# taz.de -- Umgang mit Rechten am historischen Ort: Ungebetene Besucher | |
> NS-Gedenkstätten sind einem Bildungsauftrag verpflichtet. Doch immer mehr | |
> Rechte besuchen sie – und deuten die Geschichte um. Was tun? | |
Bild: Mordstätte: Im Innenhof des Berliner Bendlerblocks wurden Verschwörer d… | |
WEWELSBURG/VOGELSANG/BERLIN taz | Zwölf Säulen umgeben einen kreisförmigen | |
Raum. Am Boden liegen Sitzkissen in leuchtenden Farben, darunter, nicht | |
verborgen, aber doch zum Teil verdeckt, ein Bodenornament: die schwarze | |
Sonne, gelegen inmitten des Obergruppenführersaals im Nordturm der | |
Wewelsburg. | |
In Ringform sind zwölf Runen zu erkennen, die sich als übereinandergelegte | |
Hakenkreuze identifizieren lassen. Nur ist diese schwarze Sonne gar nicht | |
schwarz, sondern grün. Und der Obergruppengruppenführersaal hat auch | |
niemals SS-Obergruppenführern zu Besprechungen gedient, so wie die ganze | |
Wewelsburg, im hügeligen Paderborner Land gelegen, zwar von Heinrich | |
Himmler zum kultischen Versammlungsort seiner SS-Führer bestimmt worden | |
war, aber letztlich bis zum Ende des NS-Regimes nichts weiter als eine | |
große Baustelle blieb, in Gang gehalten von KZ-Häftlingen. | |
Kirsten John-Stucke heißt die Frau, die die Sitzkissen auf der schwarzen | |
Sonne platzieren ließ. Sie tat das nicht der Bequemlichkeit der Besucher | |
wegen. Sie will damit die Aura zerstören, die dieser Saal für gewisse | |
Menschen ausstrahlt: Esoteriker, Neonazis und alles, was sich zwischen | |
diesen beiden Polen bewegt. | |
Seit die schwarze Sonne in den 1990er Jahren zum Ersatzsymbol für das | |
verbotene Hakenkreuz avancierte, geben sich diese Herrschaften auf der | |
Wewelsburg die Klinke in die Hand. Und Kirsten John-Stucke, verbindlich im | |
Ton und geduldig in ihren Ausführungen, hat ein Problem. | |
## In Dreiviertelhose der schwarzen Sonne huldigen | |
„Man sieht es ihnen an“, sagt sie. „Dreiviertellange Hosen, junge Familien | |
mit ihren Kindern oft. Die wollen nur die schwarze Sonne sehen. Ich habe | |
nicht die Absicht, mit ihnen zu diskutieren.“ Einmal, berichtet sie, sei | |
ein Mann mit seinem Motorrad gekommen, 400 Kilometer weit sei er gefahren, | |
erzählt John-Stucke. Er habe einen Thorshammer als Ring an seiner Hand | |
getragen und deshalb habe man ihm den Besuch verwehrt. „Er wollte den Ring | |
nicht abnehmen, deshalb durfte er nicht hinein.“ | |
Es ist nämlich so, dass die [1][Wewelsburg], ursprünglich ein | |
Renaissance-Schloss aus dem 17. Jahrhundert, eine Gedenkstätte für die | |
Geschichte der SS ist. Ein Täterort, der an diese Massenmörder erinnert. Es | |
gibt eine Ausstellung zur Geschichte der SS, in der auch die Symbole dieser | |
verbrecherischen Organisation zu sehen sind, den SS-Dolch etwa, auf dessen | |
Scheide „Meine Ehre heißt Treue“ geschrieben steht, oder mit Hakenkreuzen | |
verzierte Christbaumkugeln. Nur sind diese Objekte ausgesprochen schlecht | |
ausgeleuchtet, ganz im Gegensatz zu den Erinnerungsstücken an die Tausenden | |
KZ-Häftlinge, die 400 Meter von der ehemaligen SS-Ordensburg entfernt in | |
Baracken lebten. | |
