haben sich das Arbeitsraumprogramm hart erkämpft. Es ist
> weltweit einzigartig. Doch es ist in Gefahr, wenn es zu Kürzungen kommt.
Bild: Die KünstlerInnen aus der Belziger Straße 25: Eva M. Kreutzberger, Kath…
Berlin taz | Ein Slogan aus der Verzweiflung geboren: „Ohne Kunst habt ihr
nix zu lachen.“ Damit standen vergangenen Mittwoch 34 KünstlerInnen vor dem
Abgeordnetenhaus (AGH). Sie wissen nicht, wie lange sie noch in ihren vom
Senat geförderten Ateliers bleiben können. Drinnen wurde zur gleichen Zeit
um den Kulturhaushalt 2026/27 gerungen. Und das heißt: um den schwarz-roten
Sparkurs.
368 Atelier-Mietverträge laufen in den nächsten zwei Jahren aus. Die ersten
schon zum Ende dieses Jahres. Eine weitere Verlängerung der
Hauptmietverträge durch den Senat, der von seinen Untermietern, den
KünstlerInnen, zwischen vier und sechs Euro pro Quadratmeter verlangt, ist
nicht gesichert. Grund dafür ist eine für das [1][Arbeitsraumprogramm]
fatale Gemengelage zwischen den Senatsverwaltungen für Kultur und für
Finanzen.
So kann die Senatsverwaltung für Kultur mithilfe einer
Verpflichtungsermächtigung der Senatsverwaltung für Finanzen im Namen des
Landes Berlin Hauptmietverträge abschließen, die über den aktuellen
Haushalt hinausgehen. Seit Frühjahr 2024 aber ist die Nutzung dieses
finanzpolitischen Instruments immer öfter durch Finanzsenator Stefan Evers
(CDU) gesperrt. Gleichzeitig verkündet die Kulturverwaltung, dass „um den
Förderbeitrag zu senken, neue Zielgruppen angesprochen werden sollen, die
den (marktüblichen) Mietpreis zahlen können.“
Bis jetzt werden die rund 1.100 geförderten Ateliers vom [2][Berufsverband
bildender KünstlerInnen Berlin] (bbk) verwaltet. Auch Dejan Marković vom
Vorstand des BBK demonstrierte am Mittwoch. Für ihn und die KünstlerInnen
steht drohend im Raum, dass die Verwaltung von Kultursenatorin Sarah
Wedl-Wilson (parteilos, für CDU) plant, die Zielgruppen auszutauschen.
Nicht mehr die prekär lebenden KünstlerInnen, die alle zwei Jahre ihre
finanzielle Situation darlegen müssen, sollen künftig unterstützt werden.
In die Räume soll vielmehr Gewerbe einziehen, das sich die marktüblichen
Mieten leisten kann.
## Alle fünf haben ihre Ateliers im obersten Stock
Was so ein Mieteraustausch generell für ein Haus bedeutet, erzählen fünf
KünstlerInnen im 2. Hinterhof in der Belziger Straße 25 in Schöneberg. Alle
fünf haben ihre Ateliers im obersten Stockwerk. Eva M. Kreutzberger und
Katharina Bach entdeckten die Räume Anfang der 1980er, als sie an der
Schöneberger Dependance der Hochschule der Künste (HdK, heute Universität
der Künste, UdK) Kunstpädagogik studierten. Räume, die sehr lange keinen
Handwerker gesehen hatten. Sogar die Türen fehlten. Aber es gab Platz und
Licht.
1994 schafften sie es, dass die Atelierräume in das neu eingeführte
Berliner Arbeitsraumprogramm aufgenommen wurden. Im 2. Hinterhof
existierten damals noch traditionelle Gewerbe, unter anderem eine
Eisengießerei und eine Druckerei. Deren spezifischer Klangteppich wich mehr
und mehr den Rhythmen, die aus den Fenstern der neu gegründeten Tanzschulen
den Hof beschallten. Dort ist es heute ruhig. An den Aufgängen finden sich
dezente Hinweise auf ansässige Architekturbüros. Und ganz oben als
Kontinuität zwischen den Epochen die KünstlerInnen.
Mona Könen ist seit über 30 Jahren vor Ort. Sie bereitet gerade eine
Ausstellung im bulgarischen Plowdiw vor. Kurz setzt sie sich hin, lässt
ihren Blick durchs Atelier schweifen und bleibt an einem Bild hängen, aus
dem sich ein einsam gewordener High-Heel-Stiletto in den Raum bohrt. Für
sie ist klar: „Ich kann mir keine höhere Miete leisten. Aber wie soll ich
ohne Atelier künstlerisch tätig sein? In meinem Atelier kommen mir die
Ideen, gleichzeitig ist es der Raum, der mir die Möglichkeit gibt, sie zu
realisieren, und es ist auch der einzige Ort, an dem ich meine Kunst immer
jemandem zeigen kann.“
Sonja Schrader und Konrad Mühe arbeiten seit fünf Jahren in der Belziger
Straße 25. Mithilfe des gemeinsamen Ateliers, das in der Nähe ihrer Wohnung
liegt, schaffen sie es, Familienleben mit Kind und künstlerische Tätigkeit
zu vereinen. Doch der Hauptmietvertrag für die vier Ateliers läuft im
Sommer nächsten Jahres aus. Mühe ist inzwischen Sprecher der
Ateliergemeinschaft und tauscht sich wöchentlich mit den SprecherInnen der
anderen bedrohten Ateliergemeinschaften aus. Sie haben sich organisiert im
„Bündnis der bedrohten Atelierhäuser“ und die [3][Online-Petition
„#SaveOurStudiosBerlin“] auf den Weg gebracht, die bisher über 6.000
Menschen unterzeichnet haben.