## Dem SS-Dolch die Aura nehmen: eine Frage der Beleuchtung | |
Das mit der Beleuchtung sei natürlich Absicht, erklärt Kirsten John-Stucke. | |
Man wolle den SS-Objekten ihre Aura nahmen und dazu noch das Fotografieren | |
erschweren. Die Hausordnung bestimmt klipp und klar, dass für „jegliche | |
Aufnahmen der beiden ehemaligen SS-Räume im Nordturm der Wewelsburg“ vorab | |
eine schriftliche Genehmigung durch die Museumsleitung eingeholt werden | |
muss. Das gilt auch für „Aufnahmen mittels Drohnen oder anderer Fluggeräte | |
auf dem Museumsgelände“. | |
Der zweite Pilgerort für Rechte befindet sich tief unten im Nordturm. Dort | |
mussten die KZ-Häftlinge den Felsboden um fünf Meter absenken, damit ein | |
gruftähnlicher Raum entstand. Was manche Besucher in diesen Ort alles | |
hineinfantasieren – John-Stucke zählt es auf: „Das Bernsteinzimmer soll | |
hier verborgen sein, der Heilige Gral, Abschussvorrichtungen für | |
V2-Raketen. Und hier sollen die Flugschalen mit Adolf Hitler an Bord | |
landen, die die SS angeblich am Südpol verborgen hält.“ Die Wewelsburg, | |
konstatiert die Leiterin der Gedenkstätte bedauernd, „ist ein | |
Anziehungspunkt für rechtsradikale Besucher“. | |
Wie geht John-Stucke damit um? „Jeder hat das Recht auf Bildung“, sagt sie, | |
„solange er seine rechte Gesinnung nicht zur Schau stellt, darf er den Ort | |
besuchen.“ 50.000 Menschen kommen jährlich in die Gedenkstätte Wewelsburg, | |
darunter viele Schulklassen. Aber rund einem Prozent sehe man ihre rechte | |
Gesinnung an. | |
Und deshalb sind die Pförtner hier nicht einfach nur Leute, die darauf | |
achten, dass jeder das Rauchverbot beachtet. Sie sind Experten zur | |
Begutachtung rechtsradikaler Symbole. Sie kennen sich aus mit Keltenkreuzen | |
und dem griechischen Buchstaben Lamda, dem Symbol der Identitären Bewegung. | |
Sie haben gelernt, was eine Naudiz-Rune ist, eine Triskele oder eben der | |
Thorshammer, jener T-förmige Anhänger, mit dem der Motorradfahrer | |
vergeblich Eingang begehrte. Wer mit diesen oder ähnlichen Nazi-Symbolen | |
bekleidet die Wewelsburg besichtigen möchte, hat Pech gehabt. Wenn einer im | |
T-Shirt mit der Naudiz-Rune kommt, Frau John-Stucke? Muss er sein T-Shirt | |
aus- oder etwas überziehen, antwortet die Gedenkstättenleiterin. | |
AfD-Anhänger tragen freilich keine Runen oder dreiviertellange Hosen. Sie | |
kommen daher wie alle anderen ganz normalen Besucher. Die AfD-Szene in der | |
Region sei klein, sagt John-Stucke. Die Zahl der Besucher mit rechter | |
Gesinnung habe sich in jüngster Zeit nicht vergrößert. | |
Anderswo aber schon. | |
## Holocaust-Leugner in der NS-Gedenkstätte | |
Im Sommer 2018 musste die Führung einer Gruppe durch die KZ-Gedenkstätte | |
Sachsenhausen, nicht weit von Berlin gelegen, abgebrochen werden. Besucher | |
sollen NS-Verbrechen verharmlost und gestört haben. Sie sollen die Existenz | |
von Gaskammern angezweifelt haben. Die Gruppe war auf Einladung der | |
AfD-Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel gekommen. In Bergen-Belsen bestritt | |
ein Besucher gegenüber einem Guide Ende Januar 2019 Naziverbrechen. Und | |