## „Wir geben der Gesellschaft auch etwas zurück“
Bei der Demo am Mittwoch schallte es chorisch Richtung AGH: „Wenig gespart,
viel verloren.“ Maria Anwander hält das Transparent, das auf die Petition
verweist, mit drei MitstreiterInnen gegen den eisigen Wind. Sie hat ihr
Atelier in der Wilsnacker Straße in Moabit und sagt: „Wir geben der
Gesellschaft auch etwas zurück. In mein Atelier kommen Kita-Gruppen und
Schulklassen. Mein Kunstansatz ist partizipativ, denn ich möchte mit der
Gesellschaft arbeiten.“
Anwander erinnert sich an ihren zweijährigen Lehrauftrag an der Hochschule
für Bildende Künste Braunschweig: „Da hatte ich zwei Jahre lang ein
konstantes Einkommen. Aber das ist auch schon wieder Jahre her.“ Peter
Behrbohm hält sich am großen „#Hobrecht31“-Transparent fest. In der
Neuköllner Hobrechtstraße 31 existiert mit 21 Ateliers eines der größten
Atelierhäuser der Stadt, über 30 KünstlerInnen arbeiten hier. Behrbohm
teilt sich dort mit Anton Steenbock ein Atelier. Für beide, als Künstlerduo
„Sonder“ unterwegs, ist „ohne ein Atelier mit Lastenaufzug unsere
raumgreifende installative und intervenierende künstlerische Praxis
undenkbar“.
Im Nach-Wende-Berlin hatten sich KünstlerInnen das Arbeitsraumprogramm hart
erkämpft. Es ist weltweit einzigartig, wurde über die Jahre hinweg
ausgebaut und hat Vorbildcharakter für andere Städte. Noch leben und
arbeiten über 10.000 bildende KünstlerInnen in Berlin. Ungefähr 20 Prozent
haben Zugang zu einem geförderten Atelier. Lange war von einem weiteren
Ausbau des Arbeitsraumprogramms die Rede.
Am Mittwoch trafen die KünstlerInnen im AGH auf Kulturstaatssekretärin
Cerstin Richter-Kotowski (CDU), der im Auftrag des „Bündnisses der
bedrohten Atelierhäuser“ bei der Gelegenheit auch die Petition übergeben
wurde. Richter-Kotwoski sicherte zu, dass „im Augenblick die ganze große
Prämisse“ sei, „dass wir den Bestand der Ateliers, die wir haben, erhalten
wollen“.
## Alles doch nicht so schlimm?
Andere, die sich derzeit noch im Aufbau befinden, wie die Ateliers in der
Lehrter Straße, will die Kulturverwaltung demnach „zu Ende führen und ins
Programm einfließen lassen“. In Bezug auf das Atelierhaus in der
Hobrechtstraße 31 wurde die CDU-Frau konkret: „Große, alte Strukturen wie
die Hobrechtstraße, wo es einen Eigentümer gibt, der selber weitermachen
will, das werden wir weiterführen.“ Alles doch nicht so schlimm?
Dejan Marković vom bbk beobachtet, dass bei der Senatsverwaltung für Kultur
das Framing und das, was tatsächlich beschlossen und umgesetzt wird, immer
öfter auseinanderklafft. Fakt ist, dass, falls beim Doppelhaushalt 2026/27
nicht nachgebessert wird, die Ausgaben für Kultur im kommenden Jahr weniger
als zwei Prozent des Berliner Gesamthaushalts ausmachen werden und bei der
Kultur definitiv wieder über 100 Millionen eingespart werden.
Die VertreterInnen vom „Bündnis der bedrohten Atelierhäuser“ haben schon
mal angekündigt, am 13. Oktober im Abgeordnetenhaus wieder auf der Matte zu
stehen. Man sei mit Kulturstaatssekretärin Cerstin Richter-Kotowski im
Guten auseinander gegangen. Es schien fast, als kämpfe man an
unterschiedlichen Fronten für die gemeinsame Sache. Wenn das, was
Richter-Kotowski sagt, mehr ist als positiv aufgeladenes Framing, dann gibt
es noch eine reale Chance für die bedrohten Atelierhäuser. Und die
KünstlerInnen können sich wieder auf das konzentrieren, was ihr Metier ist:
die Kunst.
7 Oct 2025
## LINKS
[1] https://www.berlin.de/sen/kultur/foerderung/foerderprogramme/arbeitsraeume/
[2] https://www.bbk-berlin.de/
[3] https://innn.it/save-our-studios-berlin
## AUTOREN
Katja Kollmann
## TAGS
Berliner KünstlerInnen
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