erst in der letzten Woche wurde bekannt, dass Rechtsextreme auf dem | |
ehemaligen Gelände der Reichsparteitage in Nürnberg einen Fackelzug | |
abhielten. | |
In Dresden ließ der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke 2017 eine Rede vom | |
Stapel, in der er beklagte, Deutschland sei „das einzige Volk der Welt, das | |
sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat“, | |
und forderte eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“. Und in | |
Thüringen erklärte der AfD-Fraktionschef im Bundestag, Alexander Gauland, | |
im Juni 2018, die Zeit des Nationalsozialismus zu einem „Vogelschiss“ in | |
1.000 Jahren deutscher Geschichte. | |
Und deshalb gibt es heute nicht nur auf der Wewelsburg Probleme. | |
NS-Gedenkstätten in ganz Deutschland sind alarmiert über den rechten Trend. | |
Sie gehen damit nicht unbedingt laut an die Öffentlichkeit, ihre Leiter | |
wollen nicht den Eindruck vermitteln, als kreisten ihre Gedanken Tag und | |
Nacht um dieses Problem. Doch sie müssen sich mit ihm beschäftigen, | |
notgedrungen. | |
## Wie die Rechten den NS-Widerstand okkupieren | |
Johannes Tuchel gehört zu ihnen. Der Mann mit sonorer Stimme lädt in sein | |
provisorisches Büro ein, es wird gerade umgebaut. Sein Haus befindet sich | |
in der Berliner Stauffenbergstraße, und die Adresse ist Programm: Hier, in | |
der [2][Gedenkstätte Deutscher Widerstand], geht es nicht, wie in der | |
Wewelsburg, um die Täter, sondern um diejenigen, die dem NS-Regime | |
entgegengetreten sind. Und dazu gehört [3][Claus Schenk Graf von | |
Stauffenberg], der Mann, der 1944 Hitler in die Luft zu sprengen versucht | |
hatte und dafür mit seinem Leben bezahlen musste. Nur wenige Meter von | |
Tuchels Büro entfernt, im gepflasterten Hof des Bendlerblocks, ist | |
Stauffenberg in der Nacht vom 20. auf den 21. Juli zusammen mit | |
Mitverschwörern erschossen worden. Eine Tafel neben dem Eingang zur | |
Ausstellung erinnert an den Mord. | |
„Die neuen Rechten versuchen schon seit längerer Zeit, einen starken | |
Stauffenberg-Bezug herzustellen“, sagt Tuchel. „Sie bauen sich ihr eigenes | |
Stauffenberg-Bild.“ Der Leiter der Gedenkstätte beklagt einen „Missbrauch | |
des Widerstands“ durch rechtspopulistische Kreise. „Sie stellen sich selbst | |
in die Tradition des Widerstands gegen den Nationalsozialismus.“ Die AfD | |
habe auch ein Bild Sophie Scholls verwandt und dazu geschrieben, diese | |
würde heute AfD wählen. | |
In solchen Fällen neigt Tuchel nicht zu Diskussionen, sondern äußert sich | |
klar dagegen. Den Missbrauch der schwarz-rot-goldenen Fahne mit dem | |
Philippuskreuz, die von dem am Umsturzversuch des 20. Juli 1944 beteiligten | |
Josef Wirmer als Symbol für die Wiederherstellung des Rechtsstaats | |
entworfen wurde, durch Pegida findet Tuchel „unerträglich“. | |
In anderen Fällen aber stellt sich Tuchel der Debatte. Seit die AfD 2017 in | |
den Bundestag eingezogen ist, haben ihre Abgeordneten auch das Recht, über | |
das Bundespresseamt Besucher aus ihrem Wahlkreis in die Hauptstadt | |
einzuladen. Und davon machen sie reichlich Gebrauch, auch und gerade in der | |
Gedenkstätte Deutscher Widerstand. | |
## AfD-Gruppen pflegen die eigene Opferrolle | |
Und so schlagen ein- bis zweimal im Monat Besuchergruppen der AfD in | |
Tuchels Haus auf. Rund 25 Mal sei das bisher der Fall gewesen, berichtet | |
dieser, der es sich nicht nehmen lässt, einen Teil dieser Gruppen | |
persönlich durch die Ausstellung zu führen. Das sei keineswegs etwa einem | |
Misstrauen gegenüber den anderen Guides geschuldet. „Ich lasse mir doch | |
nicht die Gelegenheit nehmen, auch diese Gruppen über den Widerstand gegen | |
den Nationalsozialismus zu informieren!“, sagt Tuchel und wird dabei | |
lebhafter. | |
Schließlich habe die Gedenkstätte einen Bildungsauftrag und es sei seiner | |
Meinung nach keineswegs so, dass alle AfD-Fans gleich Neonazis seien. Mit | |
denen allerdings rede er nicht. Für die gebe es im Zweifelsfall ein | |
Hausverbot und einen Anruf bei der Polizei. Für alle anderen Besucher aber | |
gelte es, „die Kärrner-Arbeit der Information über die NS-Zeit | |
fortzusetzen“. Rund 120.000 Menschen haben die Gedenkstätte Deutscher | |
Widerstand im vergangenen Jahr besucht, Tendenz steigend, ein Erfolg. | |
Die AfD-Gruppen verhielten sich in der Regel unauffällig, auch bei den | |
anschließenden Diskussionen, berichtet Johannes Tuchel. Ob er etwas mit | |
seinen Führungen bewirke? Das könne er nicht sagen: „Ich kann ja nicht | |
wissen, was diese Menschen denken.“ Aufgefallen sei ihm aber, wie sehr | |
manche dieser Besucher die damalige Situation – den lebensgefährliche Kampf | |
gegen eine mörderische Diktatur – mit den heutigen Zuständen gleichsetzten. | |
„Das ist ja heute nicht anders“ oder „Wir leben ja heute auch in einer | |
Diktatur“, solche Sprüche, die auf die so gerne von der AfD gepflegte | |
Opferrolle verweisen, habe er schon häufiger zu hören bekommen. „Hier | |
verweisen wir dann klar auf den Unterschied zwischen Widerstand gegen | |
totalitäre Diktaturen und Opposition in einem demokratischen Rechtsstaat“, | |
sagt Tuchel. | |
Johannes Tuchel steht mit seinem Problem nicht alleine da. Die | |
NS-Gedenkstätten in Deutschland sind miteinander vernetzt, und diese | |
Vernetzung hilft jetzt auch angesichts der rechtsradikalen und | |
rechtspopulistischen Stimmungen. Die Institutionen holen sich externen Rat | |
bei der Frage ein, wie man mit dieser Art Besucher umgehen sollte. In der | |
Hauptstadt ist das die [4][Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin | |
(MBR)]. | |
## „Klare Regeln bei Führungen vorgeben“ | |
Matthias Müller, ein bärtiger Mann mittleren Alters, hat sein Büro ganz | |
oben in einem Hochhaus im Norden Berlins. Die NS-Gedenkstätten hätten sich | |
an die Mobile Beratung gewandt, weil die Guides der Einrichtungen Bedenken | |
bei Führungen von Rechten hatten, sagt er. Wann müsse man eine Führung | |
abbrechen und wann nicht? Soll man auf jede Provokation antworten? Müller | |
spricht in diesen Fällen von einer „Gratwanderung“, schließlich könne | |
manche unbedachte Äußerung auch auf Unwissen zurückzuführen sein. | |
Vor allem aber stelle sich für viele Guides die Frage, ob man | |
Rechtspopulisten und Anverwandte überhaupt führen wolle. Was, wenn man in | |
Detaildebatten verwickelt werde und den vorgeblichen Argumenten nicht | |
standhalten könne? Was geschehe, wenn der Name anschließend in rechten | |
Foren gepostet wird? | |
Die MBR kann solche Ängste nicht einfach zerstreuen. Aber, sagt Müller, sie | |
könne gewisse Handlungsmöglichkeiten empfehlen. Etwa die, Führungen nur zu | |
zweit zu übernehmen. Diskussionen über eine Ausstellung ans Ende der | |
Veranstaltung zu verlegen anstatt sich während einer Führung in Debatten zu | |
verstricken. Einige Gedenkstätten haben dem Sicherheitsbedürfnis der Guides | |
Rechnung getragen, indem sie ihnen freistellen, ob sie Namensschilder | |
tragen wollen oder nicht. „Wir empfehlen, klare Regeln vor Beginn einer | |
Führung vorzugeben, was etwa das Fotografieren und Audio-Mitschnitte | |
betrifft.“ | |
Die MBR hat mit den Guides von Berliner NS-Gedenkstätten in Rollenspielen | |
das Verhalten geübt. „Wir versuchen, den Guides einen Eindruck davon zu | |
geben, was alles passieren kann“, sagt Müller. Aber manche der häufig | |
freien Mitarbeiter von Gedenkstätten wollen mit solchen Leuten keine | |
Führungen unternehmen. Matthias Müller kann das verstehen. | |
## Am Ort der „Herrenmenschen“ | |
„Haltung zeigen!“ Albert Moritz, jugendlich-eloquent wirkend, sitzt im | |
Café der Gedenkstätte nahe der belgischen Grenze, die den lieblichen Namen | |
[5][Vogelsang] trägt. Doch der will so gar nicht zu der Trutzburg passen, | |
die die Nazis hier in der Eifel in den 1930er Jahren geschaffen haben, um | |
künftige Herrenmenschen zu erziehen. Gewaltige Gebäude thronen auf einer | |
Anhöhe über der Urfttalsperre, gekrönt von einem Turm. Bis vor ein paar | |
Jahren war das noch ein belgischer Truppenstandort. Heute befindet sich | |
hier eine bemerkenswerte Ausstellung über die NS-Nachwuchselite. Aber es | |
stehen auch all die Nazibauten herum samt Fackelträger-Relief am | |
„Sonnenwendplatz“. | |
Mit ungebetenen Besuchern hat auch Geschäftsführer Moritz zu tun, schon | |
seit einiger Zeit. Er ist für klare Regeln: „Wenn jemand erzählt, Hitler | |
habe doch auch die Autobahnen gebaut, dann lassen wir das nicht | |
unkommentiert stehen“, sagt er. Sechs bis sieben rechtsradikal gesinnte | |
Gruppen kämen jährlich in Vogelsang vorbei, daneben so einige | |
Einzelpersonen, denen man ihre Gesinnung ansehe, offenbar vom Gefühl des | |
Herrenmenschentums beseelt. Die Guides seien speziell geschult und könnten | |
Führungen jederzeit abbrechen, die Polizei müsse man nur sehr selten holen. | |
Und, ja, in jüngster Zeit habe es auch Aufkleber-Aktionen der Identitären | |
gegeben. | |
Doch auch Moritz plädiert für ein differenziertes Vorgehen. Er berichtet | |
von einem Vorfall, bei dem eine Gruppe Schüler eindeutig rechtsradikale | |
Symbole gezeigt hätten. Sie seien dumm genug gewesen, das auch noch zu | |
posten. Da habe er nicht die Polizei geholt, wohl aber die Schulleitung | |
informiert. Und die 13, 14 Jahre alten Jugendlichen hätten sich später | |
handschriftlich für ihr Verhalten entschuldigt. | |
Ob AfD-Freunde unter den Besuchern sind, weiß Moritz nicht zu sagen. Doch | |
von anderer Seite ist zu erfahren, dass der örtliche | |
AfD-Bundestagsabgeordnete Rüdiger Lucassen einerseits zum 9. November 2018, | |
dem 80. Jahrestag der Pogromnacht, die „Euskirchener Erklärung“ gegen das | |
Vergessen und für eine offene Gemeinschaft unterzeichnet hat. Andererseits | |
polemisierte er kürzlich gegen den „hochstilisierten Schuldkomplex“, | |
„schmarotzende Eliten“ und den „Hass auf Deutschland“ – ein typisches | |
Verhalten für AfD-Vertreter: sich an Juden heranwanzen, bei Jahrestagen | |
Kränze zum Gedenken ablegen, aber zugleich völkischen Vorstellungen frönen. | |
## „Wir geben ihnen keinen Opferstatus“ | |
Mehr als erwünscht hat Uwe Neumärker Erfahrungen mit solchen Besuchern | |
machen müssen. Er ist Direktor der [6][Stiftung Denkmal für die ermordeten | |
Juden Europas], besser als Holocaust-Mahnmal bekannt. Seit 14 Jahren stehen | |
die 2.711 quaderförmigen Stelen aus Beton in der Mitte Berlins, erinnernd | |
an die sechs Millionen von den Nazis und ihren Helfern ermordeten Juden. | |
Mehrere Millionen Besucher hat das Mahnmal jährlich, eine halbe Million | |
besucht den dazugehörigen unterirdischen Ort der Information. Es war dieses | |
Mahnmal, das Björn Höcke 2017 zu seiner Rede vom „Denkmal der Schande“ | |
inspirierte. | |
Neumärker strahlt Ruhe aus. „Wir stellen es unseren Referenten frei, | |
AfD-Gruppen zu führen“, sagt er. Bisher habe es aber keine bemerkenswerten | |
Vorfälle gegeben. „Wir geben ihnen keinen Sonder- oder Opferstatus.“ Ja, es | |
gebe bisweilen Einträge im Gästebuch, die fordern, es solle wieder einen | |
Führer geben. Aber man habe in all den Jahren praktisch keinen Vandalismus | |
erlebt, keine Demonstrationen von Rechtsradikalen hätten es gewagt, das | |
Mahnmal zu betreten. „Ich rate zur Gelassenheit“, sagt Neumärker und wirkt | |
dabei selbst sehr gelassen. | |
Aber auch er hat schon Ereignisse erleben müssen, bei denen mehr als diese | |
gefordert war, im letzten November etwa. Zur Verlesung der Namen aller | |
Berliner Opfer des Holocaust war auch der AfD-Landesvorsitzende Georg | |
Pazderski erschienen. Als dieser sich beteiligen wollte, untersagte das Uwe | |
Neumärker und verwies auf sein Hausrecht. „Bei dieser Namensverlesung | |
mochte ich Sie nicht dabeihaben“, sagte der Leiter des Mahnmals. Er habe | |
nichts dagegen, wenn Pazderski privat das Stelenfeld besuchen wolle. Aber | |
jemand, dessen Parteifreund Höcke eine klar negative Position zum Denkmal | |
bezogen habe, könne nicht die Namen der Opfer verlesen. | |
Und wenn morgen Björn Höcke vor dem Mahnmal stünde und um eine Führung | |
bitte, was machen Sie dann? Neumärker überlegt nicht lange: „Wenn er keinen | |
Kranz niederlegen will, würde ich ihn durch die Ausstellung führen. Das | |
wäre wohl eine delikate Herausforderung.“ | |
5 Mar 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://www.wewelsburg.de/de/gedenkstaette-1933-1945/ | |
[2] https://www.gdw-berlin.de/home/ | |
[3] /!5168050/ | |
[4] /!5119142/ | |
[5] http://www.vogelsang-ip.de/de/startseite.html | |
[6] https://www.stiftung-denkmal.de/startseite.html | |
## AUTOREN | |
Klaus Hillenbrand | |
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